Donnerstag, 19 Mai 1955

Der Fürst zieht sich, nach dem Tod seiner Gattin, für einige Wochen in ein Kloster zurück (C)

Wenn er die Orange zerschneidet,
achtet er drauf, dass ihm der Saft
nicht den weissen Kragen und die Manschetten, 
die er zwar jeden Tag wechselt, bespritzt. 

05 Denn er ist nervöser als sonst schon: 
weil er die Stadt so plötzlich verlassen 
musste und in dieses Kloster herausziehn, 
wo es nur Mönche gibt, die mit Blicken 
seine Seele zu retten versuchen. 

10 Aber das ist doch besser, 
als in dem feuchten 
Palast zu bleiben und sich 
wie Pastetenfleisch immer von neuem 
von der Tunke des Jammers von fünfzig 
15 Frauen übergiessen und ganz 
durchtränken zu lassen. 

Hier wenigstens ist es trocken, 
und niemand verlangt von ihm Trauer 
um das Mädchen, das er 
20 nur wenig und förmlich gekannt hat 
(im Bett braucht man, gottseidank, nicht zu sprechen). // 04
Hier kann er zusehen, wie man, 
nachdem die Sonne hinter baumlos 
starren Wogen unterging, das einzige
25 Rosenbeet mitten im Gemüseplatz 
giesst und kann dann, damit man 
sein Gähnen nicht sieht, hineingehn 
und genau drauf achten, dass er beim Zerschneiden 
der Orange nicht bespritzt den weissen 
30 Kragen und die Manschetten, die er 
zwar jeden Tag wechselt.


Blatt 03 (A-5-c_11_081.jpg)

C Der Fürst zieht sich, nach dem Tod seiner Gattin,
für einige Wochen in ein Kloster zurück

Wenn er die Orange zerschneidet,

achtet er drauf, dass ihm der Saft

nicht den weissen Kragen und die Manschetten,

die er zwar jeden Tag wechselt, bespritzt. 

Denn
05 Aber er ist nervöser als sonst schon:

weil er die Stadt so plötzlich verlassen

musste und in dieses Kloster herausziehn,

wo es nur Mönche gibt, die mit Blicken

sein Leben zu besser seine Seele zu retten versuchen. 

10 Aber das ist doch besser,

als in dem feuchten

Palast zu bleiben und sich

wie Pastetenfleisch immer von neuem

von der Tunke des Jammers von fünfzig

15 Frauen übergiessen und ganz

durchtränken zu
durchdringen zu lassen. 

Hier wenigstens ist es trocken,

und niemand verlangt von ihm Trauer

um das Mädchen, das er nur wenig und

20 nur wenig und förmlich gekannt hat

(im Bett braucht man, gottseidank, nicht zu sprechen). //

Blatt 04 (A-5-c_11_082.jpg)

C Der Fürst zieht sich nach dem Tod seiner Gattin zurück  2

Hier kann er zusehen, wie man,

nachdem die Sonne hinter denstarren
nachdem die Sonne hinter den  Wogen baumlos starren

den baumlosen starren Wogen unterging, das einzige

25 Rosenbeet mitten im Gemüseplatz

giesst und kann dann, damit man

sein Gähnen nicht sieht, hineingehn

und genau drauf achten, da dassl er
und genau drauf achten, da dass man beim Zerschneiden

der Orangenicht bespritzt
der Orange  den weissen

30 Kragen und die Manschetten, die er

zwar jeden Tag wechselt.

19.5.55

 

  • Besonderes:

    Verso: Typoskripte↑ (Sebastian Franck, S. 139)

  • Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/11_009
  • Seite / Blatt: 03, 04

Inhalt: 135 Manuskripte und 21 Typoskripte zu 24 Gedichten (keine Endfassung)
Datierung: 14.11.1954 – 21.11.1955
Textträger: 200 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Dissertation und Gedichttyposkripten
Umfang: 25 Dossiers, 213 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (12 Gedichte), GEDICHTE (1 Gedicht), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-c/11 (Schachtel 36)
Herkunft: Nr. 1-15: braune Mappe EG 55 I; Nr. 16-25: rote Mappe EG 55 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

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