Dienstag, 22 November 1955

Die Perle (C)

Ich kann doch das Mädchen,
das im grasgrünen Pijama am Haustor auf den Postboten 
wartet und gähnt, 
nicht fragen –
ich kann doch den Pförtner, 
05 der in seinem Verschlag Tischlampen lötet
und mir die Zeitung herausreicht, 
nicht fragen: 
ob sie die Perle gesehen hätten, 
die ich beim Erwachen heute früh in der Hand hielt 
und die mir sogar das Rasieren erträglich und das Ankleiden 
leicht gemacht hatte

10 Ich kann sie nicht nach der Perle fragen: 
irgendwo fiel sie hinab, 
zum Beispiel vielleicht, im Gespräch mit der Fürsorgerin, 
unter das Bild und die Karteikarte des Mathematikstudenten, 
der Musik macht und von der Strudlhofgasse in Wien kommt, 
15 vielleicht fiel sie dort in ein Kanalloch hinab, 
bis dort, wo ich allein, höchstens, sie finde, 
wenn ich mein Pflaster ganz aufkratze und hinabklettere 
in die Abwasserkanäle. // 06

Den Kopf würden das Mädchen und der Pförtner und die 
Fürsorgerin schütteln, 
wenn ich sie plötzlich nach einer Perle fragte, 
20 die mir beim Erwachen heute früh in der Hand lag: 
Sie war mir wohl von der Muschel, als die Ebbe sie wegtrug, 
geblieben.


Blatt 05 (A-5-c_11_207.jpg)

C Die Perle

I Ich kann doch das Mädchen,

das im grasgrünen Pijama am Haustor gähnt auf den Postboten

wartet und gähnt,

nicht fragen –

ich kann doch den Pförtner,

05 der in der Telefonzentrale seinem Verschlag Tischlampen lötet

und mir die Zeitung herausreicht,

nicht fragen:

ob sie die Perle gesehen hätten,

die ich heute früh beim Erwachen heute früh in der Hand hielt

und die mir sogar das Rasieren erträglich und das Ankleiden

leicht gemacht hatte

10 II Ich kann sie nicht nach der Perle fragen:

irgendwo fiel sie hinab,

zum Beispiel vielleicht, im Gespräch mit der Fürsorgerin, unter das

unter das Bild und die Karteikarte des Mathematikstudenten,

der Musik macht und von der Strudlhofgasse in Wien kommt,

15 vielleicht fiel sie in das dort in ein Kanalloch hinab,

bis dort, wo ich allein, höchstens, sie finde,

wenn ich mein Pflaster ganz aufkratze und hinabklettere

in mdie
in meine Abwasserkanäle. //

Blatt 06 (A-5-c_11_208.jpg)

C Die Perle 2

III Den Kopf würden das Mädchen und der Pförtner und die Fürsorgerin

schütteln,

wenn ich sie plötzlich nach einer Perle fragte,

20 die mir beim Erwachen heute früh in der Hand lag:

Sie war mir wohl von der Muschel, als die Ebbe sie wegtrug, geblieben.

22.11.55

 

  • Besonderes:

    alR Strophennumerierung I-III
    Verso: Typoskripte↑ (Sebastian Franck, S. 39, 38)

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/11_024
  • Seite / Blatt: 05, 06

Inhalt: 135 Manuskripte und 21 Typoskripte zu 24 Gedichten (keine Endfassung)
Datierung: 14.11.1954 – 21.11.1955
Textträger: 200 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Dissertation und Gedichttyposkripten
Umfang: 25 Dossiers, 213 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (12 Gedichte), GEDICHTE (1 Gedicht), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-c/11 (Schachtel 36)
Herkunft: Nr. 1-15: braune Mappe EG 55 I; Nr. 16-25: rote Mappe EG 55 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

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