Sonntag, 01 Dezember 1957

Der Fisch und der versunkene Poseidon (C)

Die Fischhändlerin leert
den Eimer aus auf die Strasse: das Wasser 
kommt nicht auf gegen den heissen 
Asphalt und ist, kaum 
05 er es nur begriff, schon verdunstet. 

Der Fisch aber war, 
als man ihn fing heute früh, 
gerade so weit gekommen: 
„Seit ich einmal, von Licht und Wärme 
10 gelockt, dorthin hinaufstiess, 
von wo vor langem der Riese // 05v
viele der unsern erschlagend, 
herabgestürzt war: 
der Meteor, der seither, Seesterne 
15 im Ohr, auf der Brust 
Polypen, daliegt, das Bild eines Hochfischs … 

Seit ich einmal hinaufstiess, 
fürchte ich mich: Das Kühle 
war nicht mehr da, mir erstarrten 
20 die Kiemen. Die Flossen 
fanden keinen Widerstand mehr, 
sich fächelnd voran zu bewegen … . 

Kam der Hochfisch von dort, gehn wir 
alle dorthin und verlieren Kiemen und Flossen? 
25 Durch wieviele Tode? // 06r

Vor kurzem sank ein kleiner und weicher 
Hochfisch auf den grossen und harten: 
eine Abart, schon geschwächt, 
weil es jenseits im Leeren 
30 auf die Dauer zu leben unmöglich? 

Der Hochfisch war Übertreibung. 
Unten muss man bleiben und die 
durch Wärme und Licht 
verdächtigen Höhen vermeiden. 
35 Wohnen will ich von morgen 
an in dem noch freien 
Ohr des grossen Hochfischs. Dort ist 
die Erinnerung Ansporn und Warnung zugleich. …“ // 06v

Hier war der Fisch heute früh, 
40 gerade als man ihn fing. 
Doch das Wasser, das die Händlerin ausgiesst, 
kommt gegen den heissen 
Asphalt der Strasse nicht auf 
und ist, kaum er es nur 
45 begriff, schon verdunstet.


Blatt 05r (A-5-d_02_148.jpg)

Der Fisch und der versunkene PoseidonC

Die Fischhändlerin leert

den Eimer aus auf die Strasse: das Wasser 

kommtnicht auf
kommt  gegen den heissen 

Asphalt nicht und ist, kaum 

05 er es nur begriff, schon verdunstet. 

Der Fisch aber war  heute früh,
Der Fisch aber war , heute früh, als man ihn fingheute früh

als man ihn fingheute früh fing ,heute früh, 

gerade so weit gekommen: 

„Seit ich einmal hinaufstiess , gelockt von Licht und Wärme

  von Licht und Wärme¿,  Licht und dorthin
[ von dem¿ helleren¿ Licht und xxx Wärme  hinaufstiessg ]

(von dort war vor langem

10 und Wärme gelockt, dorthin hinaufstiegss

von wo vor langem der Riese

herabgekommenstürzt war //

Blatt 05v (A-5-d_02_149.jpg)


viele der unsern erschlagend, 

herabgestürzt war ,: der Meteor,

der Meteor, der seither, Seesterne 

15 im Ohr, Polypen auf der Brust 

auf Polypen, das Bild daliegt, das Bild eines Hochfischs …

Wie sehr quält mich

O, dass ich ihm nicht ähnlicher bin! …

Seit ich einmal dorthin hinaufstiess, 

fürchte ich mich: Das Kühle 

das sich von selber versteht,

war nicht mehr da, mir erstarrten 

20 die Kiemen. Die Flossen 

fanden nicht keinen
fanden nicht mehr den sanften Widerstand mehr 

des Allgemeinen, des Alls,

um sich fächelnd voran zu bewegen … . 


Kam der Hochfisch
Kam der Hochfisch von dort, gehn wir 

vielleicht alle dorthin und verlieren Kiemen und Flossen? 

25 Durch wieviele Tode? //

Blatt 06r (A-5-d_02_150.jpg)

Der Fisch und der versunkene PoseidonC  2

Vor kurzem
Kürzlich sank ein kleiner und weicher 

Hochfisch herab auf den grossen und harten: 

wohl eine Abart, schon geschwächt, 

schon geschwächt und verringert,

weil es dort, jenseits im Leeren,

30 auf die Dauer zu leben unmöglich?

Der Hochfisch war eine Übertreibung. 

Unten muss man bleiben und die 

durch Wärme und Licht 

verdächtigen Höhen vermeiden. 

35 Wohnen will ich von morgen 

abn in dem einen noch leeren freien 

Ohr des grossen Hochfischs. Dort ist die

die
die Erinnerung an das, / was zu erforschen ich aufgab, /

ich aufgab, noch Ansporn und Warnung zugleich
ich aufgab, noch eben ein Ansporn, und zugleich

auch Warnung vor allem Zuviel …“ .... //

Blatt 06v (A-5-d_02_151.jpg)

 
Hier war der Fisch heute früh, 

40 gerade als man ihn fing. 

Doch das Wasser, das die Händlerin ausgiesst, 

kommt gegen den heissen 

Asphalt der Strasse nicht auf 

und ist schon, kaum er es nur 

45 begriff, schon verdunstet.

1.XII. 57

 

  • Besonderes:

    Bräunliches Papier; Blätter beidseitig beschrieben

  • Letzter Druck: GEDICHTE 1960
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-d/02_021
  • Seite / Blatt: 05r/v, 06r/v

Inhalt: 89 Manuskripte und 11 Typoskripte zu 24 Gedichten und 2 szenischen Texten (2 Endfassungen)
Datierung: 27.11.1956 – 31.12.1957
Textträger:114 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Gedichttyposkripten und bräunliche Blätter
Umfang: 27 Dossiers, 192 beschriebene Seiten
Publikation: GEDICHTE (10), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-d/02 (Schachtel 37)
Herkunft: Mappe EG 57

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

Weitere Fassungen

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(Total: 100 )
Manuskripte 1957 (Datum)
(Total: 100 )
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