Die Risiken, die der Künstler auf sich nehmen muss, wenn er wirklich ein Künstler ist, seine Kunst weder als Broterwerb noch als Hobby, sondern unbedingt und ungeteilt ausübt, sind diese: 1.) Dass er als Nichtstuer und Faulenzer verachtet wird, 2.) dass man ihn einen Parasiten schimpft, 3.) dass er wirklich auch ein „Parasit“ ist, insofern er, um seiner eigenen Arbeit willen, vom Besitz und der Arbeit anderer leben muss, 4.) // dass er über lange Strecken hin, oder sogar während seines ganzen Lebens bis zu seinem Tode, keinen Erfolg hat und darum immer wieder von Selbstzweifeln gequält wird, 5.) dass er aufgrund all dieser Umstände paranoisch wird, Verachtung und Nichtanerkennung auch dort wittert, wo gar kein Anlass dazu ist, dass er sich isoliert von den Menschen und am Ende vereinsamt.
02 Aus all dem ergibt sich, dass Anerkennung und finanzieller Erfolg für den Künstler nicht // weniger wichtig sind als für alle anderen Leute auch, jedenfalls beinahe: Im Unterschied zu diesen aber kann er sich, und das ist einer der Punkte, wo die Echtheit seines Anspruchs sich erweist, nicht einfach nach den Umständen richten und, falls er mit der einen Sache keinen Ruhm und kein Geld erlangt, kurzerhand eine andere anfangen. Der Kaufmann, der Fabrikant verlegt sich, wenn er mit der einen Ware nicht ankommt, auf eine andere; man // erwartet von ihm mit Recht, dass er das tut, denn der Zweck seiner Tätigkeit ist es Geld zu verdienen. Der Künstler indessen tut seine Arbeit um ihrer selbst willen, „L’art pour l’art“, und wenn er auch immer hofft, Geld zu verdienen und Erfolg zu haben damit, am Ende, wird ihn das nie bestimmen, weil er, wenn er tatsächlich ein Künstler ist, ein legitimer Nachfolger der Priester, Propheten und Magier des religiösen Zeitalters, // unter einem Zwang steht, dem er sich nicht entziehen kann, ohne sich selbst zu verraten.
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