Als ein Handleser von der Galleria Colonna ihm sagte,
er käme durch einen Autounfall ums Leben,
machte er sich, damals vor Jahren, nicht viel daraus.
Erst heute zieht die Angstschlucht sein Auge,
05 das er, wie alle, immer an die Gräser und Schnecken des Hangs
angestrengt heftet, überstark in die Tiefe.
Jetzt, wo seine Mutter ächzend liegt auf den Tod,
fing er zuerst an zu glauben, die Tuberkulose, die inherhalb
eines Jahres
10 mehrere seiner Bekannten ergriff, besässe auch ihn schon.
Fiebrig, mit dunklen Ringen unter den Augen,
schloss er schon resigniert ab mit seinem Leben,
an das er sich eben erst mühsam angefangen hatte zu gewöhnen.
Doch der Arzt, zu dem er ging als zu einem Richter, der ein
längst
15 bekanntes Urteil bestätigt, der Form zu genügen,
erklärte ihn für gänzlich gesund.
Und seither muss er immer, wenn seine Mutter stöhnt in der
Nacht,
weil ihr Herzvogel, wild flatternd, ihr den Atem verschlägt,
an den Handleser denken von der Galleria Colonna, der ihm
sagte
20vor Jahren, er käme durch einen Autounfall ums Leben:
es wäre dies vielleicht nicht das Schlimmste.
Der Handleser (C)
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1955
- Besonderes: Verso: Typoskript (Beim Anzünden der Zigarette), durchgestrichen, datiert 21.11.54
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/11_015
- Seite / Blatt: 03

C Der Handleser
Als ein Handleser von der PiazzaGalleria Colonna ihm sagte,
er käme durch einen Autounfall ums Leben,
machte er sich nicht viel daraus, damals vor Jahren, nicht viel daraus.
Erst heute zieht die Angstschlucht sein Auge,
05 das er immer, wie alle, immer an die Gräser und Schnecken des Hangs
angestrengt heftet, überstark in die Tiefe.
Jetzt, wo seine Mutter ächzend liegt auf den Tod,
fing er zuerst an zu glauben, die schwere Krankheit Tuberkulose, die
innerhalb eines Jahres
10 mehrere seiner Bekannten ergriff, besässe auch ihn schon.
Fiebrig, mit dunklen Ringen unter den Augen,
schloss er schon resigniert ab mit seinem Leben,
an das er erst¿ sich eben erst mühsam angefangen hatte zu gewöhnen.
Doch der Arzt, zu dem er ging als zu einem Richter, der ein längst
15 bekanntes Urteil bestätigt, der Form zu genügen,
erklärte ihn für gänzlich gesund.
Und seither muss er immer, wenn seine Mutter stöhnt in der Nacht,
weil ihr Herzvogel , wild seine die Flügel schlägt schlagend
flatternd, ihr den|Atem verschlägt,
an den Handleser denken von der Galleria Colonna, der ihm sagte
20vor Jahren, er käme durch einen Autounfall ums Leben:
es wäre dies vielleicht nicht das Schlimmste.
8.1.55
Inhalt: 135 Manuskripte und 21 Typoskripte zu 24 Gedichten (keine Endfassung)
Datierung: 14.11.1954 – 21.11.1955
Textträger: 200 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Dissertation und Gedichttyposkripten
Umfang: 25 Dossiers, 213 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (12 Gedichte), GEDICHTE (1 Gedicht), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-c/11 (Schachtel 36)
Herkunft: Nr. 1-15: braune Mappe EG 55 I; Nr. 16-25: rote Mappe EG 55 II
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften