B Orpheus im Hafen
Nichts ist hier, was man unbedingt sehen müsste;
nicht wegen Denkmälern gefällt es mir hier,
sondern weil es Stunden gibt,
wo du hier tiefer bist in Venedig als selbst am Rialto:
05 Auf den Stufen des Herberghügels,
das Ohr dem Klang der Sterne geschärft,
die über dem Hafen tönen;
wenn auch zu fern noch, als dass nicht
die Lötlampen in den Schwimmdocks
10 greller aufsprühten, ihr Schrei
übers Wasser kälter hinschliffe und wüchse.
Klammere dich nicht an meinem Arm fest,
du sollst dich nicht fürchten,
wenn du das we grosse Gesicht weiss liegen siehst
zwischen den Schiffen, //
B Orpheus im Hafen2 B
15 mit offenem Mund,
verstummt und wie schlafend.
stumm
Du sollst dich nicht fürchten, weil eine geheime
weil eine geheime
Strömung es sogar in diesen entlegenen Hafen herschwemmte:
Städte und Häfen magst immer du fliehen,
20 ich glaube, immer fändest dus wieder.
Drum sieh drüber weg und steige ganz auf den Hügel:
von da ist das Gesicht weisse Gesicht, wenn dus nur willst,
einfach der Mond, der sich mit Sternen bescheiden
zwischen ruhenden Schiffen spiegelt im Becken: wenn
dus nur willst. –
25 Du sollst dich nicht fürchten.
29.3.57