Typoskripte 1948-50

Inhalt: 111 Typoskripte zu 95 Gedichten (47 Endfassungen)
Datierung: Okt.(?) 1848 – Nov. 1950
Textträger: Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 99 Dossiers mit Typoskripten und meist 2 Durchschlägen
Publikation: Gesicht im Mittag (13 Gedichte), Verstreutes (7 Gedichte)
Signatur: A-5-b/03 (Schachtel 32; nach Titeln und chronologisch zusammengeführt)
Herkunft: Grüne Mappen GA 1, GA 2, GA 5, GA 6/1950

Kommentar: Weitgehend deckungsgleich mit Typoskripte 1945-50; Beschreibung
Wiedergabe: Edierte Texte

1951 * (nicht datiert)       )

Von den Gipfeln ist die fremde Taube …*

Von den Gipfeln ist die fremde Taube
niedergeflogen ins Tal,
wo sie nicht achtet der Wandrer.
Nur dem Flüchtling, dem der Mittagsdämon
05 treibt das Salz aus den Augen,
schwebt sie, wenn er entkleidet die Mitte des
Wassers erreicht, in
stillen Kreisen gnadenglänzend aufs Haupt.

1951 * (nicht datiert)       )

Nimmer fand ich die Rose …*

Nimmer fand ich die Rose, solang sich
hob am Eingang zum Holz als Schlange der Erdgeist,
sprang, ein Löwe, dem Bedränger ins Antlitz,
Aufgerafftem fiel als Adler ins Auge.
05 Erst als Mut unüberwindlich
brach hervor aus der Tiefe jenseits des Herzens,
drang ich ein und sah die Rose
glühen vor den ZeItgenossen des Königs,
der im Thronzelt ehrt ob Kronen die Rose,
10Tod dem Pflückenden, aber dem Schauenden Leben:
Ganz bin ich eins mit dem König in der gefundenen Rose.

1950 * (nicht datiert)       )

Erfüllt im Nachtmahl nicht mehr sich der Traum …*

Erfüllt im Nachtmahl nicht mehr sich der Traum,
so weist dies gegen Morgen:
in jenem lichten Sternensonnenraum
ruht Herrliches verborgen.
05 Die Becher klingen wider Becher an.
O, werft sie weg. Des Trostweins ist genug.
Empfangt den wahren Wein aus diesem neuen Krug.

Samstag, 01 Juli 1950       )

Leer ist heute die See, darauf die Wartenden …*

Leer ist heute die See, darauf die Wartenden
schauen, nicht ahnend die dunkeln Segel des Schiffes,
dass es die Toten bringt, gelenkt vom letzten
Fergen, der auf immer das Schreckliche zeigt in den Augen:
05 in die untern Paläste brach neue Gewalt!
Wird sie schonen unsrer getrübten Würde,
da sie die reine zerschlug ursprünglicher Götter?

1950 * (nicht datiert)       )

Obgleich die Tore dröhnen in die Pfosten …*

Obgleich die Tore dröhnen in die Pfosten
und durch die Halle fliegen dunklen Schalles
die grossen Vögel – siehe wie ermatten
im Schatten die blinkenden Geräte – so heben
05 die Greise kaum vom Mahl das Haupt, zu herrlich
ist ihnen Duft und Schmack des Gottes, der
Gefangenen auch in Brot und Wein geheim
zu eigen bleibt und mehr als Mittagsonne.

Schwillt und mündet ins Meer der Strom und empfing
nicht zuvor den klaren Bach aus
goldener Pforte der Geheimnisstadt
mit dem köstlichen Geröll: Diamanten,
05 immer gleich in lichtspendender Reinheit,
nie von der Strömung verzehrten: was frommt ihm,
dass von der Tafel des Königs
strömen nieder unendlich Rinnsale lauteren Weins?

1950 * (nicht datiert)       )

Im falschen Spiel von Strom und Nebel lechzt …*

Im falschen Spiel von Strom und Nebel lechzt
gestaltlos alles und aus Wechselwehen
nach jenem Umriss, den die Stunde weigert:
das Haus gespenstisch abgezogener Schein
05 des einstmals wahren Bilds, und wie zum Sturz
ins Leere Lockung Steg, Scheinsteg hinüber
den Scheinfluss: 0 dass gänzlich schwänden doch
die trügrisch wehenden Nebel und das Haus,
die Brücke und der Strom da wären wirklich,
10 aus Irrung leitend portwärts Aug und Fuss.

1951 * (nicht datiert)       )

Wäre dieser Strom doch schon erhoben …*

Wäre dieser Strom doch schon erhoben
diese Tiefe schon bereut
wär der Feind vorm Engelheer zerstoben
und das Leben aus dem Sieg erneut,

05 würde an den letzten Abendhängen
jede Pflanze rein benannt
und in unversehrten Fängen
trüg der Vogel endlich fort uns aus dem Brand.

1950 * (nicht datiert)       )

Vor den Häusern der Armen …*

Vor den Häusern der Armen
spielen die Kinder im Kehricht
ob auch die Strassen
alle sich neigen nach innen
05 der Mitte der Stadt.

Wer steigt die Treppen
hinauf dieses schmutzigen Hauses
voll Kammern der Bettler:
ihm auf dem Dach
10 leuchtet aus Flattern der Wäsche
die weisse Kuppel hervor
Burg über Brandung der Firste
und von der Laterne
der Mutter goldenes Schutzbild.

1951 * (nicht datiert)       )

Auf der Insel gehn die gestrandeten Schiffer …*

Auf der Insel gehn die gestrandeten Schiffer.
Sie aber schweigt und ist schön inmitten des Meeres,
ob auch jene rufen klüftiger Berge
Wirrsal und wüste Wildnis der Herkunft und gehen doch
05 heute im Garten der Götter: ihnen ist Duft
von den Bäumen, Gesang der Zikaden und das
hohe Rauschen der Flut nur Elend, solange
ruhlos bleibt ihre Seele und das Gewaltige
will, nicht wissend das Glück der reinen Beschauung:
10 Ruhe im Einklang des Meers mit dem Himmel und den
Quellen des waldigen Bergs, wo das Ganze tönt.

1951 * (nicht datiert)       )

Wenn du nicht vermagst das Unlenkbare zu lenken …*

Wenn du nicht vermagst das Unlenkbare zu lenken,
sei zur Tröstung dir immer das Gewitter des Himmels,
sei dir das Toben der Lüfte, Donner und tötende Flamme,
die die verschlossnen öffnet, weckt die versiegten Quellen
05 aus den Sockeln uralt verschollener Bilder: So bringt
Schrecken Heiliges wieder hervor, die Gräber erbrechend.

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