Synopse

(5)
Freitag, 17 Juni 1949    (    )

Ausgeworfenes Netz, ausgeworfen in die trübe See …*

Ausgeworfenes Netz, ausgeworfen in die trübe See dieses Zwischenbereichs wo nicht Morgen ist und nicht Abend. Und nicht ein wirklicher Traum. Denn Träume sind farbig. Farbig, farbig sind Träume, Inseln mit Muscheln am Strand und mit farbigen Blumen. Doch dieser Traum ist trübe und ohne Gestalt. Das aber ist Tod. Traum ohne Gestalt ist Tod. Dort drüben erscheint, am Rande, auf der Kimme der See die Lanzenspitze der Göttin und bald ihr blinkender Helm: 

02 Sie ist es, sie kommt, purpurn erblüht die Flut und in Vielfalt der Blumen die Insel. Aus dem Schatten treten hervor die anderen Götter ans Licht, die // 069 bisher verborgnen: Sie streifen den Schlaf von der Stirn und kommen und sind Freunde der Menschen, sie führen den Fischer ans Ufer und locken ins Netz ihm grüne und goldene Fische, die Früchte der schimmernden Tiefe. Licht, Licht entzünden sie überall, wo bisher Finsternis war, die trüben Höhlen des Dunkels sind nun Quellen des Lichts, das überall bricht aus den Tiefen: es gibt nur noch Sonne, alles ist einzige Sonne 

Der dunkle Herr 
bricht wild herauf, 
er kennt die Furcht nicht 
vor dem heiligen Licht. 
05 Sein Gesetz ist dunkel // 070
und sehend ist nur 
das Auge des Lichtes. 
Er aber sieht nicht, 
ihn treibt es 
10 wie die Lava empor 
dumpfen Willens. 
Er will alles 
unersättlich. 
Und nicht weiss er 
15 was da ist 
was er zerschlägt 
mit der Faust 
was sein eherner 
Schädel durchstösst: 
20 plötzlich ragt sein Haupt 
über die glückliche Insel: 
die Tanzenden sehn 
die arglosen Wohner 
den Furchtbaren ragen 
25 aus dem Abgrund hervor, // 071
sie schreien und fliehn 
starrt doch grässlich 
sein Auge. 
Die Tiere verstecken sich 
30 und verenden in Höhlen 
die Blumen 
sind grau und die Blätter 
der Bäume rollen  sich 
bleich 
35 unter dem tödlichen Schatten. 
Wie trübe auf einmal das Land 
von dem  furchtbaren Haupt 
überragt. 
In schrecklicher Pest 
40 wimmert hier noch ein Mensch 
und dort einer 
mitten unter starrenden Leichen der Freunde.

In: Notizbuch 1949
Samstag, 18 Juni 1949    (    )

Der dunkle Herr …* (a)

Der dunkle Herr
bricht herauf:
sein Gesicht ist dunkel
und sehend allein
05 ist das Auge des Lichtes.
Er sieht nicht, 
ihn treibt
wie Lava
dumpfer Wille empor. 
10 Und nicht weiss er 
was er zerschlägt 
was sein eherner 
Schädel durchstösst: 
plötzlich ragt sein Haupt 
15 über die glückliche Insel.
Die Arglosen sehn 
ihn furchtbar stossen
aus dem Abgrund hervor.
Sie schreien und fliehn 
20 vor dem leblos starrenden Auge.
Die Tiere verenden
in verborgenen Höhlen.
Grau fallen die Blüten
und die Blätter der Bäume
25 rollen  sich ein
unter dem tödlichen Schatten. 
Menschen wimmern
hier und dort noch hervor
unter den Leichen der Freunde.

30 Aber drüben erscheint
auf der Kimme der See
die Lanzenspitze der Göttin
und bald ihr blinkender Helm,
purpurn blüht die Flut
35 in neuen Blumen die Insel. ||
Aus dem Schatten treten
die anderen Götter,
die bisher verborgnen
Freunde sind sie der Menschen
40 und nehmen den Tod
leicht ihnen weg von der Stirn
Sie führen die Fischer ans Ufer
und locken ins Netz
ihnen goldene Fische
45 die reichen Früchte der Tiefe.
Licht entzünden sie überall:
die trüben Höhlen des Dunkels
sind nun Quellen des Lichts
das lauter quillt aus den Tiefen:
50 denn auch zu innerst ist Sonne.

In: Manuskripte 1948-51
Montag, 20 Juni 1949    (    )

Der dunkle Herr …* (b)

Der dunkle Herr
bricht herauf.
Er sieht nicht
ihn treibt
05 wie Lava
dumpfer Wille empor 
Und nicht weiss er 
was er zerschlägt, 
da er mit ehernem Schädel
10 herauf stösst:
plötzlich ragt
sein Haupt über die glückliche Insel.
Die Arglosen sehn 
ihn furchtbar stossen
15 aus dem Abgrund empor.
Sie schreien und fliehn 
vor dem leblos starrenden Auge.
Und die Tiere verenden
in verborgenen Höhlen.
20 Grau fallen die Blüten
die Blätter der Bäume
rollen  sich ein
unter dem tödlichen Schatten. 
Bald wimmert Menschen
25 hier und dort noch einer hervor
unter den Leichen der Freunde.

Aber drüben erscheint
auf der Kimme der See
die Lanzenspitze der Göttin
30 und bald ihr blinkender Helm,
purpurn erblüht die Flut
in neuen Blumen die Insel. ||
Aus dem Schatten treten
die anderen Götter,
35 die bisher verborgnen.
Freundlich sind sie den Menschen
und nehmen den Tod
leicht ihnen weg von der Stirn.
Sie führen die Fischer ans Ufer
40 und locken ins Netz
ihnen goldene Fische.
die reichen Früchte der Tiefe.
Die trüben Höhlen des Dunkels
sind nun Quellen des Lichts
45 das lauter springt aus den Tiefen:
denn auch zu innerst ist Sonne.

In: Manuskripte 1948-51
Montag, 20 Juni 1949    (    )

Der dunkle Herr …* (c)

Der dunkle Herr
treibt wie Lava aus dumpfem Willen empor
und sieht nicht
was er zerschmettert im Durchstoss:
05 Plötzlich ragt
sein Haupt über die glückliche Insel.
Grau fallen die Blüten
die Blätter der Bäume
rollen sich ein
10 unter dem tödlichen Schatten.
Und die Tiere verenden
wehrlos in den Höhlen.
Die Menschen schreien und fliehn
vor dem leblos starrenden Auge.
15 Bald wimmert hier und dort noch einer hervor
unter verwesenden Freunden.

Aber drüben erscheint
auf der Kimme der See
die Lanzenspitze der Göttin
20 und bald ihr blinkender Helm.
Purpurn glänzt die Flut
in neuen Blumen die Insel. ||
Aus dem Schatten treten
die bisher vervorgenen Götter,
25 die menschenfreundlichen 
und nehmen den Tod
leicht weg von der Stirn.
Sie führen die Fischer ans Ufer
und locken ins Netz ihnen goldene Fische.
30 Die trüben Höhlen voll Leichen
sind nun Quellen des Lichts
das lauter springt aus den Tiefen:
denn auch zu innerst ist Sonne.

In: Manuskripte 1948-51
Montag, 20 Juni 1949    (    )

Der blinde Herr …* (d)

Der blinde Herr
treibt wie Lava aus dumpfem Willen empor
über die glückliche Insel,
wo grau die Blüten
05 und die gerollten Blätter der Bäume
fallen unter dem tödlichen Schatten,
die Tiere wehrlos
in Höhlen verenden,
die Menschen aber
10 fliehn vor dem leblos starrenden Auge,
bis nur einer noch wimmert
hervor unter verwesenden Freunden.

Drüben jedoch erscheint
auf der Kimme der See
15 die Lanzenspitze der Göttin
bald ihr blinkender Helm
erweckend zu Purpur die Flut
zu neuen Blumen die Insel,
weg von der Stirn
20 nimmt leicht sie den Tod
und lockt den Fischern
ins Netz die lebendigen Fische;
aus den trüben Höhlen voll Leichen
Quellen des Lichts:
25 denn auch zuinnerst ist Sonne.

In: Manuskripte 1948-51
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