Losgerissen
stieg der Adler
und hob sich zum Himmel,
kreiste und flog mit
05 unhörbar bebenden Flügeln
und suchte das Höhere immer.
War nicht über dem Tage
noch eine Nacht?
Dunkelnd unendlich und süss?
10 Bleibt es nicht schöner
dies Licht, wenn
manchmal äusserste Federn
streifen Gewässer der Nacht,
geheimnisbergende Spiegel?
15 Doch schon wehe
traf das Geschoss und
hing in der wilder
schlagenden Schwinge. // 02
Wissen, blitzend sprang's auf in
20 der Seele des Vogels:
Flug ist Leben allein,
rein zu schweben
über den Grenzen
der ängstlich gechiedenen Reiche.
25 Lust, unsägliche,
kreisenden Aufstiegs:
nie noch riss sie ihn also
ferndürstend empor zu
jenen Gipfeln des Abends,
30 blauen, zerklüfteten Gipfeln
über dem Ruche des Sees.
Der lag blasser schon da, und
makellos war der Himmel
mit wenigen Sternen.
35 O, Flimmersichel des Monds,
Stille im Schilf,
Gesänge am Ufer!
Dunkel rollt' es
über dem Fittich und tropfte // 03
40 langsam hernieder,
heisse Erinnrung,
sengendes Blut,
o, brennende Sehnsucht:
überall da wie
45 ein Ruf in den Alpen,
den weithin ein jeder
hört durch lautere Lüfte,
überall war heiliger Geist,
allen Wipfeln
50 rauschend gemein
Biegung und Woge,
neuer Klang der Pokale
und wieder ein Lied
am Fest der Jugend im Garten.
55 Droben summten
unzählig die Pfeile
in silbernen Schwärmen,
klangen zitternd und staken
im Gefieder des Adlers.
60 Hob er die Flügel auch
wund in der klirrenden Rüstung,
dass er vollende
den grade begonnenen,
höheren Zirkel: // 04
65 hochzuschweben
des Flugturms reine Spirale
bis zur seligen Spitze,
zur nächtlichen Nabe des
leise drehenden HImmels,
70 blieb ihm verboten.
Letzter Schlag der hellen
Schwinge war dies,
letztes Flammen
ins offene All der Entrückung.
75 Wie eine Schnuppe
stürzte er dann,
letzte Leuchte, vom Himmel
hinab in den See ohne Hoffnung.
Und wie eine Blüte,
80 überreif lag er
auf glanzlosem Wasser,
die Fittiche grausam
gänzlich entfaltet.