Freitag, 15 Juli 1955

Requiem (M)

Das Mädchen sitzt neben den Schwestern auf dem Sofa und schiebt
die Gardinen vom Fenster zurück
und sieht das Schiff auf dem See, das immer wächst, bis es anlegt, 

und sieht sich selbst, die Frau, die auf den Steg tritt, 
wo einer ihr winkt und sie hart an der Hand fasst: 
05 "Nein" schreit sie lippenlos, tonlos und risse den Knaben mit 
sich zurück, 
wenn er ihr nicht ans Ufer entwischte. 

So flüchtet sie allein in die Kabine und schaut nicht hin auf 
den Spitz, 
der vor ihr das Männchen macht und sich, weil man die Brücke 
wegzieht, ohne dass sie ihm ihr Lächeln zuwarf, 
verärgert fallen lässt und der Prozession in die Kirche nach-
läuft und der Orgel ins Tantum Ergo hineinbellt. 

10 Lieber fährt sie allein tiefer ins Gebirg; 
und das Auge im Fenster folgt dem Dampfer zugleich mit dem Auge 
des Knaben 
vom Getümmel des Kais zur Enge, wo sich die Felsen fast berühren 
und wo die Kellner ein Sonnendach übers Deck spannen, für die Dame, 
die einzig von der Sommergesellschaft noch da ist: 
15 Für den Fall, dass sie zur Teezeit herauskommt.


Blatt 01 (A-5-c_11_064.jpg)

 M Requiem

Das Mädchen sitzt neben den Schwestern auf dem Sofa und schiebt

die Gardinen vom Fenster zurück

und sieht das Schiff auf dem See, das immer wächst, bis es anlegt, 

und sieht sich selbst, die Frau, die auf den Steg tritt,

wo einer ihr winkt und sie hart an der Hand fasst:

05 "Nein" schreit sie lippenlos, tonlos und risse den Knaben mit

sich zurück,

wenn er ihr nicht ans Ufer entwischte. 

So flüchtet sie allein in die Kabine und schaut nicht hin auf

den Spitz,

der vor ihr das Männchen macht und sich, weil 
der vor ihr das Männchen macht und sich, wie man die Brücke

weg zieht, ohne dass sie ihm (sein
zurückzieht, ohne dass sie ihm ihr

Stück Zucker)
Lächeln zuwarf,

verärgert fallen lässt und der Prozession in die Kirche nach-

läuft und der Orgel ins Tantum Ergo hinein-

bellt. 

10 Lieber fährt sie allein tiefer ins Gebirg;

und das Auge im Fenster dem Dampfer
und das Auge im Fenster folgt     zugleich mit dem Auge des Knaben

dem Dampfer

vom Getümmel des Kais zur Enge, wo sich die Felsen fast berühren

und wo die Kellner ein Sonnendach übers Deck spannen, für die Dame,

dieeinzig
die  einzig von der Sommergesellschaft einzig noch da ist:

15 Für den Fall, dass sie zur Teezeit herauskommt.

15. 7. 1955

 

  • Details:

    V. 08 ihr Lächeln] ihr Stück Zucker (Alternativ-Variante)
    V. 14 Umstellung: von der ↔ Sommergesellschaft ↑einzig↑, wieder aufgehoben

  • Besonderes:

    Typoskript mit Sofort- und nachträglichen Korrekturen, datiert: 1955, Monat und Tag getilgt

  • Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: A-5-c/11_007
  • Seite / Blatt: 18

Inhalt: 135 Manuskripte und 21 Typoskripte zu 24 Gedichten (keine Endfassung)
Datierung: 14.11.1954 – 21.11.1955
Textträger: 200 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Dissertation und Gedichttyposkripten
Umfang: 25 Dossiers, 213 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (12 Gedichte), GEDICHTE (1 Gedicht), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-c/11 (Schachtel 36)
Herkunft: Nr. 1-15: braune Mappe EG 55 I; Nr. 16-25: rote Mappe EG 55 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

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