Synopse

(6)
Freitag, 03 Februar 1956    (    )

Gleiten

Es schleift sein Spielzeug hin über die Fliesen
und fällt hin zuweilen, weil es
zu schnell gleitet, versucht von der Glätte
des frisch gescheuerten, gebohnerten Bodens.
05 Dies bemerkt es erst am Tag,
wo man es aus der Mietwohnung wegführt
in die weite, silberne Weisse des Saales,
wo ein livrierter Wächter, das Zeichen der Republik auf
der Mütze, 
den Eintritt verbietet,
10 es sei denn, es nehme von der Frau in der
Eingangshalle Filzschuhe, 
unförmige: Damit zu gleiten,
das ist so bedächtig vorsichtig, dass es
eigentlich nicht mehr Spass macht // 059
und nicht mehr Witz hat. Das Spielzeug
15 darf es nicht mehr hinter sich ziehen,
es scheppert, und das schickt sich nicht in der
Halle verblichener Fürsten. 
Und so versucht es, das Kind, es zumindest
hineinzutragen unter der Schürze, 
stellt es dann auf in der Mitte: und siehe,
da klingt es, und nur unsicher missgünstig
20schleicht der Wärter herbei,
eh er ausholt und es zerschlägt, zögert er doch,
ob es nicht doch vielleicht in den Listen vergessen
sein könnte, 
und er es vergessen, übersehen hätte.
Dies hindert ihn schnell, nur schnell, aber doch einen
Augenblick, 
25 an seiner Pflicht,
eh er sich aufrafft und zuschlägt. // 060
Und schlimmer, sieht er entsetzt, ist alles:
Denn es sind Scherben auf den Fliesen des
silbernen Saales 
und Tränen und Schluchzer des Kindes
zerkratzen die Weisse. 
30 Ach, wenn es nur glitte, glitte selbst ohne Filz
an den Füssen.

In: Notizbuch 1955-57
Montag, 27 Februar 1956    (    )

Gleiten (A)

Es schleift sein Spielzeug über die Fliesen
und gleitet und fällt dann hin, hin und wieder, 
weil es zu schnell geglitten, 
versucht von der Glätte des wohl gebohnerten Bodens

05 Dies bemerkt es als reizvoll am Tag erst, 
wo man es aus der Mietwohnung wegführt 
in die weite Weisse des Saales, 
dessen Betreten ein livrierter Wächter, das Zeichen der Republik 
auf der Mütze, 
verbietet, 
10 es sei denn man ziehe in der Eingangshalle Filzschuhe an, 
unförmige: Damit zu gleiten, 
vorsichtig, bedächtig, das hat eigentlich gar keinen Witz mehr. 
Das Spielzeug darf es nicht mehr hinter sich herziehn, 
es scheppert, und das schickt sich nicht im Saal verblichener 
Fürsten. 
15 Und so unternimmt es das Kind, es zumindest hineinzutragen 
unter der Schürze, 
und stellt es dann auf in der Mitte: und siehe, es klingt. 
Sodass der Wächter unsicher, missgünstig herbeischleicht. 
Doch ehe er ausholt und zuschlägt, zögert er: 
ob er es nicht doch vielleicht vergessen, in der Inventarliste 
übersehen hat. // 02
20 Einen Augenblick hält ihn dies auf, 
bis er sich aufrafft und zuschlägt desto bestimmter. 
Und schlimmer ist alles:

Scherben sind jetzt auf den Fliesen des silbernen Saales 
und Tränen trüben und Schluchzer des Kindes zerkratzen die 
Weisse. 
25 Wenn es nur glitte, glitte und zöge hinter sich her das scheppernde 
Spielzeug, 
selbst ohne Filz an den Füssen<.>

In: Manuskripte 1956
Sonntag, 13 Mai 1956    (    )

Gleiten (B)

Oft schleift das Kind sein Spielzeug über die Fliesen 
und gleitet und fällt dann hin, hin und wieder, 
weil es, versucht von der Glätte des gebohnerten Bodens, 
zu schnell geglitten. 

05 Dies bemerkt es so richtig als reizvoll am Tag erst, 
wo man es wegführt in die weite Weisse des Saales, 
dessen Betreten ein livrierter Wächter verbietet; 
es sei denn, man ziehe in der Eingangshalle Filzschuhe über, 
unförmige: Damit zu gleiten, 
10 vorsichtig, bedächtig, hat eigentlich gar keinen Witz mehr. 
Das Spielzeug darf man hier nicht hinter sich herziehn, 
es scheppert, und das schickt sich nicht im Saal verblichener
Fürsten. 

Und so unternimmt es das Kind, 
es hineinzutragen unter der Schürze 
15 und stellt es dann auf in der Mitte: 
und siehe, es klingt. 
Sodass der Wächter, missgünstig, herbeischleicht. 
Doch ehe er ausholt und zuschlägt, zögert er: 
ob er es nicht doch vielleicht vergessen, übersehen hat in der
Liste? // 04
20 Einen Augenblick hält ihn dies auf, 
bis er sich pflichtbewusst aufrafft und zuschlägt desto bestimmter. 
Und alles ist schlimmer: 

Scherben sind jetzt auf den Fliesen (des Saales) 
und Tränen trüben und des Kindes Schluchzer zerkratzen die
Weisse:
25 Wenn es nur glitte, glitte und zöge hinter sich her das scheppernde 
Spielzeug, 
selbst ohne Filz an den Füssen.

In: Manuskripte 1956
Freitag, 20 Juli 1956    (    )

Gleiten (C)

Oft schleift das Kind sein Spielzeug über die Fliesen 
und gleitet und fällt dann hin, hin und wieder, 
weil es, versucht von der Glätte des gebohnerten Bodens, 
zu schnell geglitten. 

05 Dies erkennt es so richtig als reizvoll am Tag erst, 
wo man es wegführt in die weisse Weite des Saales, 
dessen Betreten ein livrierter Wächter verbietet; 
es sei denn, man ziehe in der Eingangshalle Filzschuhe über, 
unförmige: Damit zu gleiten, 
10 vorsichtig, bedächtig, hat eigentlich gar keinen Witz mehr. 
Das Spielzeug darf man hier nicht hinter sich herziehn, 
es scheppert, und das schickt sich nicht im Saal verblichener 
Fürsten. 

Und so unternimmt es das Kind, 
es hineinzutragen unter der Schürze 
15 und stellt es dann auf in der Mitte: 
und siehe, es klingt; 
sodass der Wächter, missgünstig, herbeischleicht. 
Doch bevor er ausholt und zuschlägt, zögert er: 
ob er es nicht vielleicht doch übersehen hat auf der Liste? 
20 Bis er sich pflichtbewusst aufrafft und zuschlägt desto
bestimmter. // 06

Und alles ist schlimmer: 
Scherben sind jetzt auf den Fliesen, 
und Tränen trüben und Schluchzer des Kindes zerreissen die
Weisse:
Wenn es nur glitte, glitte und zöge hinter sich her das scheppernde 
Spielzeug, 
25 selbst ohne Filz an den Füssen.

In: Manuskripte 1956
Datiert: 1956    (    )

Gleiten (D)

Oft schleift das Kind sein Spielzeug über die Fliesen
und gleitet und fällt dann hin, hin und wieder, 
weil es, versucht von der Glätte des gebohnerten Bodens, 
zu schnell geglitten. 

05 Dies erkennt es so richtig als reizvoll am Tag erst, 
wo man es wegführt in die weisse Weite des Saales, 
dessen Betreten ein livrierter Wächter verbietet, 
es sei denn, man ziehe am Eingang Filzschuhe über, 
unförmige: Damit zu gleiten, 
10 vorsichtig, bedächtig, hat eigentlich gar keinen Witz mehr. 
Das Spielzeug darf man hier nicht hinter sich herziehn, 
es scheppert, und das schickt sich nicht im Saal verblichener Fürsten. 

Und so unternimmt es das Kind, 
es hineinzutragen unter der Schürze, 
15 und stellt es dann auf in der Mitte: 
und siehe, es klingt; 
sodass der Wächter missgünstig herbeischleicht; 
doch, bevor er ausholt und zuschlägt, noch zögert: 
ob er es nicht vielleicht doch übersehen hat auf der Liste? 
20 Bis er sich pflichtbewusst aufrafft und zuschlägt desto bestimmter. 

Und alles ist schlimmer: 
Scherben sind jetzt auf den Fliesen, 
und Tränen trüben und Schluchzer des Kindes zerreissen die Weisse: 
Wenn es nur glitte, glitte und zöge hinter sich her das scheppernde
Spielzeug, 
25 selbst ohne Filz an den Füssen.

In: Manuskripte 1956
Datiert: 1956    (    )

Gleiten

Oft schleift das Kind sein Spielzeug über die Fliesen
und gleitet und fällt dann hin, hin und wieder,
weil es, versucht von der Glätte des gebohnerten Bodens,
zu schnell geglitten.

05 Dies erkennt es so richtig als reizvoll am Tag erst,
wo man es wegführt in die weisse Weite des Saales,
dessen Betreten ein livrierter Wächter verbietet,
es sei denn, man ziehe am Eingang Filzschuhe über,
unförmige: Damit zu gleiten,
10 vorsichtig, bedächtig, hat eigentlich gar keinen Witz mehr.
Das Spielzeug darf man hier nicht hinter sich herziehn,
es scheppert, und das schickt sich nicht im Saal verblichener Fürsten.

Und so unternimmt es das Kind,
es hineinzutragen unter der Schürze,
15 und stellt es dann auf in der Mitte:
und siehe, es klingt.
Sodass der Wächter missgünstig herbeischleicht;
doch, bevor er ausholt und zuschlägt, noch zögert:
ob er es nicht vielleicht doch übersehen hat auf der Liste?
20 Bis er sich pflichtbewusst aufrafft und zuschlägt desto bestimmter.

Das alles ist schlimmer:
Scherben sind jetzt auf den Fliesen,
und Tränen trüben und Schluchzer des Kindes zerreissen die Weisse:
Wenn es nur glitte, glitte und zöge hinter sich her das scheppernde Spielzeug,
25 selbst ohne Filz an den Füssen.

In: Typoskripte 1956
Typoskripte 1956 (alph.)
(Total: 14 )
Typoskripte 1956 (Folge)
(Total: 14 )