Typoskripte Thomas Raeber
Inhalt: Typoskript-Durchschläge zu 114 Gedichten (2 Endfassungen)
Datierung: 1943/44-1954
Textträger: Einzelblätter (A4-Format)
Publikation: Die verwandelten Schiffe (20 Gedichte), Verstreutes (10 Gedichte)
Signatur: E-01-A-02 (Schachtel 110)
Herkunft: Sammlung Thomas Raeber (Bruder)
Wiedergabe: Edierte Texte
Sammlung von Typoskripten in 6 Dossiers
E-01-A-02/a | Dem Bruder | |
E-01-A-02/b |
3 Konvolute mit beigelegtem Couvert: Sendung von Herbert Meier, Solothurn, an Thomas Räber, Fribourg; |
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(1) |
Bleistiftnotat auf erstem Blatt: erhalten im April oder Mai 52 |
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(2) | 9 Bll mit 8 Gedichten (Durchschläge) | |
(3) | 10 Bll. (Durchschläge), z.T. mit Korrekturvorschlägen von Thomas R. Bleistiftnotat auf erstem Blatt: "Erhalten anfangs Juli 53" (gleiche Durchschläge wie Sammlung Kutter |
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E-01-A-02/c | 5 Dossiers | |
Dossier 1 | 2 Mappen mit Durchschlägen zu 28 Gedichten, Blätter am linken Rand gelocht Außer einem (Der Sommer ist erkannt) finden sich alle auch (vervielfältigt) in der Sammlung Kutter (E-03-A-01/a), von Raeber am 17.4.1951 an Kutter geschickt. |
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Dossier 2 | 9 Bll, 5 Typoskripte, 4 Durchschläge; Blätter am linken Rand gelocht Beigelegtes Couvert, adressiert an Herrn / Thomas Raeber, cand. phil. / Albertinum / Fribourg; deutscher Poststempel (2.7.53); verso Absender: Raeber, Fürststr. 17, Tübingen; von Raeber auf erstem Blatt rechts oben datiert: 2/7/53 (Datum der Lieferung, nicht der Entstehung entsprechend). |
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Dossier 3 |
2 Konvolute mit beigelegtem Couvert; adressiert an Herrn / Thomas Raeber, cand. phil. / Albertinum / Fribourg; deutscher Poststempel |
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(1) | 9 Typoskripte; von Raeber auf erstem Blatt rechts oben mit Tinte datiert: 26/10/53 Textzusammenstellung ud Wortlaut identisch mit (Typoskripte 1953 (A-5-c/06_002) |
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(2) | 7 Typoskripte; von Raeber auf erstem Blatt rechts oben mit Tinte datiert: 26/10/53; die einzelnen Blätter links unten individuell datiert | |
Dossier 4 |
11 Typoskript-Reproduktionen; jeweils unten rechts datiert: 1953. Beigelegtes Couvert, adressiert an: Herrn / Thomas Räber / Morgartenstr. 7 / Luzern; Adresse mit Bleistift korrigiert: Albertinum / Fribourg. Deutscher Poststempel: 24.12.53. Absender: Raeber, Zeppelinstr. 8, Tübingen. Am linken Rand von Raebers Hand: 24/12/53. -- Blätter gelocht, vergilbtes Papier; |
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Dossier 5 |
11 Typoskript-Durchschläge, jeweils unten rechts datiert: 1954 und von Raeber auf erstem Blatt rechts oben mit Tinte datiert: 13/3/54; Beigelegtes Couvert, adressiert an: Monsieur / Thomas Raeber / p.a. Prof. J. M. Bochenski, / Le Saulchoir, Etiolles / Soisy sur Seine (Seine et Oise); Absender: Raeber, Zeppelinstr. 8, Tübingen (Allemagne). Entspricht Typoskripte Kutter (E-03-A-01/i), außer Doppelfassung von Auf der Schaukel. |
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E-01-A-02/f | 16 Bll, Typoskript-Reproduktion (Mendrisiotto) + Typoskript-Durchschläge, datiert, für 6 Gedichte und Prosaentwurf (Europa) |
Warum hast du den Weg so schnell gefunden,
Der heimlich her in diese Lichtung führt?
Schon hat dich, Dunklen, hell der Strahl berührt
Des Mittags. Und, vom Rausche überwunden,
05 Gehst tanzend du, in Zauberzwang gebunden.
Wer hätte die Gefährdung je gespürt,
Bevor des Taumels Wut, zu hoch geschürt,
Der Seele reines Antlitz ihm zerschunden?
Doch unser lang schon angefangner Reigen
10 Soll heischend dich in seine Wirbel ziehn,
Ob du auch eines klar beschränkten Ganges
Entbehren musst: im schwindenden Verneigen
Des grössern Rings, des immer höher hin
Gehobnen Lieds und strengeren Gesanges.
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Besonderes: Sonett
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/a
- Seite / Blatt: 02
O der Schlinge entwunden, dem Netz entflohn und
losgerissen von der klebrigen Rute,
flieg ich hinweg aus dem trüben Gespräch:
dort unten summt noch die Rede des Paares am Tisch,
05 ganz am Rand noch kaut der weisse Kellner die Nägel:
wie sie sich mühen, mich im Ihren zu halten.
Aber schon bin ich zu hoch und sehe das Meer hinter den Dächern,
spüre Lockung und Zug des Gestirns in seine heissern,
in seine stärkeren Wirbel:
10 wär ich nicht glücklich, wenn's mich versengte,
wenn's mich zwänge, vernichtet, als Funke in seine Flamme zu stieben,
statt an der Rute zu kleben, honigbetörter,
neu mich immer zu fangen im Netz,
mich in die Schlinge mehr zu verwirren mit jeder Bewegung?
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Besonderes: Erstes Typoskript der Lieferung; oben rechts mit Bleistift: erhalten im April oder Mai 52
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/b_001
- Seite / Blatt: 01
- Identisch mit: Typoskripte 1952 (**)
Die manche Wolke hüllt und lässt und stillt,
des Berges wechsellichte Höh ersteigt
das Maultier, zögernd vor den Wassern wild.
Aber der Knabe sich ins Stieben neigt:
05 wenn er erriete, was den Vater drängt,
dass er Gestrüpp und Fels der Höhe sucht,
hätt er nicht freigerissen in die Flucht
sein Leben, eh Gehorsams Blitz es sengt?
Doch wusst er mehr, da Vaters Will entzweigt
10 dem stärkern Willen: das geschenkte Bild
des Knaben er dem Abend schöner zeigt,
wo Mond wie Sonne falben Triften gilt.
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/b_001
- Seite / Blatt: 02
- Identisch mit: Typoskripte Kutter
Treibt ihr noch am niedern Ufer
kümmernd hin,
hell ist wie die Wasserrose
nimmer euch der Sinn:
05 wo sie schwebt auf dunklen Fluten,
fest zugleich darin,
hangt ihr dumpf in Angstgebüschen
ohne Weltgewinn.
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Details: V. 01 Direktkorrektur: doch → noch
- Besonderes: Durchschlag
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/b_001
- Seite / Blatt: 03
- Identisch mit: Typoskripte 1952 (**)
Vor Himmels Röte schmilzt
metallene Wandung des Hauses,
und in den Kammern quillt
den Siechen ins geborstene Ohr
05 Klageton des Horns,
sodass sie werfen fort die blutigen Laken.
Aber auf der Schwelle hebt der Sänger
lauteren Kelch des Lieds
empor zum Flammenmund, der unersättlich säuft,
10 dass er ihn stille:
wenn die Najaden alle auf dem Trocknen röcheln,
erlischt die Röte überm wüsten Feld;
geronnen deckt Metall, erkaltend,
des Hauses alten Ort,
15 wo das Horn entfiel des Bläsers Lippe
und die Nackten raffen
verkohlte Fetzen ans Gebrest.
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Besonderes: Durchschlag
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/b_001
- Seite / Blatt: 04
- Identisch mit: Typoskripte 1952 (A*)
Streife mit den Schwingen, Vogel,
nächtiger Täler Hirtenfeuer,
dass die Träumer um die Glut
wachen auf aus Schlummerdünsten
05 warmen Tiers
ins Gestirn des nackten Himmels:
deine weissen Schwingen mildern,
nah herab bewegte Lider
mildern kalter Sterne Brand.
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Besonderes: Durchschlag
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/b_001
- Seite / Blatt: 05
- Identisch mit: Typoskripte 1952 (**)
Keiner kennt die Pinie wieder,
welche früher Liebe schattend,
welche früher heisser Flamme
schattend warf den Schleier nieder.
05 Keiner kennt den Staubbach wieder,
welcher hoher Liebe schimmernd,
welcher hoher stiller Flamme
schimmernd warf Geschmeide nieder.
Jeder kennt die Sonne wieder,
10 die auf tote Liebe sengend,
auf die Aschenspur der Flamme
sengend stieg zum Tanz hernieder.
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Besonderes: Durchschlag
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/b_001
- Seite / Blatt: 06
- Identisch mit: Typoskripte 1952 (**)
Und bist erwacht du an dem eklen Tisch,
die Strasse draussen kaut und rülpst den Fisch,
der dennoch lebt und glänzt im Element,
im stinkend hier verwesenden Gemisch
05 aus Händlergier und Fluch, Geknirsch
der Strassenbahn:
den Schergen fiel er hin.
Wo sind, die seiner Glorie nahn,
den Meeresthron und schön bewegten Sinn
10 des Flossenspiels im Traume fahn?
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Besonderes: Durchschlag
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/b_001
- Seite / Blatt: 07
- Identisch mit: Typoskripte 1952
Nächtens stürzt der Strom in lauer Woge
ins Gemach und reisst von Davids Bild
mit dem abgeschlagnen Haupt in Händen
weg den Vorhang, und Geziefer schwimmt
05 tot herein, der Käfer, Panzer, Spinnen.
Hier noch regen Fühler sich und Flügel,
die der Strom an seidene Tapeten
hängt als ekler Hochzeit Kranzeszierde.
Sie bekleckert, endend, Rumpf des Riesen,
10 Raupe noch zuletzt des Knaben Wange,
siegeshelle, Spülicht, Satz der Woge,
Stromes lauer Woge nächtens im Gemach.
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Details: V. 09 Korrektur: Schau, sie → Sie
- Besonderes: Durchschlag
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/b_001
- Seite / Blatt: 08
- Identisch mit: Typoskripte 1952 (A*)
Umgestürztem Becher gleich,
leergetrunken tropft der Himmel,
grün mit letzter Spur der Sonne
auf den Platz, der fieberbleich
05 flüchtet, am Gemäur zu kaun,
geil verbrennt in roten Lichtern
des Theaters, feig sich klammert
an die Wagen: nicht zu schaun
Schlund der Nacht und Morgengraun.
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Besonderes: Durchschlag
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/b_001
- Seite / Blatt: 09
- Identisch mit: Typoskripte 1952 (A*)
Wer das Fleisch noch duldet,
kennt Begierde nicht.
Wer durch Steppen wandert,
kennt den Delfin nicht.
05 Der ist noch verschuldet
Waldes Zwischenlicht,
wer nicht hellen Meeres
Fluten lieber bricht
und, im Schaume fahrend,
10 Himmeln sich ergibt.
Auf dem Seile wandelt,
wer die Spiele liebt,
hochentrückten Heeres
Sinn und Heissung handelt;
15 nicht ist der verschuldet
Waldes Zwischenlicht:
wer das Fleisch noch duldet,
kennt Begierde nicht.
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Besonderes: Durchschlag
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/b_001
- Seite / Blatt: 10
- Identisch mit: Typoskripte 1952
Trennung trägt, die reichgezierte Barke,
zu den Lampen, leuchtend Wiedersehn.
Aus dem grünen Wasser die Delfine
rufen Lockungen, die schillernd wehn:
05 Blasen gelben Glücks, ins Helle steigend.
Dass ich doch vergässe dein Gesicht,
dass ich doch, zur nahen Stunde neigend,
liesse den Delfinen mein Gewicht!
Aber mich trägt, ob sie leck erschiene,
10 Hoffnung fort, die reichgezierte Barke.
- Details
- Konvolut: Typoskripte Thomas Raeber
- Details:
V. 08 Tintenkorrektur: höbe auf im Delfin → liesse den Delfinen
V. 09 Korrektur: lecker schiene → leck erschiene - Besonderes: Typoskript mit Tintenkorrekturen (wie Typoskript Kutter)
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: E-01-A-02/b_001
- Seite / Blatt: 11
- Identisch mit: Typoskripte Kutter