GEDICHTE können prall gefüllt sein mit Welt und davon überfließen. Sie können aber auch eine Geste der Abwendung sein, der Welt gleichsam den Rücken kehren. Sie zeigen dann die Gegenstände als die Schatten an der Wand in der Höhle des Plato: auf die Grundformen reduziert, so sehr vereinfacht, daß man vielleicht die Fülle, Farbe, Körperlichkeit vermißt. Dafür erkennt man Zusammenhänge, Übereinstimmungen, Parallelitäten, die fülligere Gebilde nicht ohne weiteres aufzudecken vermöchten. Solche Gedichte sind eher mit Zeichnungen als mit Gemälden oder gar Plastiken zu vergleichen. Überhaupt wenden sie sich ebenso ans Ohr wie ans Auge, wollen ebenso durch ihren Tonfall faszinieren wie durch die Bilder, die sie vor dem Leser aufstellen.
Ich habe Gedichte dieser und Gedichte jener Art geschrieben. Immer entsprachen sie dem jeweiligen Stand meiner Erfahrung. So sehr sie, im einzelnen, vom Kunstverstand geformt waren, so wenig waren sie die Produkte eines äußerlichen Zufalls, sie entsprangen // alle dem Zwang des Augenblicks, der sie erfand. Darum nur wage ich es, diese neuen Stücke vorzulegen. Mag ich mich früher mehr auf den einen Pol meiner poetischen Möglichkeiten hin bewegt haben, so heute mehr auf den andern. Es mag sich für den Betrachter der Ergebnisse mehr um Nuancen handeln, die Unterschiede mögen nicht immer bemerkbar sein: ich selber spüre den Richtungswechsel deutlich.
Kuno Raeber