Sonntag, 26 September 1954

Raupe und Schmetterling (E)

Den glänzenden Falter 
trägt ganz innen die unscheinbare Raupe,
die Nonne, wenn sie, nachdem sie lang in der Vorhalle gewartet 
und endlich, als auf dem Platz es zu dämmern beginnt, 
05 vorbei an den Polizisten, die in Gruppen zu vier die Drängenden 
ordnen, 
eindringt in die Kirche, 
das Herz, dessen Riesengewölb hinter Simsen verborgne 
Lampen erleuchten;

wenn, in der reglosen Hitze nur von der Mitdrängenden 
10 dunkel stockigem Blutstrom aufrecht gehalten 
nun endlich sie fängt im über 
den Kopf emporgehaltnen kleinen 
Spiegel – darin nie oder nur mit schlechtem 
Gewissen sich selbst sie erblickte – 
15 auf den weissen Greis weit vorn auf dem Thron 
(man hat alle Fenster geschlossen, damit er sich nicht erkälte), 
der französisch anspricht die Menge, 
jubelt sie „wie schön er doch ist“ und 
trägt, Raupe den Falter, ihn dann hinaus auf die Strasse, 
20 blind für die Reihen jetzt lichter Laternen, // 10
für den hoch im Wechsel hellen, im Wechsel erloschnen 
Ring um die Silhouette des Mailänder Doms, 
der wirbt für Süsswaren „Motta“:

trägt für immer, die unscheinbare 
25 Raupe, ganz innen ihn schauend, bis dass sie 
selber, eines sicheren Tags, 
selber ein glänzender Falter.


Blatt 09 (A-5-c_08_252.jpg)

E Raupe und Schmetterling

Den weissen glänzenden Falter

trägt ganz innen die unscheinbare Raupe,

die Nonne, wenn sie, nachdem sie lang in der Vorhalle gewartet

und endlich, als auf dem Platz es zu dämmern
und endlich, als auf dem Platz es zu dunkeln beginnt,

05 vorbei an den Polizisten, die in Gruppen zu vier die Drängenden

ordnen,

mit all dem dunkel stockigen Blut eindringt
mit all dem dunkel stockigen Blut einströmt in das Herz, die Kirche,

dieas riesigeKHerz
dieas riesige Kirche, derssen Riesengewölb hinter Simsen verborgne

Lampen erleuchten:;

wenn sie, nur gehalten aufrecht gehalten in der reglosen Hitze von den Mitdrängen nur x
\ von der Mitdrängenden

10 wenn sie,nur gehalten aufrecht gehalten dunkel stockigem Blutstrom aufrecht gehalten
wenn sie , nun endlich fängt in ohnmächtig fast in der reglosen Hitze,

der heiss lastenden Luft

Hitze nun endlichsie
Hitze
nun endlich  fängt im über

den Kopf emporgehaltnen kleinen

Spiegel – darin nie oder nur mit schlechtem

Gewissen sich sieelbst sie erblickte –

15 auf den weissen Greis weit vorn auf dem Thron,

(man hatte alle Fenster geschlossen, damit er sich nicht erkälte),

der französisch anspricht die Menge,

jubelt sie „wie schön er doch ist“ und

trägt, Raupe den Falter, ihn dann hinaufs auf die Strasse,

20 blind für die Reihen jetzt lichter Laternen, //

Blatt 10 (A-5-c_08_253.jpg)

E Raupe und Schmetterling 2

für den hoch im Wechsel hellen, im Wechsel erloschnen

Ring um die Silhouette des Mailänder Doms,

der wirbt für Süsswaren „Motta“:

trägt für immer, die unscheinbare

25 Raupe, ganz innen ihn schauend, bis dass sie,

selber, eines sicheren Tags, selber,

selber gewselber ein
selber geworden zum glänzendenr Falter selber geworden.

26.9.54

  • Details:

    V. 09/10 ev. nur eine Verszeile

  • Besonderes:

    Verso: Typoskripte↑ (Sebastian Franck, S. 78, 77)

  • Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/08_035
  • Seite / Blatt: 09, 10

Inhalt: 205 Manuskripte und 25 Typoskripte zu 33 Gedichten (3 Endfassungen)
Datierung: 1.1.1954 – 27.12.1954
Textträger: 271 Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 36 Dossiers, 270 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (15 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: A-5-c/08 (Schachtel 35)
Herkunft: Mappe EG 54 I, EG 54 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

Weitere Fassungen

Manuskripte 1954 (alph.)
(Total: 230 )
Manuskripte 1954 (Folge)
(Total: 230 )