Entstanden: 10. Dezember 1955

Ich kann doch das Mädchen,
das im grasgrünen Pijama am Haustor auf den Postboten wartet
und gähnt,
nicht fragen –
ich kann doch den Pförtner, 
05 der in seinem Verschlag Tischlampen lötet und mir die Zeitung 
herausreicht, 
nicht fragen: 
ob sie die Perle gesehen hätten, 
die ich beim Erwachen heute früh in der Hand hielt. 

Ich kann sie nicht fragen: 
10 irgendwo fiel die Perle hinab, 
zum Beispiel im Gespräch mit der Fürsorgerin 
unter das Bild und die Karteikarte des Mathematikstudenten, 
der Cello spielt und von der Strudlhofgasse in Wien kommt; 
vielleicht fiel sie dort in ein Kanalloch, 
15 bis hinab, wo ich allein, höchstens, sie finde, 
wenn ich das Pflaster aufkratze und tief in die Abwasserkanäle 
[tief] krieche: 

Den Kopf würden das Mädchen und der Pförtner und die 
Fürsorgerin schütteln, 
wenn ich sie plötzlich nach einer Perle fragte, 
die mir beim Erwachen heute früh in der Hand lag: 
20 Sie war mir von der Muschel, die die Ebbe wegtrug, geblieben.

Infos
  • Besonderes: alR Strophennumerierung I - III
    Verso: Typoskript (Der Engel im Busch, S. 10), durchgestrichen
  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: vollständig
  • Fassung: Zwischenfassung
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/11_024
  • Seite / Blatt: 07