Ich traue mir zu, auch in der modernen technischen Welt, in der modernen Stadt die Motive für meine Gedichte zu finden. Aber die Nachteile sind offensichtlich: die Technik, das moderne Leben verändern sich so schnell, dass ein Gegenstand, eh er Zeit hat, ins bleibende Bewusstsein einzudringen, sich meist so wandelt, dass er dem Betrachter, der ihn in der neuern Gestalt gesehen hat, in der ältern kaum mehr erkennbar ist, dass die Eigenschaften, die ihn im einen Jahrzehnt auszeichnen, im folgenden schwer mehr an ihm zu finden sind. Das Gedicht also, das seine Bilder und Motive dieser Welt entnimmt, läuft Gefahr, sehr schnell zu // veralten, schon den Kindern des Dichters unverständlich zu sein, weil es sich leider nicht mit seiner Welt verändern kann. Es bleibt gleich, und ist so zwar im Augenblick seiner Entstehung modern, aber schon morgen altmodisch wie eine alte Zeitung: nur noch dem Literaturwissenschafter von Interesse. – Das andere Gedicht dagegen, das seine Materialien aus der vortechnischen Welt bezieht, ist zwar im Augenblick weniger aktuell, scheinbar, es zeigt seine Gebundenheit an die konkrete Situation (die beim echten Gedicht wohl immer auch da ist) nicht sofort, nicht dem flüchtigen Leser. Dafür aber hat es einen längeren Atem, spricht den offenen Leser mit einer gleichmässigeren Intensität an: es allein vielleicht kann ganz ins Bewusstsein der Menschen eindringen. Denn ein Kunstwerk braucht Generationen, bis es ganz verstanden ist. Das allzu aktuelle // Gedicht ist in Gefahr, diesen Prozeß abbrechen zu lassen, eh er richtig begonnen hat, vergessen zu werden, bevor es vom Geist der Menschheit zur Kenntnis genommen werden kann.
02 In der Malerei ist das anders: Formen und Farben bleiben sichtbar, ihr Bezugssystem leuchtet dem sehenden Auge immer ein, ob ich nun eine Zitrone oder einen Kühlschrank male. Aber Worte, mit denen sich nicht mehr die gemeinte Vorstellung oder gar keine Vorstellug mehr verbindet, sind leeres Stroh.