Dienstag, 30 Mai 1944

Denkmal am Rhein

Ueber Grünem schwärzlich schwingt sich die Sichel des Nachens.
Leise rauscht es am Kiel, und hell erhebt sich das Jauchzen
schiffender Knaben mitten im Strom. Die Wimpel umschmeicheln
farbig ihn. Und schau nur, er lacht, wie öfters im Sommer,
05 wenn der Himmel blinkt über seinem gleissenden Zuge
wie ein Baldachin und wenn ihm singen die Menschen.
Deine Stimme aber, früh vor andern und lauter,
hör' ich nicht mehr, die fröhlich zur Sonne des Festes erhobne;
denn wie die Türme des Münsters, die viel mehr als sich selber
10 lieben das Licht und, hassend die eigene steinerne Schwere,
ihm verschenken den eigenen Raum, gefährlich gelockert:
machtest du auf und hobest dein Herz und spanntest von Säule
Bogen hinüber zur Säule, schmale, die fast nicht mehr trugen,
dass nur Raum sei dem Himmel und überall flutendes Leuchten.
15 So entglittest du uns, dem Strom und den fordernden Giebeln,
Höheres fordernden Türmen: Du hast erfüllt ihren Anspruch,
schwindend auf einmal hinein ins ältere Leben der Dinge,
welche den Sommer noch haben und Herbst und fallende Nächte
vor dem Aufstieg des Tages. Mehr als sie noch bereitet
20 warst du dem Ruf, der uns plötzlich anschlägt aus Tiefen des Himmels.
Nichts umfing deine Hand, die mass nicht zum voraus die Tage,
kümmernd zu kommendem Werk: Wie auf dem Brette der Springer
standst du, dass einer dich rufe. Er rief, du schlossest die Augen,
Sprangst und schwangest federnd hinaus wie Vögel und Fische,
25 die nur lieben Weite des Himmels und Wassers und keiner
sicheren Stätte bedürfen. Gelingen trugst du seit Anfang
mitten in dir. Auf unerhörtem Vertrauen bewegte
wie auf der Spitze der Nadel der schnelle Magnet deiner Seele
eilig sich, immer gedreht, doch nie im Sturme verloren.

  • Besonderes:

    Durchschlag

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Fassung: Erste Fassung, Letzte Fassung
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: E-01-A-02/f
  • Seite / Blatt: 06

Inhalt: Typoskript-Durchschläge zu 114 Gedichten (2 Endfassungen)
Datierung: 1943/44-1954
Textträger: Einzelblätter (A4-Format)
Publikation: Die verwandelten Schiffe (20 Gedichte), Verstreutes (10 Gedichte)
Signatur: E-01-A-02 (Schachtel 110)
Herkunft: Sammlung Thomas Raeber (Bruder)

Kommentar: Beschreibung
Wiedergabe: Edierte Texte

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