Kein Datum ! . . . ( 01.01.1952 *)

S. Johann im Lateran, Kreuzgang ...*

Nahe krächzt,
nahe das Schöpfrad,
hebt aus der Tiefe,
hebt aus der innersten Tiefe
05 den schwankenden Eimer,
voll noch, voll überfliessend dort unten:
aber im Steigen am Seil
gibt er den Reichtum zurück,
lässt ihn fallen zum Schatz heim,
10 dem er enthoben.
O dass nur noch ein Tropfen
meiner geborstenen Lippe
bliebe zur Letzung,
da mich der Abendstern nimmer
15 tröstete, nicht des Mondes lächelnde Sichel:
wenn ich dies reine,
aus der Tiefe mühsam geschöpfte
Wasser nimmer,
auch nicht einen Tropfen empfinge.

  • Details:

    V. 12 Tintenkorrektur: schmachtenden → geborstenen

    zu V. 01-04 Annotation: Eröffnung gewaltig, Fortsetzung Klopstock; auch wenn es inhaltlich anders, höre ich doch immer den „Tropfen am Eimer“ durch.
    zu V. 16-20 Annotation: in keinem Vergleich zur Intensität der ersten Zeilen!

  • Besonderes:

    Durchschlag (Lieferung II, Jan. 1952) mit Korrektur und mit Annotationen von Kutter

    Markus Kutter an Raeber, 26.1.1952:

    St. Johann im Lateran: Die Ouvertüre dieses Gedichtes ist eine der besten, die Du je geschrieben hast. „Nahe krächzt, nahe das Schöpfrad“ finde ich sowohl in Bild wie Assoziation wie Vokal- und Konsonantenspiel überaus aufregend und geglückt. Die Fortsetzung ist diesem Anfang nicht gewachsen. Ich höre – wahrscheinlich ganz grundlos – immer Klopstocks Tropfen am Eimer. Kannst Du aus diesem Gedicht nicht noch etwas Grossartiges machen, wenn Du Dich überall so nahe an den poetischen Gegenstand // hälst und klammerst wie in den ersten zwei Zeilen? Du musst von abstrakten Begriffen wie Reichtum, Schatz, Letzung unbedingt weg, sie verderben Dir alles. Lies meinetwegen Rimbaud und trainier Dich ganz zynisch auf übertriebene Bilder, die Dir die Sprache beinahe zerreissen.

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: ohne Datumsangabe
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: E-03-A-01/d
  • Seite / Blatt: 05
  • Identisch mit: Typoskripte 1951

Inhalt: Typoskripte zu 122 Gedichten (7 Endfassungen)
Datierung: 1950 – 1954
Textträger: Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 10 Dossiers: 1/a (I, 17.4.1951), 1/j (Ia, 11.8.1951), 1/d (II, 1952), 1/b (III, 1952), 1/c (IV, 3.8.1952), 1/e V (Dez. 1952), 1/g (VI, 2.7.1953), 1/h (VII, Okt. 1953), 1/f (VIII, Dez. 1953), 1/i (IX, März 1954)
Publikation: Die verwandelten Schiffe (18 Gedichte); Verstreutes (11 Gedichte)
Signatur: E-03-A-01/a-j (Schachtel 147)
Herkunft: Sammung Markus Kutter

Kommentar: Beschreibung. Texte Dossier /a übereinstimmend mit Sammlung Georgi I (Werke 5, S. 28-36)
Wiedergabe: Edierte Texte

Weitere Fassungen

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