Donnerstag, 11 November 1954

„Es dunkelt schon in der Heide» …* (a*)

„Es dunkelt schon in der Heide“,
wenn die Mönche immer noch sitzen im Hof,
und anschaun, unbeweglich,
die glitzernden Kiesel, die mit dem
05 Rechen der Bruder kräuselte morgens.
„Es dunkelt schon in der Heide, nach Hause lasst
uns gehn“
vorbei am geschlossenen Hof, wo die Mönche sitzen
schon seit dem Morgen und anschaun,
unbeweglich, den vom Rechen am Morgen
gekräuselten Kies.
10 „Wir haben das Korn geschnitten mit unserem
blanken Schwert“,
die Mönche aber schaun an den Stein
mitten aufragend im gekräuselten Kies,
unbeweglich seit Morgen, der ihnen die Welt
ist, wie der Meister sie lehrte.

„Zu Frankfurt auf der Brücke, da liegt ein tiefer Schnee“
15 der Schnee, der herabfiel und auch den Platz ge-
kräuselten Kieses, dieses Weltmeers der // 049
Mönche zuzudecken beginnt, ohne dass einer zu regen
sich wagte;
denn nicht dürfte ihrer einen nur einen Augenblick
erregen die Welt.
„Wir beide, wir müssen uns scheiden, und Scheiden 
das tut weh“,
20 da überall es rieselt herab und sich zu regen
beginnt und weiss glitzert die matte Fläche.
Ja, „wir beide, wir müssen uns scheiden, 
und Scheiden, das tut weh“,

zu Frankfurt auf der Brücke, da liegt ein tiefer Schnee;
wir haben das Korn geschnitten mit unsrem blanken
Schwert,
25 es dunkelt schon in der Heide, nach Hause lasst
uns gehn“

bis einer doch im Hof sich regt und umschaut
und wegwendet den Blick vom Stein in der Mitte
des schneeglänzenden Platzes
und von der Kutte schüttelt die Flocken.
30 „Der Schnee, der ist zergangen, das Wasser
fliesst dahin, // 050
kommst Du mir aus den Augen,
kommst mir nicht aus dem Sinn“,
sodass ihn nun trifft die Rute des Meisters,
den Treulosen, der die Brüder verriet,
35 und über den Kiesplatz gehn sie und am
tauig triefenden Stein vorbei
in die Zellen,
mit steifen Gliedern und steifem Genick, 
und der Torhund kommt und pisst
auf der von den mürrischen Herren
endlich geräumten Stelle.


Seite 048 (A-5-c_07_048.jpg)

„Es dunkelt schon in der Heide“,

wenn immer die Mönche immer noch sitzen im Hof,

noch¿ anscha¿ und anschaun, unbeweglich,

die glitzernden Kiesel, die mit dem

05 Rechen der Bruder kräuselte morgens.

„Es dunkelt schon in der Heide, nach Hause lasst

uns gehn“

vorbei am geschlossenen Hof, in dem wo die

Mönche sitzen

schon seit dem Morgen und anschaun,

unbeweglich, dieen vom Rechen am Morgen

gekräuselten Kies.

10 „Wir haben das Korn geschnitten mit unserem

blanken Schwert“,

die Mönche aber schaun an an¿ den Stein

mitten aufragend im gekräuselten Kies,

unbeweglich seit Morgen, der ihnen die Welt

ist, wie der Meister sie lehrte.


„Zu Frankfurt auf der Brücke, da liegt ein

tiefer Schnee“

15 der Schnee, der herabfiel und auch den Platz ge-

kräuselten Kieses, dieses Weltmeers der //

Seite 049 (A-5-c_07_049.jpg)

Mönche zuzudecken beginnt, ohne dass einer zu regen

sich wagte;

denn nicht dürfte ihrer einen nur einen Augenblick

erregen die Welt.

„Wir beide, wir müssen uns scheiden, und Schei-

den das tut weh“,

20 da überall es rieselt herab und sich¿ sich zu regen

beginnt und weiss glitzert die matte Fläche.

Ja, „wir beide, wir müssen uns scheiden, und

Scheiden, das tut weh,

zu Frankfurt auf der Brücke, da liegt ein tie-

fer Schnee;

wir haben das Korn geschnitten mit unsrem blan-

ken Schwert,

25 es dunkelt schon in der Heide, nach Hause lasst

uns gehn“


bis einer doch im Hof sich regt und umschaut

und wegwendet den Blick vom Stein in der Mitte

des schneeglänzenden Platzes

und von der Kutte schüttelt die Flocken.

30 „Der Schnee, der ist zergangen, das Wasser

fliesst dahin, //

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kommst Du mir aus den Augen,

kommst mir nicht aus dem Sinn“,

sodass ihn nun trifft die Rute des

Meisters,

den Treulosen, der die Brüder verriet,

35 und über den Kiesplatz gehn sie und am

tauig triefenden Stein ,vorbei

dxx in die Zellen,

mit steifen Gliedern und steifem Genick,

und der Torhund kommt und pisst

anauf denr endlich geräumten
anauf denr von den mürrischen Herren

endlich geräumten Stelle.

11.11.54

  • Besonderes:

    Grenze zwischen Vers und rhythmischer Prosa z.T. uneindeutig

    Notiz (S. 124):
    Die Novizen sitzen den ganzen Tag im Garten um einen mit dem Rechen gekräuselten Kiesplatz, das Weltmeer, in dessen Mitte ein Stein liegt – die Insel –. Wenn einer zu betrachten aufhört und einnickt, schlägt ihm der Meister mit dem Stock auf den Kopf.

  • Letzter Druck: Verstreutes
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Fassung: Erste Fassung
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/07
  • Seite / Blatt: 048, 049. 050

Inhalt: 57 Entwürfe zu 42 Gedichten, Notate zu szenischen Texten, Motiv-Notizen
Datierung: 14.1.1954 – 3.10.1955
Textträger: Hellbraunes Notizbuch, liniert, Bleistift
Umfang: 130 beschriebene Seiten (S. 94-114 fetter schwarzer Bleistift)
Publikation: Die verwandelten Schiffe (19 Gedichte), GEDICHTE (1 Gedicht), Verstreutes (4 Gedichte)
Signatur: A-5-c/07 (Schachtel 29)

Bilder: Ganzes Buch (pdf)
Spätere Stufen: Manuskripte 1954, 1955, Typoskripte 1954, 1955
Kommentar: S. 120-122 Motive zu Gedichten
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften (keine Umschriften bei Prosanotaten)

Weitere Fassungen

Notizbuch 1954-55 (alph.)
(Total: 59 )
Notizbuch 1954-55 (Folge)
(Total: 59 )
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