
Hamburg
Totenklage
Wenn er die Orange zerschneidet,
achtet er drauf, daß ihm der Saft
nicht den weißen Kragen verspritzt,
den er zwar jeden Tag wechselt.
05 Aber er ist nervöser als sonst
wegen des Wechsels der Lebensumstände:
dass er nun die Stadt plötzlich verlassen
musste
und xx herausziehn in dieses einsame
Kloster, wo es
nur Mönche gibt, die sein Leben bessern wollen,
10 weil sie nichts Andres zu tun haben
(und zum¿ das geistliche Leben ist auf die
Dauer nicht jedermanns Sache):
Aber das ist doch noch besser,
als in dem Stadtpalast zu bleiben
und sich wie weisses Fleisch immer von
neuem
15von der Tunke des Jammers von fünfzig //

dazu bestellten Frauen dur¿ neu übergiessen,
ganz durchdringen zu lassen
Hier wenigstens ist es trocken
und niemand verlangt von ihm Trauer ,
20um dieses ängstliche Mädchen, das er
nur wenig und förmlich gekannt hat
(im Bett braucht man gottseidank nicht
zu sprechen).
Hier kann er zusehn, wie man, nachdem
die Sonne unterging hinter der Kuppe,
der kahlen Kuppe, der Woge
25 eines erstarrten Meeres, die fünf Beete
mit Rosen mitten im Gemüseplatz giesst,
und dann, wiederum¿ damit man nicht
sieht, wie er gähnt,
hineingehn und drauf achten, dass er
beim Schneiden der Orange mit dem Saft
30 nicht den weissen Kragen nicht verspritzt
mit dem Saft.
21.4.55