Sonntag, 15 Januar 1956

15.1.56

Unterhaltung mit Meckling¿ über die „Heilige Katharina“: Kunst ist insofern gefährlich, als sie den, der in Sicherheit zu sein glaubt, ärgert, irritiert, Wände durchsichtig macht, die man für dicht hielt, Böden einstürzen macht, die man für fest hielt. Vielleicht ist es ein Sakrileg, das Profane so unmittelbar dem Heiligen zu konfrontieren, das Obszöne, nackt Sinnliche dem entrückt Asketischen, Geistlichen, Jenseitigen gleichzusetzen. Vielleicht ist es ein Sakrileg: vielleicht aber gerade umgekehrt ist es eine Heiligung, das notwendige immer wieder und längst wieder fällige Unternehmen, alles, gerade auch das Sinnlichste, Stofflichste, // Naturhafteste, Elementarste als heillig und mit dem überliefert Heiligen im intimsten Zusammenhang stehend zu zeigen. Es kann dies nur im ersten Augenblick und den Oberflächlichen schockieren; der genauer Hinschauende wird eindringen in klarere, hellere, wirklichere Räume, er wird im Gedicht die wahren Relationen der Dinge zu schmecken beginnen.

  • Besonderes:

    Vgl. Die heilige Katharina (Die verwandelten Schiffe 1957)

  • Textart: Prosanotat
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Schreibzeug: Tinte
  • Signatur: C-2-a/09
  • Werke / Chronos: -

Inhalt: Tagebuchauszüge zur Poetik und zu einzelnen Gedichten
Datierung: 1948 – 1991
Umfang: Ausgewählte Textstellen aus ca. 20 Tagebuch-Heften
Signatur: C-2-a/01 …, C-2-c/01 … (Schachtel 77-79)

Wiedergabe: Textkonstitution ohne Verzeichnung der Korrekturen

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