Samstag, 17 Dezember 1955

Das inwendige Licht (Variationen über ein Thema von Leibniz) (G)

"Das inwendige Licht, das Gott selbst in uns anzündet,
kann durch die sinnliche Erfahrung der Welt geweckt werden", 
geweckt durch den Lampenladen an der Geschäftsstrasse der Vorstadt, 
der mir schon von weitem entgegenbleckt auf den Weg durch die Gärten: 
05 diese grellste Goldfüllung in der Reihe der vielen, 
die ins Gebiss aus altmodischen Villen unten eingesetzt sind, 
vermag das summende Bienenkorblicht der alten Gaslampe zu wecken. 

Das hindert mich nicht, die Verkäuferin anzubrummen, 
weil sie mir keine hohen roten Schirme für meine Wandlampe verkaufen kann, 
10 sondern nur niedrige aus gelbem Oelpapier mit grünen Zierstreifen und 
Goldrand, 
wie sie nachgerade auch Hinz und Kunz haben. 

Ihre Entschuldigung erstickt unter der Donnerlawine der Hochbahn, 
die mich, wäre es nicht schon sechs Uhr, ins Zentrum brächte, 
wo man alle Arten von Schirmen findet, 
15 sogar solche, aus denen das inwendige Licht durch wohlverteilte Sternlöcher 
leuchtet

Dafür zertrümmert mein Löffel, 
wenn ich resigniert im Bahnhofbuffet die Milch umrühre, 
aus Versehen zugleich mit der Haut das Glasdach des Bahnsteigs, 
wo eben Tamino von den Treppen und aus den Pissoirs die Katzen 
20 und die Hunde mit ihren blinden Greisen anlockt 
und mit den Funken der Flöte allen ihr inwendig dösendes Licht weckt.


Blatt 15 (A-5-c_11_186.jpg)

G Das inwendige Licht (Variationen über ein Thema von Leibniz)

"Das inwendige Licht, das Gott selbst in uns anzündet,

kann durch die sinnliche Erfahrung der Welt geweckt werden",

geweckt durch den Lampenladenan r Geschäftsstrasse der Vorstadt
geweckt durch den Lampenladen   der  Vorstadtstrasse,

der mir schon von weitem ↔ auf den Weg durch die Gärten ↑entgegenbleckt↑:

05 diese grellste Goldfüllung in der Reihe der vielen,

die unten ins Gebiss aus altmodischen Villen unten eingesetzt sind,

vermag das summende Bienenkorblicht der alten Gaslampe zu wecken. 

Das hindert mich nicht, die Verkäuferin anzubrummen,

weil sie mir keine hohen roten Schirme für meine Wandlampe ver-

kaufen kann,

10 sondern nur niedrige aus gelbem Oelpapier mit grünen Zierstreifen

und Goldrand,

wie sie nachgerade auch Hinz und Kunz haben. 

Ihre Entschuldigung erstickt unter der Donnerlawine der Hochbahn,

die mich, wäre es nicht schon sechs Uhr, ins Zentrum brächte,

wo man alle Arten von Schirmenfindet findet,

15 sogar solche, aus denen das inwendige Lichtx durch wohlverteilte

Sternlöcher leuchtet

Dafür zertrümmert mein Löffel,

wenn ich resigniert im Bahnhofbuffet die Milch umrühre,

↔ zugleich mit der Haut ↑aus Versehen↑ das Glasdach des Bahnsteigs,

wp eben Tamino von den Treppen und aus den Pissoir  die
wo eben Tamino von den Treppen und aus den Pissoirs  Katzen

und die
20 und   Hunde mit ihren blinden Greisen anlockt

und mit den Funken der Flöte allen ihr inwendig dösendes Licht

weckt.

17.12.55

 

  • Besonderes:

    Typoskript mit Bleistiftkorrekturen; Datum mit Bleistift eingefügt

  • Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: A-5-c/11_021
  • Seite / Blatt: 15

Inhalt: 135 Manuskripte und 21 Typoskripte zu 24 Gedichten (keine Endfassung)
Datierung: 14.11.1954 – 21.11.1955
Textträger: 200 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Dissertation und Gedichttyposkripten
Umfang: 25 Dossiers, 213 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (12 Gedichte), GEDICHTE (1 Gedicht), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-c/11 (Schachtel 36)
Herkunft: Nr. 1-15: braune Mappe EG 55 I; Nr. 16-25: rote Mappe EG 55 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

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