Mittwoch, 07 Dezember 1949

Heliopolis (Forts.) …*

Heliopolis (Forts.)

gibt nur Hierarchie.

03 Eher zopfig wirkt es, wenn manchmal allzu deutlich Gesellschafts- und Lebensformen des deutschen 19. Jhdts, des Kaiserreichs der Hohenzollern insbesondere durchschimmern: so in dieser Jagdgesellschaft Orion oder in dem Herrendasein der Offiziere mit ihren Burschen und Dienern. Solche Dinge können das Buch nicht entwerten. Sie zeigen nur, wie selbst ein so hoher Geist wie Jünger an die Bedingungen seiner Herkunft gebunden bleibt, selbst wenn er sich in eine symbolische Höhe begibt, wo ihn das Alltägliche // 004 kaum mehr zu berühren scheint. Gerade dieser reine Raum, den er errichtet, birgt ihm¿ anscheinend die Gefahr, dass er zuweilen die Massstäbe für das Angemessene, für den ganz einfachen guten Geschmack verliert: so ist die Szene mit dem Greis auf der Freitreppe zwar sehr sprechend für das, was gezeigt werden soll, sie ist aber geschmacklos, geradezu kitschig, sie kann im realen Zusammenhang des Geschehens nicht begründet werden.

04 Gerade solche Dinge freilich lassen die Einzigartigkeit dieses Kunstwerks deutlich werden: sie zeigen, an welch äusserstem // 005 Punkte es errichtet ist. Die grossen Stücke bisher scheinen mir vor allem: im Symposion bei Halder das Gespräch über den Wein und die Malerei, das Gespräch zwischen Serner und Ortner über den Menschen, die Vorträge über das Glück, der Vortrag Ortners über die Dichtung und den Roman. Dann die Tagebuchaufzeichnung des Lucius aus dem hydrobiologischen Institut, sein Abend mit Melitta auf der Insel.


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Heliopolis (Forts.)

gibt nur Hierarchie.

03 Eher zopfig wirkt es, wenn

manchmal allzu deutlich Gesell-

schafts- und Lebensformen des

deutschen 19. Jhdts, des zwei

Kaiserreichs der Hohenzollern ins-

besondere durchschimmern:

so in dieser Jagdgesellschaft

Orion oder in dem Herren-

dasein der Offiziere mit ihren

Burschen und Dienern. Sol-

che Dinge können das Buch

nicht entwerten. Sie zeigen

nur, wie selbst ein so hoher

Geist wie Jünger an die Be-

dingungen seiner Herkunft

gebunden bleibt, selbst wenn

er sich in eine symbolische

Höhe begibt, wo ihn das Alltäg- //

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liche kaum mehr zu berühren

scheint. Gerade dieser reine Raum,

db er erructet mburgihm¿
den er errichtet, birgt   anschei-

nend die Gefahr, dass man 

er zuweilen die Massstäbe für

das Angemessene, für den ganz

einfachen guten Geschmack

verliert: so ist die Szene mit

dem Greis auf der Freitreppe

zwar sehr sprechend für das, was

gezeigt werden soll, sie ist aber

geschmacklos, eher k gerade-

zu kitschig, sie kann im realen

Zusammenhang des Gesche-

hens nicht begr begründet

werden.

04 Gerade solche Dinge freilich las-

sen die Einzigartigkeit dieses

Kunstwerks deutlich werden: sie

zeigen, an welch welch äusser- //

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stem Punkte es errichtet ist.

Die grossen Stücke bisher

scheinen mir vor allem: im

Symposion bei Halder das Ge-

spräch über den Wein und die

Malerei, das Gespräch bei zwi-

schen Serner und Ortner über

den Menschen, das andere die

Vorträge über das Glück, der Vor-

trag Ortners über den Roman,

die Dichtung und den Roman.

Dann die Tagebuchaufzeichnung

des Luz Lucius aus dem hydro-

biologischen Institut, sein Abend

mit Melitta auf der Insel. 

7.12.49

 

  • Besonderes:

    Prosanotat; direkte Fortsetzung von Notizbuch 1949. Gleicher Text wieder im Tagebuch 7.12.1949

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Prosanotat
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: C-2-b/03
  • Seite / Blatt: 003, 004, 005 (oben)

Inhalt: Notizen, Prosa, 71 Entwürfe zu 54 Gedichten (8 Endfassungen)
Datierung: 7.12.1949 – 10.11.1950
Textträger: Blaues Notizbuch, liniert; Bleistift
Umfang: 144 beschriebene Seiten
Publikation: Gesicht im Mittag (7 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: C-2-b/03 (Schachtel 79)
Bilder: Ganzes Buch (pdf)

Spätere Stufen: Manuskripte 1948-51, Typoskripte 1945-50, 1948-50, Kutter
Kommentar: 9 Texte rhythmische Prosa, 21 reine Prosanotate, 1 Briefentwurf
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften (3 private Prosanotate nicht erschlossen)

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