Synopse

(7)
Samstag, 08 Dezember 1956    (    )

Ara illuminata: (a)

(An das von Glühlampen umkränzte Madonnenbild in der Luzerner Jesuitenkirche.)

Du fährst, Ara illuminata,
durch die Hirnlabyrinthe der Schüler
und erhellst an den Wänden
hier den klagenden Zahnschmerz,
05 dort die graue Maske des Lehrers,
der am Montag die Lateinarbeit zurückgibt, gerötet. // 110
Doch wenn du, Ara illuminata,
jetzt fährst um die Ecke,
fällt dein Strahlen hinein,
10 in den Winkel, wo ein Tier
stöhnt und sich windet.
Du kehrst unbewegt, scheint es,
Ara illuminata,
in den Chorraum zurück
15 und nimmst den üblichen Preis des Kapuziners von
der Kanzel entgegen. 
Aber siehe, es war doch zu viel, und ein Strahl
deiner Glorie erlischt. 
der Küster muss die Sicherung wechseln
Ara illuminata!

In: Notizbuch 1955-57
Montag, 10 Dezember 1956    (    )

Ara illuminata (b)

Sie fährt in ihrem Kranz aus elektrischen Lämp-
chen durch die Gespensterbahn des Gehirn-
labyrinths:
da trifft ihr Schein auf den Zahnarzt,
05 und unter dem Bohrer schreit der Schmerz wilder auf;
dort trifft er auf die graue Maske des Lehrers,
der die Lateinarbeit mit seinem Stift eben jetzt
grausam rötet. 
Und es dröhnt herauf die Angst um die
Versetzung im Frühling. 
Und  zuletzt schrickt sie zurück vor dem Tier, // 112
10 das im hintersten Winkel stöhnt und sich windet.
Kehrt zurück hinauf in den Chorraum,
beruhigt sich aber nicht unter
den gewohnten Phrasen des Kapuziners:
O unbefleckt Empfangene du …
15 Nein, zwei elektrische Glorienstrahlen erlöschen
Das Stromnetz ist überlastet,
der Küster muss die Sicherung wechseln.

In: Notizbuch 1955-57
Mittwoch, 13 März 1957    (    )

Ara illuminata (A)

Über das von Glühlampen umkränzte Madonnenbild, das am 8. Dezember
vor den versammelten Schülern im Chorgewölbe der Luzerner Jesuitenkirche schwebt.

Sie fährt in ihrem Kranz aus elektrischen Lämpchen 
durch die Gespensterbahn des Gehirnlabyrinthes: 
und stösst jäh auf den Zahnarzt, 
der aufsteht und den Bohrer neu in den schreienden Schmerz gräbt. 

05 Sie leuchtet in ihrem Winkel die graue 
Hand des Lehrer an, die eben die Lateinarbeit (blutrünstig) rötet. 
Und feucht wischt ihr übers Gesicht 
die Angst um die Versetzung im Frühjahr. 

Es braucht jetzt nur noch das Tier dort sich zu recken, 
10 purpurn zu stöhnen: 
und sie kehrt zurück in den Altarraum. // 01v

Aber leider beruhigt sie sich nicht unter den Phrasen des Mönchs: 
„O unbefleckt Empfangene du …“ 
Zwei Glorienstrahlen sind schon erloschen. 
15 Für den Rest ist höchstens noch Hoffnung 
wenn der Küster die Sicherung wechselt. 
Aber man fürchtet schon, es liegt an den Lampen.

In: Manuskripte 1957
Freitag, 05 April 1957    (    )

Ara illuminata (B)

Über das von Glühlampen umkränzte Madonnenbild, das
jährlich am 8. Dezember vor den versammelten Gymnasiasten
im Chorgewölbe der Luzerner Jesuitenkirche schwebt.

Sie fährt in ihrer Angst aus elektrischen Lämpchen 
durch die Gespensterbahn des Gehirnlabyrinths 
und läuft schon den Zahnarzt an, 
der aufsteht und den Bohrer in den neu schreienden Nerv gräbt. 

05 Sie leuchtet in ihrem Winkel an die graue 
Hand des Lehrers, die eben die Lateinarbeit schlachtet. 
Und die Angst um die Versetzung im Frühjahr 
wischt ihr feucht übers Gesicht. // 02v

Es braucht jetzt nur noch das Tier dort 
10 sich purpurn zu recken, zu stöhnen: 
und sie schwankt zurück in den Altarraum. 

Aber leider genügen die Phrasen des Mönchs: 
„O unbefleckt Empfangene du …“ 
nicht mehr, sie zu beruhigen. 
15 Zwei Glorienstrahlen sind schon erloschen; 
für den Rest ist höchstens noch Hoffnung, 
wenn der Küster die Sicherung wechselt. 
Aber man fürchtet bereits, es liegt an den Lampen.

In: Manuskripte 1957
Donnerstag, 25 April 1957    (    )

Ara illuminata (C)

Wachtraum eines Schülers vor dem von Glühlampen umkränzten Madonnenbild, das jährlich
am 8. Dezember vor den versammelten Gymnasiasten der „Grossen
marianischen Kongregation“ im Chorgewölbe der Luzerner Jesuitenkirche schwebt.

Sie fährt in ihrer Angst aus elektrischen Lämpchen
durch das Gespensterlabyrinth des Gehirns 
und fährt gleich auf den Zahnarzt und macht 
ihn aufstehn und neu sausen den Bohrer im Nerv. 

05 Sie leuchtet im Winkel die graue 
Hand des Lehrers an, die eben 
die Lateinarbeit schlachtet. 
Und die feuchte Sorge um die Versetzung im Frühjahr 
wischt ihr übers Gesicht. // 03v

10 Es braucht jetzt nur noch das Tier dort 
sich stöhnend zu recken, 
und sie schwankt 
zurück in den Altarraum. 

Aber leider genügen die Phrasen des Mönchs: 
15 „O unbefleckt Empfangene du …“
nicht mehr, sie zu beruhigen. 
Zwei Glorienstrahlen sind schon erloschen; 
für den Rest ist höchstens noch Hoffnung, 
wenn der Küster die Sicherung wechselt. 
20 Und man fürchtet bereits, es liegt an den Lampen.

In: Manuskripte 1957
Datiert: 1957    (    )

Ara illuminata (D)

(Wachtraum eines Schülers vor dem von Glühlampen umkränzten
Madonnenbild, das jährlich am 8. Dezember vor den versammelten
Gymnasiasten der „Grossen marianischen Kongregation“ im Chor-
gewölbe der Luzerner Jesuitenkirche schwebt)

Sie fährt in ihrer Angst aus elektrischen Lampen 
durch das Gespensterlabyrinth des Gehirns 
und fährt gleich auf den Zahnarzt und macht 
ihn aufstehn und neu sausen den Bohrer im Nerv. 

05 Sie leuchtet im Winkel die graue 
Hand des Lehrers an, die eben 
die Lateinarbeit schlachtet. 
Und die Sorge um die Versetzung im Frühjahr 
wischt ihr feucht übers Gesicht. 

10 Es braucht jetzt nur noch das Tier dort 
sich stöhnend zu recken, 
und sie schwankt zurück in den Altarraum.

Aber leider genügen die Phrasen des Mönchs: 
„O unbefleckt Empfangene du…“ 
15 nicht mehr, sie zu beruhigen. 
Zwei Glorienstrahlen sind schon erloschen; 
für den Rest ist höchstens noch Hoffnung, 
wenn der Küster die Sicherung wechselt. 
Und man fürchtet bereits, es liegt an den Lampen.

In: Manuskripte 1957
Datiert: 1957    (    )

Ara illuminata

(Wachtraum eines Schülers vor dem von Glühlampen umkränzten Madonnenbild, das jährlich am 8. Dezember vor den versammelten Gymnasiasten der "Grossen marianischen Kongregation" im Chorgewölbe der Luzerner Jesuitenkirche schwebt)

Sie fährt in ihrer Angst aus elektrischen Lampen
durch das Gespensterlabyrinth des Gehirns
und fährt gleich auf den Zahnarzt und macht
ihn aufstehn und neu sausen den Bohrer im Nerv.

05 Sie leuchtet im Winkel die graue
Hand des Lehrers an, die eben
die Lateinarbeit schlachtet.
Und die Sorge um die Versetzung im Frühjahr
wischt ihr feucht übers Gesicht.

10 Es braucht jetzt nur noch das Tier dort
sich mit Stöhnen zu recken,
und sie schwankt zurück in den Altarraum.

Aber leider genügen die Phrasen des Mönchs:
"O unbefleckt Empfangene du…“
15 nicht mehr, sie zu beruhigen.
Zwei Glorienstrahlen sind schon erloschen;
für den Rest ist höchstens noch Hoffnung,
wenn der Küster die Sicherung wechselt.

Und man fürchtet bereits, es liegt an den Lampen.

In: Typoskripte 1957
Notizbuch 1955-57 (alph.)
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