Datiert: 1957

Orpheus im Hafen (D)

Hier ist nichts,
was man unbedingt gesehen haben müsste;
nicht wegen Denkmälern gefällt es mir hier,
sondern weil es Stunden gibt,
05 wo du hier tiefer in Venedig bist als selbst am Rialto:

Am  Herbergshügel,
das Ohr dem Klang der Sterne geschärft,
die über den Hafen tönen –
wenn auch zu fern, als dass nicht die Schreie
10 der Lötlampen kälter aus den Docks übers Wasser
hinschliffen und wüchsen.

Klammere dich nicht an meinen Arm; 
du sollst dich nicht fürchten,
wenn du das grosse Gesicht weiss liegen siehst zwischen den Schiffen,
15 mit offenem Mund,
verstummt und wie schlafend.
Du sollst dich nicht fürchten, weil eine geheime
Strömung es sogar in diesen entlegenen Hafen herschwemmte:
Städte und Häfen magst immer du fliehen,
20 ich glaube, immer fände dichs wieder.

Drum sieh drüber weg, und steige ganz auf den Hügel;
von da ists einfach der Mond,
der bescheiden mit Sternen, wenn dus nur willst, // 05v
liegt zwischen den Schiffen im Becken:
25 Du sollst dich nicht fürchten.


Blatt 05r (A-5-d_02_024.jpg)

D Orpheus im Hafen

Nichts ist hier,

Hier ist nichts,

was man unbedingt gesehen haben müsste;

nicht wegen Denkmälern gefällt es mir hier,

sondern weil es Stunden gibt,

05 wo du hier tiefer in Venedig bist als selbst am Rialto:


Am  Herbergshügel,

das Ohr dem Klang der Sterne geschärft,

die über den Hafen tönen –

wenn auch zu fern, als dass nicht die Schreie

10 der Lötlampen kälter aus den Docks übers Wasser

hinschliffen und wüchsen.


Klammere dich nicht an meinen Arm;

du sollst dich nicht fürchten,

wenn du das grosse Gesicht wesis weiss liegen siehst

\ zwischen den | Schiffen,

15 mit offenem Mund,

verstummt und wie schlafend.

Du sollst dich nicht fürchten, weil eine geheime

Strömung es sogar in diesen entlegenen Hafen herschwemmte:

Städte und Häfen magst immer du fliehen,

20 ich glaube, immer fände dichs wieder.

Drum sieh drüber weg, und steige ganz auf den Hügel;

von da ists einfach der Mond,

der bescheiden mit Sternen, wenn dus nur willst, //

Blatt 05v (A-5-d_02_025.jpg)

 

liegt zwischen den Schiffen im Becken:

25 Du sollst dich nicht fürchten.

1957

 

  • Details:

    V. 22 ists einfach] mit Bleistift gesgtrichen, durch Unterpunktung wiederhergestellt

  • Besonderes:

    Blatt beidseitig beschrieben;
    Typoskript mit Direktkorrekturen und Bleistiftkorrektur
    Zusätzlich ein Typoskript der Druckfassung, aoR mit Bleistift: Kopie für Raeber

  • Letzter Druck: GEDICHTE 1960
  • Textart: Verse
  • Datierung: Jahresangabe
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: A-5-d/02_004
  • Seite / Blatt: 05r/v

Inhalt: 89 Manuskripte und 11 Typoskripte zu 24 Gedichten und 2 szenischen Texten (2 Endfassungen)
Datierung: 27.11.1956 – 31.12.1957
Textträger:114 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Gedichttyposkripten und bräunliche Blätter
Umfang: 27 Dossiers, 192 beschriebene Seiten
Publikation: GEDICHTE (10), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-d/02 (Schachtel 37)
Herkunft: Mappe EG 57

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

Weitere Fassungen

Manuskripte 1957 (alph.)
(Total: 100 )
Manuskripte 1957 (Datum)
(Total: 100 )
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