Manuskripte 1955
Inhalt: 135 Manuskripte und 21 Typoskripte zu 24 Gedichten (keine Endfassung)
Datierung: 14.11.1954 – 21.11.1955
Textträger: 200 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Dissertation und Gedichttyposkripten
Umfang: 25 Dossiers, 213 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (12 Gedichte), GEDICHTE (1 Gedicht), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-c/11 (Schachtel 36)
Herkunft: Nr. 1-15: braune Mappe EG 55 I; Nr. 16-25: rote Mappe EG 55 II
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften
Durch die Höhle, die Tapeten umwelken, wühlt er sich
bis er, um in der plötzlichen Hitze unterm Daunengebirge nicht zu
verdursten,
die Früchte isst, die er aus dem Laub der Kleider geraubt hat:
Die Blätter ringsum auf dem Boden verstreut,
05 sähen eifersüchtig auf den Arm,
der den Ast an ihrer Stelle umfängt,
auf die Brust, die den Stamm an ihrer Stelle bedeckt,
wenn nicht der Vorhang Arm und Brust vor der Strassenlampe,
die mit der Windleiter immer anrennt, beschützte.
10 Doch das Treppenhaus rächt sie,
indem es durchs Schlüsselloch sein rostiges Licht in das vergessene
Auge hereinsticht.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Details: V. 11: Rückgängig gemachte Verschiebungen (vgl. Reproduktion)
- Besonderes: Typoskript mit Bleistiftkorrekturen
- Letzter Druck: Verstreutes
- Textart: Verse
- Datierung: nur Jahr
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: A-5-c/11_016
- Seite / Blatt: 08
Zu lang setzte die Wespe sich der Versuchung auf dem Rand der
Kaffeetasse aus,
als dass sie nicht schliesslich hätte darin umkommen müssen:
hinabstürzen in die dunkle und süsse Brühe und wollüstig verzweifelt
die Beine und Flügel darin umrührend verenden.
Die andere Wespe schaut vom Mund der Coca-Cola Flasche hinab,
05 die ich, bin ich doch durstig, eben bestellte: denn den Kaffee, worin
die sterbende schwimmt, kann ich nicht trinken, kaum anschaun,
ohne dass Zweifel mich martern: soll ich sie retten?
und erwägt das Schicksal der Schwester, ob es mehr Lockung oder
mehr Warnung sei:
Wie das gelbe Flugzeug, das dem einzigen Schiff, das durch den
gläsernen Sturm lustfährt, hinten aufhockt
und noch nicht weiss, ob es in die Sonnenmilch stürzen soll,
10 die in die Meerenge herabtropft und sie mit Schaum füllt,
sodass das Wasser die Klippen emporflieht<,> doch mit verletzten
Knien zurücksinkt,
Odysseus, wenn die einsame Dame ausharrt und dem Schiff durch
die Klippen den Weg weist.
Doch Platon hat keine Augen für die sterbende Wespe im Kaffee
und für die, die am Mund der Flasche zaudert,
obwohl ich direkt am Sklavenmarkt sitze,
15 auch kaum einen Blick für das Schiff des attischen Reeders, // 02
das allein sein gelbes Flugzeug über die Sturmmilch hinweg trägt,
denkt er doch mitten im Handel, wenn ihn ein Fuhrhalter auf seine
Muskeln befühlt – was ist ihm schon das Leibhaus? –
und misstrauisch wegen des weltüberspringenden Blicks zum
Ärger des spartanischen Händlers stehen lässt,
an die Tafelgespräche in Syrakus und an die Nachtgänge mit Dion.
20 Und als Amnikeris kommt und ihn auslöst, lässt er sich willenlos
führen.
Auch meine Wespe im Kaffee bewegt sich nicht mehr, ihre
Schwester flog weg, ich rufe dem Kellner zum Zahlen.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Besonderes: Verso: Typoskripte (Sebastian Franck, S. 127, 128)
- Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/11_017
- Seite / Blatt: 01, 02
Zu lang setzte die Wespe sich der Versuchung auf dem Rand der
Kaffeetasse aus,
als dass sie nicht schliesslich hätte darin umkommen müssen:
hinabstürzen und wollüstig verzweifelt mit Beinen und Flügeln die
süsse Nachtagonie umrühren.
Die andere Wespe schaut vom Mund der Coca-Colaflasche hinab,
die ich eben bestellte,
05 in den Kaffee, worin die sterbende schwimmt, den ich nicht trinken
und nicht ansehen kann, ohne dass Zweifel mich martern: soll ich
sie retten?
und wägt im Schicksal der Schwester Lockung und Warnung:
Wie die Flugzeugwespe, die hinten auf dem Motorschiff hockt,
das unbewegt und blasiert allein durch den gläsernen Sturm
lustfährt,
10 und die noch nicht weiss, ob sie in die Sonnenmilch stürzen soll:
sie tropft in die Meerenge herab und füllt sie mit ihrem Schaum,
sodass das Wasser die Klippen heraufflieht und dann schnell mit
blutigen Knien zurücksinkt,
Odysseus, während die Boje, die einsame Dame, ausharrt und dem
Schiff, das sie nicht zu brauchen vorgibt, den Weg durch die
Klippen zeigt.
Doch Platon hat kein Auge für den Kampf im Kaffee und für den
andern am Mund der Flasche,
15 obwohl ich direkt am Sklavenmarkt sitze, // 04
auch kaum einen Blick für das überhebliche Schiff des attischen
Reeders,
das seine grosse Wespe über die Sturmmilch davonträgt:
er denkt mitten im Feilschen, wenn ihn ein Bauer auf seine Muskeln
befühlt – das Leibhaus ist ihm egal –
und ihn dann misstrauisch wegen des überspringenden Blicks dem
enttäuschten Händler zurücklässt
20 an die Tafelgespräche in Syrakus und an die Nachtspaziergänge
mit Dion.
Und wenn Amnikeris kommt und ihn einlöst, steigt er willenlos in
den neuen Rollsroyce
und sagt nur gezwungen „wunderbar“, weil ihn der andere mit allen
Mienen darum bittet.
Auch die Wespe im Kaffee bewegt sich nicht mehr; ihre Schwester
entschied sich fürs lange Leben und flog weg.
Ich rufe den Kellner zum Zahlen.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Besonderes: Verso: Typoskripte (Sebastian Franck, S. 129)
- Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/11_017
- Seite / Blatt: 03, 04
Zu lang setzte sich die Wespe auf dem Rand der Kaffeetasse der
Versuchung aus,
als dass sie nicht schliesslich hätte darin umkommen müssen:
hinabstürzen und wollüstig verzweifelt mit Beinen und Flügeln die
süsse Nachtagonie umrühren.
Die andere Wespe schaut vom Mund der Coca-Colaflasche hinab,
die ich eben bestellte,
05 weil ich den Kaffee, worin die sterbende schwimmt, nicht einmal
ansehen kann, ohne dass Zweifel mich quälen: soll ich sie retten?
Die andere schaut hinab und wägt im Schicksal der Schwester
Lockung und Warnung:
Wie das Flugzeug, das hinten gelb aufhockt dem Motorschiff,
das unbewegt und blasiert allein im gläsernen Sturm lustfährt,
noch nicht weiss, ob es in die Sonnenmilch stürzen soll:
10 sie tropft in die Meerenge herab und füllt sie mit Schaum,
sodass das Wasser die Klippen heraufflieht und dann schnell mit
zerschundenen Knien zurücksinkt, Odysseus,
während die einsame Dame ausharrt und dem Schiff, obwohl es
sie nicht zu brauchen vorgibt, den Weg durch die Riffe zeigt. // 06
Doch Platon schaut wie immer durch den Kampf im Kaffee und
durch den andern am Mund der Flasche
– denn ich sitze direkt am Sklavenmarkt, wo man ihn immer noch
feilhält –
15 schaut durch das überhebliche Schiff des attischen Reeders,
das seine gelbe Wespe über die Sturmmilch davonträgt,
die reine Idee an und denkt mitten im Feilschen, wenn ihn ein
Bauer auf seine Muskeln befühlt
– das Leibhaus ist ihm egal – und ihn dann, misstrauisch wegen
des Herrenblicks, dem enttäuschten Händler zurücklässt,
an die Tafelgespräche in Syrakus und an die Nachtspaziergänge
mit Dion.
20 Und wenn Amnikeris kommt und ihn einlöst, steigt er willenlos in
den neuen Rollsroyce
und sagt nur „wunderbar“, weil ihn der andere mit allen Mienen
darum bittet. –
Auch die Wespe im Kaffee bewegt sich nicht mehr,
ihre Schwester entschied sich fürs lange Leben und flog weg.
Ich rufe den Kellner zum Zahlen.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Besonderes:
alR Strophennumerierung 1-5
Verso: Typoskripte (Sebastian Franck, S. 132) - Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/11_017
- Seite / Blatt: 05, 06
Zu lang setzte sich die Wespe auf dem Rand der Kaffeetasse der
Versuchung aus,
als dass sie nicht schliesslich hätte darin umkommen müssen:
hinabstürzen und mit Beinen und Flügeln wollüstig verzweifelt die
süsse Nachtagonie umrühren.
Die andere Wespe schaut vom Mund der Coca-Colaflasche hinab,
die ich eben bestellte,
05 weil ich den Kaffee, worin die sterbende schwimmt, nicht einmal
ansehen kann,
ohne dass Zweifel mich quälen: soll ich sie retten?
Die andere schaut hinab und zaudert zwischen der Lockung und
der Warnung des Schauspiels.
Wie das Flugzeug hinten gelb aufhockt dem Motorschiff,
das unbewegt und blasiert im gläsernen Sturm allein lustfährt,
10 und noch nicht weiss, ob es sich in die Sonnenmilch stürzen soll:
sie tropft in die Meerenge herab und füllt sie mit Schaum,
sodass das Wasser die Klippen heraufflieht, Odysseus,
und dann schnell mit zerschundenen Knien zurücksinkt;
und die Dame harrt aus und zeigt dem Schiff, obwohl es sie nicht
zu brauchen vorgibt, den Weg durch die Riffe. // 08
15 Doch Platon schaut durch die Wespe im Kaffee und durch die andere
am Mund der Flasche
– denn ich sitze direkt am Sklavenmarkt, wo man ihn feilhält –
schaut durch das Schiff des attischen Reeders,
das seine gelbe Wespe arrogant über die Sturmmilch davonträgt,
die reine Idee, wie immer,
20 und denkt mitten im Feilschen, wenn ihm ein Bauer die Muskeln
befühlt
– das Leibhaus ist ihm egal – und ihn dann wegen des Herrenblicks
dem Händler zurücklässt,
an die Tafelgespräche in Syrakus und an die Nachtspaziergänge
mit Dion.
Und wenn Amnikeris kommt und ihn einlöst, steigt er willenlos in
den neuen Rolls-Royce
und sagt nur „Wunderbar“, weil ihn der andere mit allen Mienen
drum bittet –
25 Auch die Wespe im Kaffee bewegt sich nicht mehr,
ihre Schwester entschied sich fürs lange Leben und flog weg.
Ich rufe dem Kellner zu „Zahlen“.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Besonderes:
alR Strophennumerierung I-V
Verso: Typoskripte (Sebastian Franck, S. 137, 138) - Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/11_017
- Seite / Blatt: 07, 08
Zu lang setzte sich die Wespe auf dem Rand der Kaffeetasse der
Versuchung aus,
als dass sie nicht schliesslich hätte darin umkommen,
hinabstürzen und mit Beinen und Flügeln die süsse Nacht
umrühren müssen.
Vom Mund der Coca-Colaflasche hinab, die ich eben bestellte,
05 weil ich den Kaffee, worin die sterbende schwimmt, nicht einmal
ansehen kann,
ohne dass Zweifel mich quälen: muss ich sie retten?
schaut die andere Wespe zu und zaudert zwischen der Lockung
und der Warnung des Schauspiels.
Gleich wie dem Motorschiff, das ganz allein im gläsernen Sturm
blasiert lustfährt,
das Flugzeug hinten gelb aufhockt und noch nicht weiss,
10 ob es sich stürzen soll in die Sonnenmilch,
die in die Meerenge herabtropft und sie mit Schaum füllt, // 10
sodass das Wasser die Klippen heraufflieht, Odysseus,
und dann schnell mit zerschundenen Knien zurücksinkt;
nur das Mädchen Boje harrt aus und zeigt dem Schiff,
15 obwohl es sie nicht zu brauchen vorgibt, den Weg durch die Riffe.
Doch durch die Verzweiflung der einen und durch das Zaudern
der anderen Wespe schaut Platon
– denn ich sitze direkt am Sklavenmarkt, wo man ihn feilhält –,
schaut durch den stählernen Schiffsstolz des attischen Reeders,
der seine Wespe blasiert durch die Sturmmilch davonträgt,
20 wie immer, die reine Idee an,
und denkt mitten im Feilschen, wenn ihm ein Bauer die Muskeln
befühlt – das Leibhaus ist ihm egal –
an die Tafelgespräche in Syrakus und an die Nachtspaziergänge
mit Dion. // 11
Und wenn Amnikeris kommt und ihn freikauft, steigt er willenlos
in den neuen Rolls-Royce
und gibt sein „Wunderbar“ nur, weil der andere es ihm mit allen
Mienen entreisst. –
25 Auch im Kaffee ist es ruhig geworden,
indes die Schwester auf der Flasche sich fürs lange Leben
entschied und wegflog
und ich dem Kellner winke zum Zahlen.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Besonderes:
alR Strophennumerierung I-V
Verso: Typoskripte↑ (Sebastian Franck, S. 43, 42) - Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/11_017
- Seite / Blatt: 09, 10, 11
Zu lang setzte sich die Wespe auf dem Rand der Kaffeetasse der
Versuchung aus,
als dass sie nicht schliesslich hätte darin umkommen,
hinabstürzen und mit Beinen und Flügeln die süsse Nacht umrühren
müssen.
Vom Mund der Coca-Colaflasche hinab – die ich eben bestellte,
05 weil ich den Kaffee, worin die sterbende schwimmt,
nicht einmal ansehen kann, ohne dass Zweifel mich quälen: muss
ich sie retten? –
zaudert die andere Wespe zwischen der Lockung und der Warnung
des Schauspiels:
Gleich wie dem Motorschiff, das ganz allein im gläsernen Sturm
blasiert lustfährt,
hinten das Flugzeug gelb aufhockt und noch nicht weiss,
10 ob es sich in die Sonnenmilch stürzen soll,
die in die Meerenge herabtropft und sie mit Schaum füllt,
sodass das Wasser die Klippen heraufflieht, Odysseus,
und dann schnell mit zerschundenen Knien zurücksinkt;
nur das Mädchen Boje harrt aus und zeigt dem Schiff,
15 obwohl es sie nicht zu brauchen vorgibt, den Weg durch die Riffe. // 13
Doch im Bein- und Flügelzucken der einen,
im surrenden Zaudern der anderen Wespe schaut Platon
– denn ich sitze direkt am Sklavenmarkt, wo man ihn feilhält –
im weissen Schiffwindspiel des attischen Reeders,
20 das seine Wespe durch die Sturmmilch davonträgt,
schaut Platon wie immer die reine Idee an,
und mitten im Feilschen, wenn fern aussen ein Bauer ihm die
Leibhauswandung befühlt,
kostet er nochmals die Tafelgespräche in Syrakus und die
Nachtspaziergänge mit Dion.
Sodass, wenn Amnerikis kommt und ihn freikauft,
25 er traumtaumelnd in den neuen Rolls Royce steigt
und sein „Wunderbar“ nur gibt, weil der andere es ihm mit allen
Mienen entreisst.
Aber schon fast in der Stadt brennt ihn plötzlich das Bild wach,
das bei der Abfahrt ins Auge hereinglitt und nun in der Hirnmitte
ankommt:
Wie die Wespe reglos im Kaffee schwimmt
30 indes die Schwester auf der Flasche, zum langen Leben entschlossen,
davon fliegt.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Details: V. 29: Emendation: Wie Die → Wie die
- Besonderes:
alR Strophenumerierung I-V
Verso: Typoskripte (Die Spinne im Busch, S. 5), durchgestrichen - Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/11_017
- Seite / Blatt: 12, 13
Zu lang setzte sich die Wespe auf dem Rand der Tassenblüte der
Duftversuchung aus,
als dass sie nicht schliesslich hätte darin umkommen,
hinabstürzen und mit Beinen und Flügeln die süsse Kaffenacht
umrühren müssen.
Auf dem Mund der Coca-Colaflasche – die ich eben bestellte,
05 weil ich die schwarze Agonie, worin die sterbende schwimmt,
nicht einmal ansehen kann, ohne dass Zweifel mich quälen: muss
ich sie retten? –
zittert die andere Wespe zwischen Lockung und Warnung:
Gleich wie dem Motorschiff, das ganz allein draussen im gläsernen
Sturm blasiert lustfährt,
hinten das Flugzeug gelb aufhockt und noch nicht weiss,
10 ob es sich in die Sonnenmilch stürzen soll,
die in die Meerenge herabtropft und sie mit Schaum füllt,
sodass das Wasser die Klippen heraufflieht, Odysseus,
und dann schnell mit zerschundenen Knien zurücksinkt;
nur das Bojenmädchen harrt aus und zeigt dem Schiff, // 15
15 obwohl es sie nicht zu brauchen vorgibt, den Weg durch die Riffe.
Doch im Bein- und Flügelzucken der einen,
im surrenden Zittern der anderen Wespe schaut Platon
– denn ich sitze direkt am Sklavenmarkt, wo man ihn feilhält –
im weissen Schiffwindspiel des attischen Reeders,
20 das seine Wespe durch die Sturmmilch davonträgt,
schaut Platon wie immer die reine Idee an;
und mitten im Feilschen, wenn ein Bauer ihm fern aussen die
Leibwandung befühlt,
kostet er nochmals die Tafelgespräche in Syrakus und die
Nachtspaziergänge mit Dion.
Sodass er, wenn Amnikeris kommt und ihn freikauft,
25 traumtaumelnd in den neuen Rolls-Royce steigt
und sein ‚Wunderbar‘ nur gibt, weil der andere es ihm mit allen
Mienen entreisst.
Aber, schon fast in der Stadt, brennt ihn plötzlich das Bild wach,
das bei der Abfahrt ins Auge hereinglitt und nun in der Hirnhalle
ankommt:
Wie die Wespe im Kaffeemeer reglos liegt
30 indes die Schwester, zum langen Leben entschlossen,
sich von der Flasche in die Sonnenmilch wegschwingt.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Besonderes:
alR Strophennumerierung I-V
Verso: Typoskript (Der Engel im Busch (eine Posse), S. 1, 2), durchgestrichen - Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/11_017
- Seite / Blatt: 14, 15
Zu lange setzte sich die Wespe auf dem Tassenrand der Versuchung
des Dufts aus,
als dass sie nicht schliesslich hätte darin umkommen,
hinabstürzen und mit Beinen und Flügeln die Kaffeenacht umrühren
müssen.
Auf dem Mund der Coca-Colaflasche – die ich eben bestellte,
05 weil ich die zuckende Agonie nicht einmal ansehen kann,
ohne auch schon den Zweifel zu trinken: muss ich retten? –
zittert die andere Wespe zwischen Lockung und Warnung.
Gleich wie dem Motorschiff, das ganz allein draussen im gläsernen
Sturm blasiert lustfährt,
hinten das Flugzeug gelb aufhockt und noch nicht weiss,
10 ob es sich in die Sonnenmilch stürzen soll:
in die Meerenge tropft sie herab und füllt sie mit Schaum,
sodass das Wasser die Klippen heraufflieht, Odysseus,
und dann schnell mit zerschundenen Knien zurücksinkt;
nur das Bojenmädchen harrt aus und zeigt dem Schiff,
15 obwohl es sie nicht zu brauchen vorgibt, den Weg durch die Riffe.
Doch im Glieder- und Flügelzucken der einen,
im zitternden Zwiespalt der andern Wespe schaut Platon
– denn ich sitze direkt am Sklavenmarkt wo man ihn feilhält – // 17
im weissen Schiffwindspiel des attischen Reeders,
20 das seine Wespe durch die Sturmmilch davonträgt,
schaut Platon immer die reine Idee an;
und mitten im Feilschen, wenn ein Bauer ihm die Leibwandung
fern aussen befühlt,
kostet er nochmals die Tafelgespräche in Syrakus
und die Nachtspaziergänge mit Dion, unverfaulte Orangen.
25 Sodass, wenn Amnikeris kommt und ihn freikauft,
er traumtaumelnd in den neuen Rolls Royce steigt
und sein ‚Wunderbar‘ nur gibt, weil der andere es ihm mit allen
Mienen entreisst.
Aber schon fast in der Stadt, brennt ihn plötzlich das Bild wach,
das bei der Abfahrt ins Auge hineinglitt und jetzt in der Hirnhalle
ankommt:
30 Wie die Wespe endlich reglos im Kaffee liegt,
indes die Schwester, zum langen Leben entschlossen,
von der Flasche in die Sonnenmilch wegschwimmt.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Besonderes:
(J) Überarbeitung von (H); alR Strophennumerierung I- VI
Verso: Typoskripte (Der Engel im Busch, S. 2, 3), durchgestrichen - Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/11_017
- Seite / Blatt: 16, 17
Zu lange setzte sich die Wespe auf dem Tassenrand der Versuchung
des Dufts aus,
als dass sie nicht schliesslich hätte darin umkommen,
hinabstürzen und mit Beinen und Flügeln die Kaffeenacht umrühren
müssen.
Auf dem Mund der Limonadeflasche – die ich eben bestellte,
05 weil ich die zuckende Agonie nicht einmal ansehen kann,
ohne auch schon den Zweifel, ob ich nicht retten sollte, zu trinken –
zittert die andere Wespe zwischen Lockung und Warnung.
So hockt auch dem Motorschiff, das ganz allein draussen im gläsernen
Sturm blasiert lustfährt,
hinten das Flugzeug gelb auf und weiss noch nicht,
10 ob es sich in die Sonnenmilch stürzen soll:
sie tropft in die Meerenge herab und füllt sie mit Schaum,
sodass das Wasser die Klippen heraufflieht, Odysseus,
und dann schnell mit zerschundenen Knien zurücksinkt;
nur die Bojendame harrt aus und zeigt dem Schiff,
15 obwohl es sie nicht zu brauchen vorgibt, den Weg durch die Riffe.
Doch im Gliederzucken der einen,
im zitternden Zwiespalt der andern Wespe schaut Platon
– denn ich sitze direkt am Sklavenmarkt, wo man ihn feilhält –
im weissen Schiffwindspiel des attischen Reeders,
20 das seine Wespe durch den Sturmschaum davonträgt,
schaut Platon immer die reine Idee an;
und mitten im Feilschen, wenn ein Bauer ihm fern aussen die Leibwand
befühlt, // 18v
kostet er nochmals die Tafelgespräche in Syrakus
und die Nachtspaziergänge mit Dion, unverfaulte Orangen.
25 Sodass, wenn Amnikeris kommt und ihn freikauft,
er traumtaumelnd in den neuen Rolls Royce steigt
und sein 'Wunderbar' nur gibt, weil der Freund es ihm mit allen Mienen
entreisst.
Aber schon fast in der Stadt, brennt ihn plötzlich das Bild wach,
das ihm bei der Abfahrt ins Auge hereinglitt und jetzt in der Hirnhalle
ankommt:
30 Wie die Wespe reglos im Kaffee liegt,
indes die Schwester, zum langen Leben entschlossen,
vom Mund der Flasche in die Sonnenmilch wegschwimmt.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Besonderes: Typoskript mit Korreturen; Tag und Monat von Hand ergänzt
- Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: A-5-c/11_017
- Seite / Blatt: 18r/v
Die Pappel im Fenster weicht vor dem Vorhang, der ihr nachfolgt.
Und das Auge sucht vom Bett aus die Partitur des Ballets zu erraten.
Das offene Auge im Bett sendet das Flugzeug, seinen Drachen, und
hält ihn fest an der Leine seiner Wünsche:
damit es dem Freund wirft sein Dröhnen für einen Augenblick
morgens um ein Uhr in den Schlaf.
05 Nur der eine kam ganz nahe heran in Cinemascope und träufelte den
Honig seines Blicks vom Riesenrad herab auf den Rummelplatz in
Millionen offene Augen.
Sie schickten es nach Paso Robles, um es nicht mehr so nahe zu
sehen,
und vergassen, dass Achilleus überall hinkommt und überall findet
sein Troja,
auch wenn man am Bahnhof die Tafel übermalt mit Paso Robles.
Der Honig tropft hin in den heissen Saft, süsst den Saft dieser
ausgepressten Rebe,
10 die Trümmer des Wagens rauchen bei Paso Robles, man braucht vor
Troja keinen Holzstoss mehr zu richten.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Besonderes:
Stropheneinteilung unsicher
Verso: Typoskript (Sebastian Franck, S. 130) - Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/11_018
- Seite / Blatt: 01
Die Pappel im Fenster weicht vor dem Vorhang, der ihr nachfolgt.
Und das Auge sucht vom Bett aus die Partitur dieses Ballets zu erraten.
Das offene Auge sendet vom Bett aus das Flugzeug, seinen Drachen,
und hält ihn an der Leine seiner Wünsche fest,
damit es dem Freund für einen Augenblick morgens um ein Uhr mit
seinem Dröhnen das farbige Paket der Erinnerung in den
Schlaf wirft.
05 Näher als Pappel und Vorhang und Drachen und Schläfer kam der
eine heran in Cinemascope
und träufelte den Honig seines Blicks vom Riesenrad herab in
Millionen offene Augen.
Sie liessen ihn nach Paso Robles, um ihn nicht mehr so nahe zu sehen.
Und richtig: Achilleus findet immer und überall sein Troja,
auch wenn man an der Autobahn die Tafel mit Paso Robles übermalt
hat.
10 Der Honig tropft wieder in den ausgepressten Saft der immer neu
wachsenden Traube.
Die Trümmer des Wagens rauchen, es stinkt von verbranntem
Gummi;
man braucht keinen Holzstoss mehr zu errichten vor Troja.
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Besonderes:
Strophenunterteilung unsicher
Verso: Typoskript (Sebastian Franck, S. 131) - Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/11_018
- Seite / Blatt: 02