Donnerstag, 26 April 1945

Duetto

Er:
Zittert nicht stets
Licht noch in dir, die
gehütete Leuchte?
Ob auch Sturm
05 heult in die Nacht und
beben Fenster der
ängstlichen Seele.?

Schlägt nicht der Vogel,
der himmlische, leise
10 sträubend aus Träumen
das warme Gefieder
gerettet in dir?

Sieh, noch ruft dich
durch Wälder ein Pfad, noch
15 wirft der Mond aus
treibenden Wolken
deines Ganges
hastiges Bildnis // 01v
schnell ins grüne
20 Wasser hinab:

Dank aus Süden
heulenden Winden,
da sie dich weckten
zu pochenden Herzens
25 lange ersehnter
Helle der Nächte;
denn hell sind nur Nächte:
wenn Bäche rauschen
im Bruche des Eises
30 und wehe sich wenden,
wehe sich biegen
kahle Sträucher
knapp überm Sturze
bröckelnder Mauer
35 und ächzen die alten,
hölzernen Läden,

dann wacht die klüglich
besänftigte Seele // 02r
auf und reckt die
40 gebundenen Flügel.
Reissend den Zwang
hebt sie die dunkle
Wimper und gleitet
leuchtenden Auges
45 froh in den Sturm.

Sie:
Siehst du, wie leise
dort in der Ferne
sich öffnet die gläserne Wand?
Hörst du Musik,
50 andre Musik aus
einem anderen Saale?

Töne sind es,
Düfte, seliger Blumen
Sehnsucht weckender Ruch.
55 Alles flieht hin in // 02v
den sommernächtlichen Garten. Und 
meine Glieder drängen zum Tanz. Schon
gleiten die Paare hinein in
den Strudel der neuen Bewegung.
60 Lass mich fahren, mein Freund, dass
ich steige und glücklich entgleite,
dem Schmetterling gleich und dem Falter,
der Libelle im singenden Schilf. Wie
als Kind ich spielte Theater,
65 des Schlafs und der Speise, meiner
selbst gar vergessen: feuereifernd
will ich heute es spielen
dies ekstatische Spiel, wo
nicht die Stunde mehr kennt die
70 nächste, einstmals so ähnliche Schwester.
Bring Farben herbei, bring Masken,
bring schimmerfremdes Gewand.

  • Details:

    V. 21 Korrektur: Dank den nordwärts → aus Süden
    V. 72 Korrektur: schimmerfremde Gewänder → schimmerfremdes Gewand

  • Besonderes:

    Handschrift (Reinschrift), ev. von fremder Hand; leicht verblasste Tinte

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Fassung: Erste Fassung, Letzte Fassung
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Tinte
  • Signatur: E-02-A-01/b
  • Seite / Blatt: 01r/v, 02r/v

Inhalt: 19 Typoskripte zu 17 Gedichten (7 Endfassungen); älteste Gedichtzusammenstellung
Datierung: 16.7.1943 – 24.5.1946
Textträger: Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 18 Dossiers, 30 beschriebene Seiten
Publikation: keine
Signatur: E-02-A-01 (Schachtel 146)
Herkunft: Sammlung Hedwig Hochstrasser-Räber

Wiedergabe: Edierte Texte

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