Synopse

(8)
Mittwoch, 11 Januar 1956    (    )

Der Fakir. Attraktionen. Artisten

Auf die von Lampen von innen erhellte
Säule aus leeren Likörflaschen
mitten im Dreieck des Bartisches stieg ich
mit meinem Unrastbogen und meinem Köcher
voll verbotner Gedanken
und schmolz das Dach weg mit meinem Atem
05 und schoss meinen ersten Pfeil zuhöchst in den
Himmel hinauf
und dann den zweiten ihm nach,
sodass er sich in des ersten bebende bunte 
Feder einbiss;
und dann den dritten und vierten:
alle Pfeile reihte ich sicher zur Kette,
10 die herabhing vom Himmel und dann stand
schliesslich, als ich den letzten verschossen hatte,
leicht schwankend auf der leuchtenden Säule
aus ausgetrunkenen Flaschen.

Da kletterte ich, von den letzten schläfrigen Gästen,
die sich nicht allzusehr wunderten,
15 behende hinauf, geleitet und gereizt // 027
von den vielen bunten Gelenken.

Und als mir das lang befürchtete Brüllen
des Stiers immer lauter ins Ohr dröhnte,
da erschrak ich beim Gedanken, dass ich wohl hoch,
zu hoch geschossen.
Aber schon schob er die Sternbälle beiseite
und schnob mir und hob mir die
Hörner ins Gesicht:
wie lange warteten wohl die letzten Leute am Bartisch
auf meine Rückkehr?
20 Am andern Tag musste sich der Wirt, denk ich, eine
andere Attraktion suchen,
am besten ohne den Bogen und ohne Köcher:

einen Pianisten, der sein Tonseil geschickt in den
Himmel hinabwirft
und das Dach damit zerschlägt, sodass der Mörtel
und die Steine
die Säule aus leeren Likörflaschen zertrümmern
25 und sich dann hinablässt und mit den baumelnden Beinen
die Sternbälle beiseite schiebt;
dann erschrickt ihn, auch ihn, das Brüllen des Stiers // 028
und die aufgehobenen Hörner.
Die Gäste warten schon weniger lange, diesmal,
und verlangen den Zuschlag heraus.
30 Was für eine Attraktion soll der Wirt jetzt suchen?
Einen Jongleur mit Kugeln vielleicht?
Aber schon bald träfe auch der, wunderbar virtuos,
durch die beim Anstoss dumpf tönenden Bälle
auf den Hörner hebenden Stier.
35 Versuche, Wirt, es lieber ohne Attraktionen zu machen.
Heute verstehen die Artisten alle ihr Handwerk zu gut.

In: Notizbuch 1955-57
Freitag, 27 Januar 1956    (    )

Die Artisten (A)

Auf die von innen erhellte Säule
aus Likörflaschen mitten im Dreieck
des Bartischs stieg der Artist mit seinem Unrastbogen 
und mit seinem Köcher voll frischgespitzter Gedanken 
05 und schoss seinen ersten Pfeil zuhöchst in den Himmel hinauf 
und dann den zweiten ihm nach, 
sodass er sich einbiss in jenes bebende bunte Feder, 
und dann den dritten und vierten: 
alle Pfeile reihte er sicher zur Kette, 
10 die vom Himmel schliesslich herabhing 
und dann stand, als er den letzten verschossen hatte, 
leicht schwankend auf der leuchtenden Säule 
aus leergetrunkenen Flaschen. 

Da kletterte er vor den Gästen, 
15 – die, schläfrig und kaum mehr sich zu wundern imstande, 
hingen in ihre Gläser, – 
hinauf, geleitet, gereizt von den vielen bunten Gelenken<.> // 02
Bis dort, wo er erschrak vor dem Brüllen des Stiers 
und mehr noch vor dem dumpfen Anprall der Hörner 
20 an die Sternbälle: Jetzt wusste er, dass er 
zu hoch geschossen. Doch schon 
hob ihm der Stier ins Gesicht die Hörner. 
Wie lang wohl warteten die letzten Leute am Bartisch,
wie lang wartete der Wirt auf seine Rückkehr? 
25 Am andern Tag musste er sich einen anderen Artisten suchen,
am besten einen ohne Bogen und Köcher.

Einen Trompeter, der sein Tonseil geschickt in den Himmel 
hinabwirft 
und damit durchschlägt das Dach,
sodass der Mörtel und die Steine die Säule
30 aus leergetrunknen Likörflaschen zertrümmern, 
und der sich dann hinablässt und mit den baumelnden Beinen
die Sternbälle wegschiebt.
Aber er ist noch schneller beim Stier und fällt
in die aufgehobenen Hörner;
35 und die Gäste warten diesmal weniger lange 
und verlangen den Zuschlag heraus. // 03

Was für eine Attraktion soll jetzt der Wirt suchen? 
Einen Jongleur mit Kugeln vielleicht? 
Schon bald schwänge auch der über die immer grösser
geworfenen Ringe 
40 seiner Kugeln sich zu weit hinaus und vermöchte 
sie nicht mehr von den Sternbällen zu unterscheiden 
und geriete noch schneller, noch sichrer 
in die eifersüchtig erhobenen Hörner des Stiers. 

Versuche, Wirt, es ohne Attraktionen zu machen: 
45 heute sind die Artisten zu geschickt, sind wunderbar virtuos

In: Manuskripte 1956
Freitag, 13 April 1956    (    )

Die Artisten (B)

Auf die von innen erleuchtete Säule aus Likörflaschen 
mitten im Dreieck des Bartischs
stieg der Artist mit Bogen und Köcher 
und schoss den ersten der frisch gespitzten Pfeile
zuhöchst in den Himmel hinauf.

05 Und dann den zweiten ihm nach, 
sodass er sich einbiss in jenes bebende bunte Feder. 
Und dann den dritten und vierten: 
Alle Pfeile fügte er sicher zur Kette, 
die vom Himmel schliesslich herabhing 
10 und dann, als er den letzten verschossen hatte, 
leicht schwankend dastand auf der leuchtenden Säule 
aus leergetrunkenen Flaschen. 

Nun kletterte er vor den Gästen, 
– die, schläfrig und kaum noch sich zu wundern imstande, 
15 hingen in ihre Gläser – 
die Pfeilkette empor, gereizt von den vielen bunten Gelenken. // 05
Bis dorthin, wo er erschrak vor dem Brüllen des Stiers 
und mehr noch vor dem dumpfen Aufprall der Hörner 
auf die Sternbälle: Jetzt wusste er, 
20 dass er zu hoch geschossen. Doch schon 
hob ihm der Stier ins Gesicht die Hörner. 

Wie lang wohl warteten die letzten Gäste am Bartisch, 
wie lang wartete der Wirt auf seine Rückkehr? 
Am anderen Tag musste er sich einen andern Artisten suchen, 
25 einen ohne Bogen und Köcher. 

Einen Trompeter fand er, 
der sein Tonseil geschickt in den Himmel hinabwarf 
und damit durchschlug das Dach, 
sodass der Stuck und die Ziegel die leuchtende Säule 
30 aus leergetrunknen Likörflaschen zerschlugen, 
und sich dann hinabliess und mit den baumelnden Beinen 
die Sternbälle wegschob. 
Aber der war noch schneller beim Stier und fiel 
grad in die aufgehobenen Hörner. 
35 Und die Gäste warteten diesmal weniger lange am Bartisch 
und verlangten den Zuschlag heraus. // 06

Was für eine Attraktion soll der Wirt jetzt noch suchen? 
Einen Jongleur mit Kugeln vielleicht? 
Schon bald schwänge auch der über die immer grösser
geworfenen Ringe 
40 seiner Kugeln sich zu weit hinaus und vermöchte 
sie nicht mehr von den Sternbällen zu unterscheiden 
und geriete noch schneller und sichrer 
in des Stiers eifersüchtig erhobene Hörner. 

Versuche, Wirt, es ohne Attraktionen zu machen: 
45 denn zu virtuos sind die Artisten heutzutage geworden.

In: Manuskripte 1956
Dienstag, 12 Juni 1956    (    )

Die Artisten (C)

Mitten im magischen Dreieck, 
das der Bartisch beschwört,
stieg der Artist mit Bogen und Köcher 
auf die von innen erleuchtete 
05 Likörflaschensäule und schoss 
den ersten Pfeil zuhöchst in den Himmel. // 08

Und gleich biss sich der zweite 
ein in des ersten noch bebende Feder. 
Alle Pfeile schoss er zur Kette, 
10 die vom Himmel herabhing 
und schliesslich leicht schwankend 
dastand mit dem letzten auf der 
leuchtenden Säule 
aus leergetrunkenen Flaschen. 

15 Nun kletterte er, 
gereizt von den vielen bunten Gelenken, 
die Pfeilkette empor,
bis er vor dem Brüllen des Stiers 
und mehr noch vor dem dumpfen 
20 Aufprall der Hörner auf die Sternbälle zurückschrak: 
Doch schon ins Auge 
hob ihm die Hörner der Stier. 

Wie lange noch hingen die Gäste 
am Bartisch wartend ins Glas, 
25 wartete der Wirt, // 09
bis er, am anderen Tag, einen andern Artisten
ohne Bogen und Köcher sich suchte? 

Einen Trompeter fand er, 
der sich an seinem Tonseil geschickt in den Himmel hinabliess 
30 und dann mit den baumelnden Beinen 
die Sternbälle wegschob. 
Doch er war noch schneller 
beim Stier und fiel grad in die aufgehobenen Hörner. 
Und die Gäste warteten nicht mehr am Bartisch 
35 und verlangten den Zuschlag heraus. 

Wen soll der Wirt jetzt noch suchen? 
Einen Jongleur mit Kugeln?: 
Der schwänge bald an seinen immer 
grösser geworfenen Ringen sich zu weit hinaus 
40 und könnte die Kugeln
von den Sternen nicht mehr unterscheiden, 
geriete erst recht und noch schneller 
in die erhobenen Hörner. // 10

Versuche, Wirt, 
45 es ohne Artisten zu machen; 
denn zu virtuos sind sie heutzutage geworden.

In: Manuskripte 1956
Dienstag, 30 Oktober 1956    (    )

Artisten (D)

I

Im vom Bartisch beschworenen Dreieck stieg der Artist mit Bogen und Köcher auf die von innen leuchtende Likörflaschensäule und schoss den ersten Pfeil zuhöchst in den Himmel. 

02 Und gleich biss sich der zweite ein in des ersten noch bebende Feder. Alle Pfeile schoss er zur Kette, die vom Himmel herabhing und schliesslich leicht schwankend dastand mit dem letzten auf der leuchtenden Säule aus leergetrunkenen Flaschen. 

03 Nun kletterte er, gereizt von den vielen bunten Gelenken, die Pfeilkette empor, bis er vor dem Brüllen des Stiers und mehr noch vor dem dumpfen Aufprall der Hörner auf die Sternbälle zurückschrak: Doch schon ins Auge hob ihm die Hörner der Stier. 

04 Und die Gäste hingen wartend ins Glas, bis der Wirt, am anderen Tag, einen andern Artisten ohne Bogen und Köcher gefunden. 

II

01 Einen Trompeter fand er, der sich an seinem Tonseil geschickt in den Himmel hinabliess und dann mit den baumelnden Beinen die Sternbälle wegschob.

02 Doch er war noch schneller beim Stier und fiel grad in die aufgehobenen Hörner. Und die Gäste warteten nicht mehr am Bartisch und verlangten den Zuschlag heraus. // 12

03 Wen soll der Wirt jetzt noch suchen? Einen Jongleur mit Kugeln?: Der schwänge bald an seinen immer grösser geworfenen Ringen sich zu weit hinaus und könnte die Kugeln von den Sternen nicht mehr unterscheiden, geriete erst recht und noch schneller in die erhobenen Hörner. 

04 Versuche, Wirt, es ohne Artisten zu machen; denn zu virtuos sind sie heutzutage geworden und kommen dir alle schon am ersten Abend abhanden.

In: Manuskripte 1956
Datiert: 1956    (    )

Artisten (E)

I

Im vom Bartisch beschworenen Dreieck steigt der Artist mit Bogen und Köcher auf die lichte Likörflaschensäule und schiesst den ersten Pfeil zuhöchst in den Himmel.

02 Und gleich beisst sich der zweite ein in des ersten noch bebende Feder. Alle Pfeile schiesst er zur Kette, die vom Himmel herabhängt und schliesslich leicht schwankend dasteht mit dem letzten auf der lichten Säule aus leergetrunkenen Flaschen.

03 Nun klettert er, gereizt von den vielen bunten Gelenken, die Pfeilkette empor, bis er vor dem Brüllen des Stiers und mehr noch vor dem dumpfen Aufprall der Hörner auf die Sternbälle zurückschrickt: Doch schon ins Auge hebt ihm die Hörner der Stier.

04 Und die Gäste hangen wartend ins Glas, bis der Wirt, am anderen Tag, einen andern Artisten ohne Bogen und Köcher gefunden. 

II

01 Einen Trompeter fand er, der sich an seinem Tonseil geschickt in den Himmel hinabliess und dann mit den baumelnden Beinen die Sternbälle wegschob.

02 Doch er war noch schneller beim Stier und fiel grad in die aufgehobenen Hörner. Und die Gäste warteten nicht mehr am Bartisch und verlangten den Zuschlag heraus

03 Wen soll der Wirt jetzt noch suchen? Einen Jongleur mit Kugeln?: Der schwänge bald an seinen immer grösser geworfenen Ringen sich zu weit hinaus und nähme die Sterne für Kugeln, geriete erst recht und noch schneller in die erhobenen Hörner. // 13v

04 Versuche, Wirt, es ohne Artisten zu machen; denn zu virtuos sind sie heutzutage geworden und kommen dir alle schon am ersten Abend abhanden.

In: Manuskripte 1956
Datiert: 1956    (    )

Artisten

I

Im vom Bartisch beschworenen Dreieck steigt der Artist mit Bogen und Köcher auf die lichte Likörflaschensäule und schiesst den ersten Pfeil zuhöchst in den Himmel.

02 Und gleich beisst sich der zweite ein in des ersten noch bebende Feder. Alle Pfeile schiesst er zur Kette, die vom Himmel herabhängt und schliesslich leicht schwankend dasteht mit dem letzten auf der lichten Säule aus leergetrunkenen Flaschen.

03 Nun klettert er, gereizt von den vielen bunten Gelenken, die Pfeilkette empor, bis er vor dem Brüllen des Stiers und mehr noch vor dem dumpfen Aufprall der Hörner auf die Sternbälle zurückschrickt: Doch schon ins Auge hebt ihm die Hörner der Stier.

04 Und die Gäste hangen wartend ins Glas, bis der Wirt, am anderen Tag, einen andern Artisten ohne Bogen und Köcher gefunden.

II

Einen Trompeter fand er, der sich an seinem Tonseil geschickt in den Himmel hinabliess und dann mit den baumelnden Beinen die Sternbälle wegschob.

02 Doch er war noch schneller beim Stier und fiel grad in die aufgehobenen Hörner. Und die Gäste warteten nicht mehr am Bartisch und verlangten den Zuschlag heraus.

03 Wen soll der Wirt jetzt noch suchen? Einen Jongleur mit Kugeln?: Der schwänge bald an seinen immer grösser geworfenen Ringen sich zu weit hinaus und nähme die Sterne als Kugeln, geriete erst recht und noch schneller in die erhobenen Hörner.

04 Versuche, Wirt, es ohne Artisten zu machen; denn zu virtuos sind sie heutzutage geworden und kommen dir alle schon am ersten Abend abhanden.

In: Typoskripte 1956
Datiert: 1957    (    )

ARTISTEN

I

Im vom Bartisch beschworenen Dreieck steigt der Artist mit Bogen und Köcher auf die lichte Likörflaschensäule und schießt den ersten Pfeil zuhöchst in den Himmel.

02 Und gleich beißt sich der zweite ein in des ersten noch bebende Feder. Alle Pfeile schießt er zur Kette, die vom Himmel herabhängt und schließlich leicht schwankend dasteht mit dem letzten auf der lichten Säule aus leergetrunkenen Flaschen.

03 Nun klettert er, gereizt von den vielen bunten Gelenken, die Pfeilkette empor, bis er vor dem Brüllen des Stiers und mehr noch vor dem dumpfen Aufprall der Hörner auf die Sternbälle zurückschrickt: Doch schon ins Auge hebt ihm die Hörner der Stier.

04 Und die Gäste hangen wartend ins Glas, bis der Wirt, am anderen Tag, einen andern Artisten ohne Bogen und Köcher gefunden.

II

Einen Trompeter fand er, der sich an seinem Tonseil geschickt in den Himmel hinabließ und dann mit den baumelnden Beinen die Sternbälle wegschob.

02 Doch er war noch schneller beim Stier und fiel grad in die aufgehobenen Hörner. Und die Gäste warteten nicht mehr am Bartisch und verlangten den Zuschlag heraus.

03 Wen soll der Wirt jetzt noch suchen? Einen Jongleur mit Kugeln?: Der schwänge bald an seinen immer größer geworfenen Ringen sich zu weit hinaus und nähme die Sterne als Kugeln, geriete erst recht und noch schneller in die erhobenen Hörner.

04 Versuche, Wirt, es ohne Artisten zu machen; denn zu virtuos sind sie heutzutage geworden und kommen dir alle schon am ersten Abend abhanden

In: Die verwandelten Schiffe 1957
Notizbuch 1955-57 (alph.)
(Total: 45 )
Notizbuch 1955-57 (Folge)
(Total: 45 )
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