So wäre doch wohl das Gedicht: nicht wehend, kein fliegender Schleier, sondern ein gerundeter Raum, worin alles klar steht, alles gegeneinander abgegrenzt und zugleich jedes in Beziehung zu jedem: jedes erhielte seine Bedeutung erst durch das andere. Gestalt stünde neben Gestalt. Und alle stimmten wieder so zusammen, dass sie zusammen eine neue, höhere, vollkommene Gestalt wären: eben das Gedicht. – Aber was ich an neuen Gedichten lese, was man mir aufs höchste lobt, das ist alles sehr schön im Einzelnen, und zusammen ist es oft ein magisches Wehen von Gestalten und // Farben. Aber diese Gestalten und Farben sind ohne scharfe Grenze gegeneinander, und zugleich – es scheint dies ein Widerspruch – beziehen sie sich nicht wirklich auf einander, vor allem: sie sind zusammen kein Ganzes. Diese Gedichte sind wunderbare Blumen, die irgendwoher aus dem All herabfielen und nun einsam, fremd daliegen. Und sie sollten doch stehen, selber eine Welt sein: in ihnen sollte sich doch die Welt verdichten, sollte sie erstaunt erfahren: so bin ich also, so vollkommen. Im Gedicht sollte sich die Welt durchsichtig werden auf ihr Urbild hin, sich öffnen darauf hin. Es müsste dastehen, sicher, rein, leuchtend, begrenzt, und zugleich voll des Unendlichen.