Kein Datum ! . . . ( 01.09.1948 *)

Der Krieg als Anachronismus …*

Der Krieg als Anachronismus, als tödliche Gefahr für die Menschheit, die erst langsam im Begriff ist, sie selber zu werden: dass ein Mensch getötet wird, das soll nicht mehr vorkommen, das wird unerhört sein. Noch eher aber und eindeutiger soll es unmöglich werden, zurückgebannt in dunkle Sagen der Vergangenheit. Alle Kraft soll der Mensch darauf richten, das Grosse und Schöne zu tun, die Welt zu formen, eine neue Welt zu bilden, herrlicher als die gestrige und wahrhaftig, er könnte es, der Mensch, er hat es bewiesen. Statt dessen bilden wir die besten und schönsten Jünglinge dazu aus, einander totzuschlagen. Wir richten unsere jungen Männer dazu // 027 ab, dass sie andere junge Männer, so stark und lebenshungrig und begierig nach Grossem wie sie selber, totschlagen. Das konnte seinen Sinn haben, eine Zeit lang, es war auf einer gewissen Stufe wohl unvermeidlich. Aber heute ist diese Zeit vorbei. Jeder weiss heute im Grunde, dass der Krieg etwas Absurdes ist. Jeder hat heute ein schlechtes Gewissen, andre zu erschlagen. Denn wir sind eine verschworene Gemeinschaft, wir Menschen, unsre Aufgabe ist es und unsre Möglichkeit, mehr denn Natur zu sein. Wir vertreten das höchste Prinzip in der Welt. Wir sind kaum soweit, dies¿ zu begreifen. // 028 Nach dieser Erkenntnis lasst uns handeln.


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Der Krieg als Anachronismus, als

tödliche Gefahr für die Menschheit,

die erst langsam im Begriff ist, sie

selber zu werden: dass ein Mensch getötet

wird, das wird soll nicht mehr vor-

kommen, das wird unerhört sein.

Noch eher aber und eindeutiger soll

es unmöglich werden, zurückge-

bannt in dunkle Sagen der Ver-

gangenheit. Alle Kraft soll der

Mensch darauf richten, das Grosse

und Schöne zu tun, die Welt

zu formen, eine neue Welt zu

bilden, herrlicher als die gestrige

und wahrhaftig, er könnte es, der

Mensch Mensch, er hat es bewie-

sen. Statt dessen bilden wir

die besten und schönsten Jüng-

linge dazu aus, einander tot-

zuschlagen. Wir richten unsere

jungen Männer denx da- //

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zu ab, dass sie andere junge

Männer, so stark und lebens-

hungrig und begierig nach

Grossem wie sie selber, totschla-

gen. Das konnte seinen Sinn

haben, eine Zeit lang, es

war auf einer gewissen Stufe

wohl unvermeidlich. Aber

heute ist diese Zeit vorbei.

Jeder weiss heute im Grunde,

dass der Krieg etwas Absur-

des ist. Jeder hat heute

ein schlechtes Gewissen, an-

dre zu erschlagen. Denn wir

sind eine verschworene Ge-

meinschaft, wir Menschen,

unsre Aufgabe ist es und

unsre Möglichkeit, mehr denn

Natur zu sein. Wir vertreten

das höchste Prinzip in der

Welt. Wir sind kaum

soweit, dies¿ zu begreifen. //

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Nach dieser Erkenntnis lasst uns

handeln.

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Prosanotat
  • Datierung: ohne Datumsangabe
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: C-2-b/01
  • Seite / Blatt: 026, 027, 028 (oben)

Inhalt: Notizen, 71 Entwürfe zu 51 Gedichten (5 Endfassungen)
Datierung: 1948 – 1.3.1949 (Datierungen ab 10.11.1948; S. 1-51 undatiert)
Textträger: Braunes Notizbuch, beschriftet "Notes"; liniert, Bleistift
Umfang: 96 beschriebene Seiten
Publikation: Gesicht im Mittag (1); Verstreutes (2)
Signatur: C-2-b/01 (Schachtel 79)
Bilder: Ganzes Buch (pdf)

Spätere Stufen: Manuskripte 1948-51, Typoskripte 1945-50, 1948-50
Kommentar: 10 Texte rhythmische Prosa, 7 reine Prosanotate und Briefentwürfe
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen

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