Sonntag, 21 April 1957

Die Engelsburg: Kaiser Hadrian spricht (C)

Als ich die Augen auftat in der finsteren Kammer, 
bekam ich Angst und begann 
mich langsam in dem Grabmal aufwärts zu tasten. 

Ich baute mir die oberen Zimmer aus 
05 und drapierte mich mit schweren Brokaten: 
Meine Krone trug ich, voll Lust zur Übertreibung, jetzt dreifach.
Die Reste von Bescheidenheit, 
die ich im Leben noch hatte, von den Alten her, 
liess ich jetzt ganz weg, 
10 da mir die Biegung der Seele so wichtig geworden war seither. // 05v

Und nachts 
befleissigte ich mich der Sprache und Gestik 
verzückter Fische, 
die nur einfach, ohne Reflexion 
15 still schimmernd schwimmen. 

Bis ich mich schliesslich, 
nach all den vielen Versuchen, 
mein Imperium so verbindlich darzustellen, 
dass keiner, den es je ergriff, 
20 es vergessen und sich ihm jemals wieder entziehen könnte: 
entschied für eines der am längsten wirksamen Bilder, 
das am wenigsten den Verdacht der blossen Maskerade auf sich zieht 

und trat, 
nicht ohne Bedenken wegen des doch verbleibenden,
unvermeidlichen // 06
25 Restes von Pathos (solchen Auftritts) 
– aber das schien mir das kleinere Übel – 
auf die Zinne: 

Die Flügel vom Herabflug noch gebreitet, 
das Schwert der Seuche in die Scheide steckend, 
30 kurz, in der schönen Pose, der gemein verständlichen, 
des nach langem Groll versöhnten, 
durch Bitten, Bussasche, Kerzen und Prozessionen endlich
beschwichtigten 
und so auf dieser hohen Stelle fromm erinnert festgehaltnen, 
(die Stadt) beruhigenden Engels.


Blatt 05r (A-5-d_02_049.jpg)

C Die Engelsburg: Kaiser Hadrian spricht

[ Als ich die Augen in der Finsternis auftat,

begann ich langsam mich durch die Jahrhu
begann ich durch die Jahrhunderte herauf

langsam zu tasten ]

Als ich die Augen auftat in in der – der finsteren
Als ich die Augen auftat in in derfinsteren KxxkKammer auftat
Als ich die Augen unten in in der Tiefe des Grabmals auftat

auftat, bekam ich Angst und begann

und begann mich langsam durch die Jahrhunderte in dem

Grabmal aufwärts zu tasten. 

––––

Ich baute mir die oberen Zimmer aus 

05 und drapierte mich mit schweren Brokaten: 

Meine Krone trug ich, voll Lust zur Übertreibung,

jetzt dreifach.

DieReste von  die ich wenigstens noch hatte, von den Alten her,
Die  Bescheidenheit, / die ich im Leben von den Alten noch

hatte,

liess ich jetzt ganz weg, 

10 da mir die Biegung der Seele so wichtig geworden war seither. //

Blatt 05v (A-5-d_02_050.jpg)

die Anstrengung der Kräfte, die man früher schön auswog,

––––
die   (gelegentlich dazwischen)
Und nachts 

befleissigte ich mich der Sprache und Gestik 

verzückter Fische, 

die nur einfach, ohne Reflexion 

15 still schimmernd schwimmen. 
––––

Bis ich mich schliesslich, / nach all den vielen Versuchen, 

mein Imperium so verbindlich darzustellen, 

dass keiner, den es je ergriff, 

es wieder vergessen und sich ihm    mals
20 es wieder vergessen und sich ihm jemals wieder entziehen

könnte: 

entschied für eines der am längsten wirksamen Bilder, 

das am wenigsten den Verdacht der blossen Maskerade

auf sich zieht.

––––

und trat, nicht ohne

nicht ohne Bedenken trotzdem wegen des doch verbleibenden,

unvermeidlichen //

Blatt 06 (A-5-d_02_051.jpg)

C Die Engelsburg 2

wegen des

25 Restes von Pathos (solchen Auftritts) 

– aber das schien mir das kleinere Übel – 

auf die Zinne:

Das Schwert der Seuche in die Scheide steckend,

Die Flügel vom Herabflug noch gebreitet, 

das Schwert der Seuche in die Scheide steckend, 

30 kurz, in der schönen Pose, der gemein verständlichen, 

des nach langem Groll versöhnten, 

durch Bitten, Bussasche, Kerzen und Prozessionen endlich

beschwichtigten 

und so auf dieser hohen Stelle fromm erinnert festgehalt|nen, 

(alle Welt)
(die Stadt) beruhigenden Engels.

21.34. 57

 

  • Details:

    V. 11 nachts] gelegentlich dazwischen (Alternativ-Variante)
    V. 34 die Stadt] alle Welt (Alternativ-Variante)

  • Besonderes:

    Bräunliches Papier; Blatt 05 beidseitig beschrieben

  • Letzter Druck: GEDICHTE 1960
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-d/02
  • Seite / Blatt: 05r/v, 06

Inhalt: 89 Manuskripte und 11 Typoskripte zu 24 Gedichten und 2 szenischen Texten (2 Endfassungen)
Datierung: 27.11.1956 – 31.12.1957
Textträger:114 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Gedichttyposkripten und bräunliche Blätter
Umfang: 27 Dossiers, 192 beschriebene Seiten
Publikation: GEDICHTE (10), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-d/02 (Schachtel 37)
Herkunft: Mappe EG 57

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

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