Donnerstag, 11 November 1948

11.11.48

Mit Paul Huber und Armin Gespräche über meine Verse. Merkwürdig, beiden gefallen // die Reimstrophen, während sie die freien Rhythmen – auf die ich selber am meisten halte – ablehnen.

02 Armin gab eine eingehende Kritik zu „O, Aufglanz in den allerhöchsten Sphären“ Die Verbindung „schneidenden Gerichts“ in der zweiten Quatrine fand er konventionell. Besonders aber schien ihm meine Zeichensetzung pedantisch: es gebe keine verbindliche Regel dafür. Man müsse sie ganz vom einzelnen Gedicht her bestimmen lassen. Eine unangemessene Zeichensetzung zerstöre den Fluss des Satzes und entstelle ihn. Im übrigen, die Form meiner Verse sei hinter ihrem Inhalt noch zwanzig bis dreissig Jahre zurück. Was noch angehe, bei andern betrage der Abstand hundert bis hundertfünfzig Jahre.

03 Diese Äusserungen sind auf jeden Fall erwägenswert. Wenn mir auch immer mehr scheint, dass Kunst fast ganz von innen her sich entwickelt, dass die Erkenntnis von Ungleichmässigkeit // und Unangemessenheit der Form sich genau dann einstellt, wenn die innere Fähigkeit, anders und reiner, intensiver zu gestalten, so weit herangewachsen ist, dass sie die alten Formen einfach sprengt und abstösst. Um die in jedem Augenblick grösstmögliche Reinheit und Intensität, darum geht es ja. Nur um ihretwillen alle Bemühung!

Inhalt: Tagebuchauszüge zur Poetik und zu einzelnen Gedichten
Datierung: 1948 – 1991
Umfang: Ausgewählte Textstellen aus ca. 20 Tagebuch-Heften
Signatur: C-2-a/01 …, C-2-c/01 … (Schachtel 77-79)

Wiedergabe: Textkonstitution ohne Verzeichnung der Korrekturen

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