Samstag, 02 Februar 1957

2.2.57

Ich gehöre zu jenen, die nur die höchste Ambition zur Leistung bringt. Nur wenn ich das Äusserste will, erreiche ich etwas. Und ich glaube, dass ich sogar viel erreiche. Die Frage ist nur: wie vereine ich diese Anspannung, diese unablässige Anstrengung mit dem andern, was ebenso nötig ist, für meine Arbeit nicht weniger als für meine ganze Existenz: mit der Leichtigkeit, der Ironie, dem nie Ganz- und nie Allzuernstnehmen? Es gibt da nur das stete Hinsehen auf die Exempla: Thomas Mann, André Gide, Goethe. Zugleich ernst und frivol, wissend und leichtfertig sein. //

02 Gides „Falschmünzer“ faszinieren mich durch die Kunst, die Dinge indirekt zu sagen; für den, der weiss, alles zu sagen und dem, der nicht weiss, ein unterhaltendes Spektakel zu bieten. So entsteht jene Atmosphäre des Schwebenden, Durchsichtigen, Leichten und zugleich Tiefsinnigen, des Scherzens, das Furchtbares verhüllt und zugleich präzisiert und erheitert: die Atmosphäre Mozarts. Sie ist das Höchste, was ein Kunstwerk erreichen kann. –

03 Sicher, der Gebrauch von Kategorien wie Ambition, Erreichen, Anstrengung, Hinsehen, Exempla, das Höchste bestätigt immer wieder meine christliche Herkunft, einen tief sitzenden Moralismus. // Aber im Moment komme ich noch nicht ohne aus.

  • Textart: Prosanotat
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Schreibzeug: Tinte
  • Signatur: C-2-a/10
  • Werke / Chronos: Bd.6, 237, 238

Inhalt: Tagebuchauszüge zur Poetik und zu einzelnen Gedichten
Datierung: 1948 – 1991
Umfang: Ausgewählte Textstellen aus ca. 20 Tagebuch-Heften
Signatur: C-2-a/01 …, C-2-c/01 … (Schachtel 77-79)

Wiedergabe: Textkonstitution ohne Verzeichnung der Korrekturen

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