Entstanden: 04. Mai 1955

Wenn er die Orange zerschneidet,
achtet er drauf, dass ihm der Saft
nicht den weissen Kragen bespritzt, 
den er zwar jeden Tag wechselt. 

05 Aber er ist nervöser als sonst: 
weil er die Stadt plötzlich verliess 
und herauszog in dieses Kloster, wo es 
nur Mönche gibt, die mit Blicken 
sein Leben zu bessern versuchen. 

10 Aber das ist doch noch besser, 
als in dem feuchten 
Palast zu bleiben und sich 
wie Pastetenfleisch immer von neuem 
von der Tunke des Jammers von fünfzig 
15 Frauen übergiessen und ganz 
durchdringen zu lassen. 

Hier wenigstens ist es trocken, 
und niemand verlangt von ihm Trauer 
um ein Mädchen, das er 
20 nur wenig und förmlich gekannt hat 
(im Bett braucht man, Gott sei dank, nicht zu sprechen) // 02v
Hier kann er zusehn, wie man, 
nachdem die Sonne unterging hinter den Wogen 
des erstarrten Meers, das einzige Beet 
25 mit Rosen mitten im Gemüseplatz giesst 
und kann dann, 
damit man sein Gähnen nicht sieht, 
hineingehn und genau drauf 
achten, dass er beim Zerschneiden 
30 der Orange den weissen 
Kragen, den er zwar jeden Tag wechselt, 
nicht bespritzt mit dem Saft.

Infos
  • Besonderes: Verso: gestrichenes Lorca-Zitat: Und wer in den Schlaf sich stürzen will …
  • Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
  • Textart: Verse
  • Datierung: vollständig
  • Fassung: Zwischenfassung
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/11_009
  • Seite / Blatt: 02r/v