Samstag, 28 Januar 1956

Zwischen den Kerzen

Mir ist es bestimmt zwischen den Kerzen zu sitzen,
und nur nachts darf ich die Apfelsinen und die Kuchen,
die ihr mir hinlegt, anrühren
und trinken den Tee, den ihr mir unter Gebeten bereitet.
05 Und es tut dann nichts, wenn einige noch auf den Treppen
sitzen 
und warten auf die Wunder, die ich zu wirken vergesse:
Denn ihr habt die grossen Votivdrachen an der Decke
so aufgehängt, 
dass sie sich immer unter den Ewigen Lampen bewegen,
und zuweilen muss ich dich dann ansehn, stummer Beter;
10 nur wenn ich mit dir, wie der andere Pilger,
der mit dir sitzt und flüstert:
nur wenn ich so mit dir flüstern könnte, // 047
dann wär ich dir der hilfreiche Gott, den du suchst.
Aber du wagst mich nicht anzusehen oder nur mit 
Schrecken im Auge, 
15 und so bin ich dir fremd noch zwischen den Kerzen
und kann dir nicht helfen 
und esse müssig die Apfelsinen, die du mir darbringst.
Im gleichen Augenblick wie du vom Strahl der Ewigen
Lampen getroffen, 
wenn die Votivdrachen wegwendet der Windzug:
auf den Altar verbannt hoch über der Treppe,
untätig zwischen die Kerzen, 
20 tot würdig untätig in den Weihrauch und zwischen
die Kerzen.


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Zwischen den Kerzen

Mir ist es bestimmt zwischen den Kerzen zu sitzen,

und nur nachts darf ich die Apfelsinen und

die Kuchen,

die ihr mir hinlegt, berühren anrühren

die

und trinken den Tee, den ihr mir unter Gebeten bereitet.

Und wenn dann

05 Und es tut dann nichts, wenn einige noch auf den Treppen

sitzen

und warten auf die Wunder, die ich zu wirken vergesse:

Denn ihr habt mir die grossen Votivdrachen an der Decke

so aufgehängt,

dass sie sich immer unterm Licht bewegen den Ewigen

Lampen bewegen,

und zuweilen fällt dann mein Auge in deines, stummer
und zuweilen muss ich dich dann ansehn, stummer

Beter;

10 nur wenn ich mit dir, wie der Beter, mit¿ der andere

Pilger,

der mit dir sitzt und flüstert:

nur wenn ich so mit dir flüstern könnte, //

Seite 047 (A-5-c_10_047.jpg)

dann wär ich dir der hilfreiche Gott, den du suchst.

Aber du wagst mich nicht anzusehen oder nur mit

Schrecken im Auge,

15 und so bin ich dir fremd noch zwischen den Kerzen

und kann dir nicht helfen

und esse müssig die Apfelsinen, die du mir darbringst.

Im gleichen Augenblick wie du vom Strahl der Ewigen

Lampen getroffen,

wenn die Votivdrachen wegwendet der Windzug:

auf demn Altar verbannt hoch über der Treppe,

untätig zwischen die Kerzen,

20 tot würdig untätig in den Weihrauch und zwischen

die Kerzen.

28.1.56

 

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Fassung: Erste Fassung
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/10
  • Seite / Blatt: 046, 047

Inhalt: Notizen, 42 Entwürfe zu 37 Gedichten (1 Endfassung)
Datierung: 6.10.1955 – 7.4.1957
Textträger: schwarzes Notizbuch (Krokodil, Plastik), Bleistift
Umfang: 130 beschriebene Seiten
PublikationDie verwandelten Schiffe (10 Gedichte), GEDICHTE (5 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: A-5-c/10 (Schachtel 29)

Bilder: Ganzes Buch (pdf)
Spätere Stufen: Manuskripte 1955, 1956, 1957, Typoskripte 1955, 1956, 1957
Kommentar: Die Prosanotate, von hinten her bis S. 117 eingetragen, entstammen der Legenda aurea des Jacobus de Voragine und den religionswissenschaftlichen Studien von Mircea Eliade
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Diplomatische Umschriften (auch von den Prosanotaten)

Weitere Fassungen

Notizbuch 1955-57 (alph.)
(Total: 45 )
Notizbuch 1955-57 (Folge)
(Total: 45 )
Suchen: Notizbuch 1955-57