Entstanden: 07. April 1957

Antonius der Einsiedler trifft auf dem Weg zu Paulus, nach langer Wanderung durch die Wüste, einen Satyr.

02 Satyr, bricht aus dem Gehölz: Wo hast du die silberne Schüssel, die ich für dich bereitgelegt habe?

03 Antonius: A, von dir stammte diese Schüssel, ich habe sie wohl gesehen. Aber ich habe mich gleich abgewandt, nein, ich bin der Versuchung nicht erlegen. –

04 Satyr, sehr niedergeschlagen: Und ich habe den ganzen Tag hier gewartet, bis du vorbeikämst, und wollte mich weiden an deiner Freude über die Schüssel, ganz unbemerkt hier im Gebüsch. // 114

05 Antonius: Und nun bist du doch herausgekommen, mich zu erschrecken?

06 Satyr: O nein, erschrecken wollte ich dich nicht, daran dachte ich nicht, dass ich dich erschrecken könnte. Ich bin das nicht gewöhnt, die Zeiten haben sich geändert.

07 Antonius: Freilich, das haben sie. – Weisst du, was mit der Schüssel war? Als ich mich abwandte und den Namen Christi aussprach, da löste <sie> sich in Rauch auf, war im Nu nicht mehr da!

08 Satyr, mit weit aufgerissenen Augen: Was sagst du, das gibt es doch nicht, das ist ja unheimlich. // 115

09 Antonius: Du Heuchler, meinst du, ich erkenne dich nicht: Gib nur zu, wer du bist.

10 Satyr: Ich, nein, mich erkennst du doch; ich bin doch Satyr, der Waldgott, gehöre hieher.

11 Antonius, strenger, aggressiv: Damit sind wir der Wahrheit schon näher; gib zu, gib zu, wer du bist! Weich mir nicht aus.

12 Satyr: Satyr bin ich, ein Waldgott, sicher, glaub mir
kleinlaut: nach dem Irrglauben der Heiden.

13 Antonius, unerbittlich:  Siehst du, du kommst mir nicht aus. – Sag es doch genau: der Teufel bist du, gekommen, mich zu // 116 versuchen, mir aufzulauern.

14 Satyr, wirft sich vor ihm nieder: Der Waldgott bin ich, Satyr, glaub mir. Ein Geschenk wollte ich dir machen.

15 Antonius schweigt eisig.

16 Satyr, zusammengekrümmt, verzweifelt: Sieh mich nicht so an; ich weiss, ich bin der Teufel, der Böse, gekommen, dich zu versuchen. Aber sieh mich nicht so an.

17 Antonius: Im Namen des allein wahren Gottes, weiche Satan.

18 Der Satyr liegt röchelnd. Antonius schreitet, feierlich triumphierend, weiter.

Infos
  • Details: Abs. 02 Emendation: habe → habe?
  • Besonderes: Vgl. Notizen (I), Zitate aus der Legenda aurea:

    05 Antonius sieht am Weg in der Wüste eine silberne Schüssel liegen. Er denkt, nur der böse Geist könne sie hieher gelegt haben, ihn zu versuchen. „Da verschwand die Schüssel als ein Rauch.“

    08 Ein Kentaur weist Antonius den Weg zu Paulus, dann ein Satyr, der sagt, als A. fragt, wer er sei: „Ich bin Satyrus, ein Gott der Wälder, nach dem Irrglauben der Heiden.“

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Szenisch
  • Datierung: vollständig
  • Fassung: Erste Fassung
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/10
  • Seite / Blatt: 113, 114, 115, 116
  • Textverweis: [Notate I (Legenda aurea)]