Samstag, 25 September 1954

Raupe und Schmetterling (D)

Den weissen glänzenden Falter 
trägt ganz innen die unscheinbare Raupe,
die Nonne, wenn sie<,> nachdem sie lang in der Vorhalle gewartet 
und endlich, wie auf dem Platz es zu dunkeln beginnt, 
05 vorbei an den Polizisten, die in Gruppen zu vier die
Drängenden ordnen, 
mit all dem dunkel stockigen Blut einströmt ins Herz, 
die riesige Kirche, deren Gewölb hinter Simsen verborgne 
Lampen erleuchten: 
wenn sie nun endlich fängt im 
10 über den Kopf emporgehaltnen 
kleinen Spiegel – darin nie oder nur mit schlechtem 
Gewissen sich selbst sie erblickte – 
auf den weissen Greis weit vorn auf dem Thron, 
ohnmächtig beinah in der heiss lastenden Luft 
15 (man hatte alle Fenster geschlossen, damit er sich nicht erkälte), 
jubelt sie „wie schön er doch ist“ und 
trägt, Raupe den Falter<,> ihn dann hinaus auf die Strasse, 
blind für die Reihen jetzt lichter Laternen, 
für den hoch im Wechsel hellen, im Wechsel erloschnen 
20 Ring um die Silhouette des Mailände Doms, // 08
der wirbt für Süsswaren „Motta“;

trägt für immer, die unscheinbare
Raupe, ganz innen innig ihn schauend, bis dass sie 
eines sicheren Tages selber, ist 
25 selber weisser, glänzender Falter.


Blatt 07 (A-5-c_08_250.jpg)

D Raupe und Schmetterling

Den weissen glänzenden Falter

trägt die unscheinbare Raupe ganz innen
trägt ganz innen die unscheinbare Raupe,

die Nonne,wenn sie
die Nonne,  nachdem sie lang in der Vorhalle gewartet

und endlich, wie auf dem Platz es zu dunkeln beginnt,

05 vorbei an den Polizisten, die in Gruppen zu vier die Drängenden

ordnen,

mit all dem
  dunkel stockigesn Blut einströmt ins Herz, die

die riesige Kirche, deren Gewölb hinter Simsen verborgenene

Lampen erleuchten:

wenn sie nun endlich im über fängt im

10 über den Kopf emporgehaltnen kleinen Spiegel

kleinen Spiegel – darin nie oder nur mit schlechtem

Gewissen sich selbst sie erblickte –

auf den weissen Greis weit vorn auf dem Thron,

ohnmächtig beinah in der heiss stick glühenden
ohnmächtig beihna in der heiss lastenden Luft

15 (man hatte alle Fenster geschlossen, damit er sich nicht erkälte),

jubelt sie „wie schön er doch ist“ und

trägt, Raupe den Falter ihn dann hinaus auf die Strasse,

blind für die Reihen jetzt lichter Laternen,

für den hoch im Wechsel hellen, im Wechsel erloschnen
für den hoch im Wechsel hellen, im Wechsel verschwundnen

20 Ring um die Silhouette des Mailände Doms, //

Blatt 08 (A-5-c_08_251.jpg)

D Raupe und Schmetterling 2

der wirbt für Süsswaren „Motta“;

trägt jetzt für immer, die unscheinbare

Raupe, ganz innen innig ihn schauend, bis dass sie

bis dass sie eines T sicheren Tages wird selber, ist

25 selber ist weisser, glänzender Falter.

25.9.54

  • Besonderes:

    Verso: Typoskripte↑ (Sebastian Franck, S. 80, 79)

  • Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/08_035
  • Seite / Blatt: 07, 08

Inhalt: 205 Manuskripte und 25 Typoskripte zu 33 Gedichten (3 Endfassungen)
Datierung: 1.1.1954 – 27.12.1954
Textträger: 271 Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 36 Dossiers, 270 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (15 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: A-5-c/08 (Schachtel 35)
Herkunft: Mappe EG 54 I, EG 54 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

Weitere Fassungen

Manuskripte 1954 (alph.)
(Total: 230 )
Manuskripte 1954 (Folge)
(Total: 230 )