Mittwoch, 04 Mai 1949

Nah sind die Götter die im Stillen kämpfen …* (a*)

Nah sind die Götter die im Stillen kämpfen
in unsern Schlaf droht schon ihr weh Geklirre. // 036
Dass sie an unsern reinen Stunden zehren 
dies ist's allein worob wir sie zu schelten 
05 worob wir sie zu hassen wagen: 
Denn reine Stunden sind uns Sündern selten 
da wir im Reich der Liebe gehn und uns Umarmung 
an jedem Kreuzweg glänzt. <Das liess sich dort verbannen, 
was euer Höchstes ist und euren Adel macht? 
10 In jenem nächtens nur betretnen Tal 
lässt ihr was euch dem Anfang ähnlich macht? 
Ihr seid die Sklaven eines untern Gottes, 
des höchsten Söhne ihr> Erinnre nicht 
uns an den trauervollen Abstieg, den zu gehen // 037
15 der Vater aus dem Licht zu gehn uns zwang. 
Wir waren Kinder und doch schon Befleckte 
eh wir es wussten war das Glück verscherzt. 
War unser Heimatrecht im Einen nichtig 
in bunte Vielfalt uns der Spruch verwies. 
20 <Wollt Wendung ihr nicht fliehn da euch der Tod 
entzückte? Das Reine ist doch glimmend noch in euch. 
Und wenn ihr anfacht dieses Geistes Funken 
so öffnet sich am dunklen Ort das Tor 
wo ihr es nimmermehr vermutet, die Pforte 
25 auf geht sie plötzlich in das  grosse Licht.>


Seite 035 (C-2-b_02_035.jpg)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nah sind die Götter die im Stillen kämp-

fen 

in unsern Schlaf droht schon ihr 

weh Geklirre. // 

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Dass sie an unsern reinen Stunden zehren 

dies ist’s allein worob wir sie zu schelten 

05 worob wir sie zu hassen wagen: 

Denn reine Stunden sind uns Sündern 

selten 

da wir im Reich der Liebe gehn und uns 

Umarmung 

an jedem Kreuzweg glänzt. <Das liess sich 

dort
hier verbannen, 

was ihr euer Höchstes ist und euren Adel 

macht? 

10 In die jenem nächtens nur betretnen Tal 

lässt ihr was euch dem Anfang ähn-

lich macht? 

Ihr seid die Sklaven eines untern Gottes, 

Söhne ihr des 

Höchsten, 

des höchsten Söhne ihr> Erinnre nicht uns 

uns an den trauervollen Abstieg, den aus 

zu gehen // 

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15 der Vater aus dem Licht zu gehn uns zwang. 

Wir waren Kinder und doch schon Befleckte 

eh wir es wussten war das Glück verscherzt. 

War unser Heimatrecht im Einen nichtig 

in bunte Vielfalt uns der Spruch verwies. 

20 <Wollt Wendung ihr nicht fliehn da 

euch der Tod 

entzückte? Das Reine ist doch glimmend 

noch in euch. 

Und wenn ihr anfacht dieses Geistes Fun-

ken 

so öffnet sich am dunklen Ort das Tor 

wo ihr es nimmermehr vermutet, die 

Pforte 

auf geht sie
25 plötzlich in das  grosse, grosse Licht.> 

4.5.49

 

  • Details:

    Spitzklammern von Raeber eingefügt
    V. 25 Emendation: grosse, → grosse

  • Besonderes:

    Vgl. die Tagebucheintragung gleichentags: Lektüre von Georges Stern des Bundes beendet:

    es ist wohl unmöglich, sich dem Eindruck dieses aufs letzte angespannten Willlens zur Gestaltung, zur Beschwörung eines neuen Daseins zu entziehen. Das Zeitgebundene, Verkrampfte sinkt in diesem Buch weit zurück hinter den glühenden Eros zu einem anderen Menschen, zu einem neuen Reich nach aller Zersplitterung. […] Ich schreibe stets an meinen Versen. Langsam kommt mir die Vermutung, dass sie alle zusammen, alles was ich seit letztem Jahr geschrieben habe, vor allem aber seit Januar, sinnvoll zusammengehört, dass man es bei einem allfälligen Druck nach dem inliegenden Prinzip ordnen müsste. Die einzelnen Gedichte wären dann Kapitel eines Buches, das sich eigentlich nur als Ganzes verstehen lässt.

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Fassung: Erste Fassung
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: C-2-b/02
  • Seite / Blatt: 035 (unten), 036, 037 (oben)

Inhalt: Notizen, 47 Entwürfe zu 39 Gedichten (5 Endfassungen)
Datierung: 5.3.1949 – 7.12.1949
Textträger: Blaues Notizbuch, liniert, Bleistift
Umfang: 130 beschriebene Seiten
Publikation: Gesicht im Mittag (6 Gedichte)
Signatur: C-2-b/02 (Schachtel 79)

Bilder: Ganzes Buch (pdf)
Spätere Stufen: Manuskripte 1948-51, Typoskripte 1945-50, 1948-50
Kommentar: 14 Texte rhythmische Prosa, 24 reine Prosanotate und Briefentwürfe
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften (19 private Prosanotate nicht erschlossen)

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