Samstag, 16 Oktober 1954

Einfall (C)

Auch ich hätte Kaiser von Japan werden können,
ich hätte – endlich – ein sicheres Einkommen gehabt, 
und meine Liebe zum Prunk, zu aristokratischen Formen, 
wie man häufig, sagt man, bei Bürgern von Republiken sie findet, 
05 wäre voll auf ihre Rechnung gekommen. 
Auch hätte mich ganz einfach die Macht über so viele gelockt, 
die Möglichkeit zu edlen und rühmlichen Entschlüssen. – 

Ich hätte Kaiser von Japan werden können, warum nicht? 
Aber die Vorstellung, auf einmal in Bilderschrift schreiben zu müssen 
10 (die, wenn ich recht verstehe, den Gedanken und das Bild, 
nicht den Sprachlaut festhält, so abstrakt ist sie), 
widerstrebte meiner Trägheit, 
der Wechsel all meiner Lebensgewohnheiten und 
die Angst vor dem Unberechenbaren, ganz Fremden. 

15 Und dazu die Pflichten der Repräsentation: 
die mir verböten, vielleicht, 
hinüberzusehn, wie jetzt eben, in den Spiegel, worin 
die rote Wand der Garage von jenseits der Strasse 
nicht vermag den Regentag zu erhellen und die 
20 Sonnenstore, die man offenbar hochzuziehen vergass, 
nun düster über die Scheiben herabhängt // 06
und trieft, eine tiefe Wiederholung der Wolken. 

Die dort hinüberzusehn mir verböten vielleicht: 
darum vor allem, 
25 zog ich schliesslich es vor, nicht Kaiser von Japan zu werden.


Blatt 05 (A-5-c_08_220.jpg)

C Einfall

I Auch ich hätte Kaiser von Japan werden können,

ich hätte – endlich – ein sicheres Einkommen gehabt,

und meine Liebe zum Prunk, zu aristokratischen Formen,

wie man häufig, sagt man, bei Bürgern von Republiken sie findet,

05 wäre voll auf ihre Rechnung gekommen.

Auch hätte mich ganz einfach die Macht über so viele gelockt,

die Möglichkeit zu edlen und rühmlichen Entschlüssen. – 

II Ich hätte Kaiser von Japan werden können, warum nicht?

Aber die Reise bis dorthin war mir zu weit,

die Vorstellung,

Aber die Vorstellung, auf einmal in Bilderschrift schreiben zu müssen

10 (die, wenn ich recht verstehe, den Gedanken und das Bild,

nicht den Sprachlaut festhält, so abstrakt ist sie),

meine Angst vor dem Unberechenbaren, ganz Fremden

meine Angst vor dem Unberechenbaren, ganz Fremden

widerstrebte meiner Trägheit

der Wechsel all meiner Lebensgewohnheiten, und

die Angst vor dem Unberechenbaren, ganz Fremden. 

15 III Und dazu die Pflichten der Repräsentation:

die mir verböten, vielleicht,

hinüberzusehn, wie jetzt eben, in den Spiegel, worin

die rote Wand der Garage von jenseits der Strasse

nicht vermag den Regentag zu erhellen und die

20 Sonnenstore, die man offenbar hochzuziehen vergass,

nun dunkel und düster über die Scheiben herabhängt //

Blatt 06 (A-5-c_08_221.jpg)

C Einfall 2

und trieft, eine tiefe Wiederholung der Wolken:.

IV Die dort hinüberzusehn mir verböten vielleicht:

darum vor allem,

25 zog|ich schliesslich es vor, nicht Kaiser von Japan zu werden.

16.10.54

 

  • Besonderes:

    Strophen mit römischen Ziffern bezeichnet
    Verso: Typoskripte↑ (Sebastian Franck, S. 121, 120)

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/08_031
  • Seite / Blatt: 05, 06

Inhalt: 205 Manuskripte und 25 Typoskripte zu 33 Gedichten (3 Endfassungen)
Datierung: 1.1.1954 – 27.12.1954
Textträger: 271 Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 36 Dossiers, 270 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (15 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: A-5-c/08 (Schachtel 35)
Herkunft: Mappe EG 54 I, EG 54 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

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