Freitag, 04 Juni 1982

4.6.1982

Eine Sprache, die man nicht sprechen mag, soll man auch nicht schreiben. Und umgekehrt. Eine Schriftsprache, // die ihre Normfunktion für die gesprochene Sprache nicht oder nicht mehr hat, also keine Hochsprache ist, soll man aufgeben. Die Schweiz versuchte einen früher allgemeinen Übergangszustand zu petrifizieren: Gesprochene Sprache hier, geschriebene Sprache dort. Das ging aber nur so lange, als es eine eindeutige Hierarchie gab. Die Schriftsprache setzte die Norm, der man sich in der gesprochenen Sprache, wenn auch langsam und unvollkommen, immer mehr anglich. Ein Prozess, der nie vollendet sein kann, aber der notwendig ist, wenn nicht ein schizophrener Zustand sich herausbilden // soll. Wie wir ihn in der Schweiz nun nachgerade haben: Die Schweizer glauben, zwei verschiedene Sprachen zu haben und diese fein säuberlich voneinander getrennt benützen zu müssen. Unter diesen Umständen ist es nur natürlich, dass man die gesprochene Sprache der geschriebenen vorzieht. Der einzig vernünftige nächste Schritt wäre, dass man die gesprochene Sprache auch schriebe und die bisherige Schriftsprache, da sie in der Schweiz offenbar tot ist, ganz aufgäbe. 

[…]

  • Besonderes:

    Tagebuch eines Greises IV

  • Textart: Prosanotat
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Schreibzeug: Tinte
  • Signatur: C-2-c/04
  • Seite / Blatt: 156, 157, 158v
  • Werke / Chronos: Bd.6, 499

Inhalt: Tagebuchauszüge zur Poetik und zu einzelnen Gedichten
Datierung: 1948 – 1991
Umfang: Ausgewählte Textstellen aus ca. 20 Tagebuch-Heften
Signatur: C-2-a/01 …, C-2-c/01 … (Schachtel 77-79)

Wiedergabe: Textkonstitution ohne Verzeichnung der Korrekturen

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