Montag, 28 April 1952

28.4.52 Rom

Die Methode der Lyrik (in meinem Sinn) ist die Zusammenfassung des Ganzen im stellvertretenden Einzelnen. So bin ich immer auf der Lauer nach dem Motiv, dem Wort, dem Vers, nach jedem Kleinen und Kleinsten, das mir das Grösste erlebbar und sagbar mache. Ich gehe wie einer im Wald, der eine bestimmte Beere sucht. Und wenn ich auch an manchem Tag nichts finde, ich kenne am andern das Gelände schon wieder besser. Das Gedicht ist eine Sache steten Hinhörens, Lauschens. Ich darf mir nichts entgehen lassen. – Wenn ich es auch nie weiterbringe als zu ειδυλλια [eidyllia]: dass sie das Ganze möglichst rein abbilden, den Schein des Göttlichen in ihrer Linse sammeln, das gibt ihnen Sinn. Es dahin zu bringen, ist meine Arbeit, Arbeit des Steinschleifers: den Stoff zu feilen, bis er seinen vollkommenen Glanz hat.

  • Textart: Prosanotat
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Signatur: C-2-a/07
  • Werke / Chronos: Bd.6, 167, 168

Inhalt: Tagebuchauszüge zur Poetik und zu einzelnen Gedichten
Datierung: 1948 – 1991
Umfang: Ausgewählte Textstellen aus ca. 20 Tagebuch-Heften
Signatur: C-2-a/01 …, C-2-c/01 … (Schachtel 77-79)

Wiedergabe: Textkonstitution ohne Verzeichnung der Korrekturen

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