Manuskripte 1948-51

Inhalt: 430 Manuskripte zu 151 Gedichten (50 Endfassungen)
Datierung: Mai 1948 – 4. 3.1951
Textträger: 280 Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 174 Dossiers, 436 beschriebene Seiten
Publikation: Gesicht im Mittag (14 Gedichte), Verstreutes (6 Gedichte)
Signatur: A-5-b/02 (Schachteln 30/31) / pdf-Liste
Herkunft: Nr. 1-113: gräulich-grünliche Mappe EG 1 (1948/49/50); Nr. 114-174: grüne Mappe EG 2 (1951)

Kommentar: Willkürlich geordnete Konvolute, Zusammengehörendes oft in verschiedenen Dossiers
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen; diplomatische Umschriften  nur bei Texten, die in Gesicht im Mittag publiziert wurden.

Dienstag, 10 Mai 1949       )

Die Tage sind die Abende verflossen …* (b)

Die Tage sind die Abende verflossen
der ungeheure Rausch der uns umfing.
Gedenkst du noch der Lichter in den Hainen 
der Boote in dem grün bewegten Strom.
05 Es ging dies alles mit der Kugel Drehung 
da uns entschwand das Glänzen jener Seite 
und eine dunklere vor unsre Augen trat. 
Nicht ist erlaubt die Klage, dass das Ganze 
wir leben müssen statt des schönen Teiles: 
10 wie würde die Gestalt die wir verehren 
wie würde aus dem Vielen denn der Gott?
wenn uns ein ganzes Leben nicht gelänge 
wie könnten wir im Ganzen jemals ruhn?
Um schärfer stets und schärfer zu erkennen
15 den hellen Raum der in die Wirrnis stösst:
der Wolken Teilung schenkt das erste Leuchten
der Nebel Schwinden schenkt den ersten Glanz
und Sterne sind und Monde überwunden
von einem grossen nie gekannten Stern: 
20 vollkommen ist die Ruhe in dem Wirbel
des überschnell sich drehenden Gestirns.
Und endlich ist gefunden in der Mitte
der Kühlung Insel nach der Wüstenfahrt.
Die gingen stets in Wechsellicht und Schatten
25 sie sind im reinen Mittag abgeschieden
Sie schauen Licht und wandeln sich in Licht
unmerkbar läutert sich ihr dumpfes Wesen.

Mittwoch, 11 Mai 1949       )

Die Tage sind die Abende nicht mehr …* (c)

Die Tage sind die Abende nicht mehr
der grosse Rausch nicht mehr der uns getragen 
Er ging hinüber mit der Kugel Drehung
da uns entschwand das Glänzen jener Seite 
05 und eine dunklere vor unsre Augen trat. 
Nicht ist erlaubt die Klage, dass das Ganze 
wir leben müssen statt des schönen Teiles: 
wie würde anders denn was wir verehren
aus all dem vielen sonst der ganze Gott?
10 In ihm allein ist Ruhe uns versprochen
die scharfe und stets schärfere Erkenntnis
des hellen Raums der in die Wirrnis stösst:
der Wolken Teilung schenkt das erste Leuchten
und Monde sind bald Sterne überwunden
15 von einem grossen nie gekannten Stern:
vollkommen ist die Stille in dem Wirbel
des überschnell sich drehenden Gestirns.
Und endlich ist gefunden in der Mitte
der Kühlung Insel nach der Wüstenfahrt.
20 Die gingen stets in Licht- und Schattenwechsel
sie sind im reinen Mittag abgeschieden.
Sie schauen Licht und wandeln sich in Licht
unmerkbar läutert sich ihr dumpfes Sein.

Montag, 13 Juni 1949       )

Der grosse Rausch (d)

Der grosse Rausch ging mit der Kugel Drehung
da schnell hinweg das Glänzen jener Seite
und eine dunklere vor Augen trat. 
Nicht ist erlaubt die Klage, dass das Ganze 
05 gelebt sein will anstatt des hellen Teiles: 
wie würde denn, der zu verehren, anders,
aus all dem vielen sonst der ganze Gott?
In ihm allein ist Rast versprochen endlich
die scharfe und stets schärfere Erkenntnis
10 des klaren Raums, der in die Wirrnis stösst:
das erste Leuchten schenkt der Wolken Teilung
und überwunden bald sind Monde, sind die Sterne
von einem grossen, nie gekannten Stern: 
vollkommen ist die Stille in dem Wirbel
15 des überschnell sich drehenden Gestirns.
Im schattenlosen Mittag sind entrückt
die gingen stets in Licht- und Schattenwechsel;
sie schauen Licht und wandeln sich in Licht
unmerkbar läutert sich ihr dumpfes Wesen.

Mittwoch, 18 Mai 1949       )

Dort ist und hier …* (A*)

Dort ist und hier
über Länder verstreut
der Wille zum Meer
der Wille zum Einen
05 Dass er sich löse 
vom Locken der Weite 
die dorthin verfliesst 
und hierhin
vom Horizont ohne Grenze 
10 vom Horizont ohne Berge:
nur Läuten kommt
herein aus dem Meer;
dass es gibt Meer 
jenseits dieses Streifens
15 dass es gibt das Eine 
zeigt einzig dies Läuten. 
Löst die Schiffe 
die schwarzen Gondeln 
zur Ausfahrt ins Meer
20 zur Fahrt nach der Insel 
mitten im Meer 
wo läutet der Turm überm Garten
und in den Hallen 
im herben Duft unsterblicher Kräuter
25 Abgeschiedene wandeln 
bedenkend die endliche Heimkehr.

Montag, 13 Juni 1949       )

Wille zum Meer …* (B*)

Wille zum Meer
dort ist er und hier
über Länder verstreut
der Wille zum Einen:
05 gelockt in die Weite 
dorthin verfliessend
dort hin und hier hin!
Nur das hereintönt
hereintönt von weitem 
10 mitten ins Land
einzig dies Läuten
zeigt, dass ist das Eine
dass es gibt Meer:

löset die Schiffe
15 die schwarzen Gondeln
zur Ausfahrt ins Meer
zur Fahrt nach der Insel
mitten im Meer
wo läutet der Turm überm Garten
20 und im Duft unsterblicher Kräuter
Abgeschiedene wandeln
bedenkend die gültige Heimkehr.

Donnerstag, 19 Mai 1949       )

Starrt der Abend schwarz in stete Stille …*

Starrt der Abend schwarz in stete Stille
starrt der Traum in lichterlose Nacht
wachsen ganz zutiefst schon Leuchtesträucher 
flattert ganz zutiefst der Leuchtevogel auf.
05 Leuchtevogel auf dem glimmenden Gezweige 
singt und wirft sein Lied in lichterlose Nacht
bricht des Traumes finstern Spiegel und der Stille.

Donnerstag, 19 Mai 1949       )

Wehe Dehnung dieses Überganges …*

Wehe Dehnung dieses Überganges:
übern Abgrund schwankt die Brücke lang.
Reich sind wohl der bunten Karawane 
Purpurtroddeln mit den Perlgehängen.
05 In den Kräutern kommt der Heilung Fülle,
Saft der Früchte will den Durstigen letzen. 
Doch solang der Zug auf schwanker Brücke 
geht, auf dieser wehen Brücke Dehnung 
bleibt Gefahr, dass er die freudig bangend 
10 jenseits lang schon warten, nie erreicht.

Samstag, 21 Mai 1949       )

Ist das Erste nicht, was schon verwunden …*

Ist das Erste nicht, was schon verwunden
nicht das andere, was noch gebricht
hat der Gott uns heiliger entbunden
gab der Gott uns strahlenderes Licht.

05 Gingen wir bislang auf Düsterwegen
diese letzte Wendung was uns gut
da der neue Glanz uns gross entgegen
scheinend uns in diese Halle lud.

Schluchten sind wir Ängstliche entrungen
10 Klippen die uns überdrohten kalt
Felsbewohnte Schattenniederungen
sind nicht mehr vor dieser Lichtgewalt.

Montag, 23 Mai 1949       )

Die Wege sind aus Bachesniederungen …*

Die Wege sind aus Bachesniederungen
hinangebäumt den buschigen Bergeshang
wo Echse und, die Farben feurig wechselnd, 
der Käfer eilt im  grün gezähmten Licht. 
05 Da wehen wohl aus Gartenblust herüber 
der gelbe Staub und selbst der Schmetterling 
Fremdlinge bunte in die Sinnesstille, 
die rein den Wanderer auf den Berg umschweigt.

Er will das andere nicht das ihn verwirre 
10 ging er doch lang an Städte netzendem Wasser 
und auf den Strassen, welche Vielgestalt 
der Ware führen in die Weite. So
erblickt gezieltes Auge nicht den Falter 
und nicht den goldnen Staub, ja selbst die Echse 
15 den Käfer, der Stille Hüter, grüsst er kaum. 
Dem schattenlosen Gipfel eilt er zu 
wo auch kein Strauch mehr klare Sicht beengt. 
Und das Getier bleibt flüchtig unterm Felsen.

Euch ist, Schwebenden in den lauteren Räumen alles wirklicher sichtbar, scharf und fern wie durch ein umgekehrtes Fernglas, ohne jede Verwischung: der Baum wie eine Blume, wie glänzende Kiesel die Häuser, und der Mensch wie ein Gott ruhig wandelnd um seine Werke.

02 Ihr kennt nicht die Träume, nicht die Schlangen im Abgrund, sie erscheinen nicht in dem Bild, denn sie sind anderer Herkunft, und das wahre Dasein kennt nimmer das Finstre, es sei denn die scharfen Schatten des Mittags, wo die Hirten ruhn auf dem Felde, es sei denn die silbernen Schatten des Mondlichts, wo die Liebenden sich umfangen.

03 Euch ist das Wirkliche sichtbar, klar im vollkommenen Einen, der Same und das unsterbliche Urbild, dessen was überall ist und ganz und vollkommen doch nur in dieser vollkommenen Kugel. Glücklich seid, Schauende ihr, in den lauteren Räumen.

Donnerstag, 02 Juni 1949       )

Euch Schwebenden, in lauteren Räumen ist …* (b)

Euch Schwebenden, in lauteren Räumen ist
alles wirklicher sichtbar, klar und fern wie durch
ein umgekehrtes Fernglas, ohne jede Verwischung:
wie eine Blume der Baum, wie glänzende Kiesel
05 und der Mensch wie ein Gott wandelnd um seine Werke.
Nicht die Träume seht ihr, nicht die Schlangen im Abgrund; sie sind
in dem Bild nicht, denn sie sind anderer Herkunft. Das wahrere
Dasein kennt nur die Schatten des Mittags, wo die Hirten
ruhn auf dem Feld und wo die Liebenden ruhn:
10 silberne Schatten des Mondlichts. Euch ist das Wirkliche
sichtbar im vollkommenen Einen, der Same
und das reife Urbild des was überall ist
nur vollkommen in dieser vollkommenen Kugel.

Donnerstag, 02 Juni 1949       )

Schwebenden euch in lauteren Räumen ist alles …* (c)

Schwebenden euch in lauteren Räumen ist alles
wirklicher sichtbar, klar und fern wie durch das
umgekehrte Fernglas ohne Verwischung:
wie eine Blume der Baum, wie Kiesel die Häuser
05 und der schaffende Mensch dem Gotte vergleichbar.
Nicht die Träume seht ihr, nicht die Schlangen im Abgrund;
denn sie sind anderer Herkunft. Das wahrere Dasein
kennt nur die Schatten des Mittags der ruhenden Schnitter
und wo die Liebenden ruhn: die Schatten des Mondlichts 
10 Euch ist das Wirkliche sichtbar im anfänglichen
Einen, Same und reiferes Urbild der Dinge
ganz vollkommen gebildet im lauteren Quellgrund.

Donnerstag, 02 Juni 1949       )

Manche Blume ist Glut bevor sie erfroren …*

Manche Blume ist Glut bevor sie erfroren
manches Feuer noch Flamme bevor es erstarrte
in dieses Mittags grossem Gestirn ohne Drehung.
Aber hier bricht das neue Herz auf der Liebe
05 mitten in unbewegter Masse, in tödlichen
Mauern das glühende Herz, die blutende Blume
Wunde rotklaffend ins verborgene Innre, wo brodeln
noch die Vulkane der Zeugung[:] und bersten die Gluten
ältesten Lebens hervor, der spendenden Liebe.

1949 * (nicht datiert)       )

Schon kommen herauf die lichten Erbauer …* (A*)

Schon kommen herauf die lichten Erbauer, Herren der Tiefe, Ampeln tragend aus den Bergen empor, den schimmernden Schluchten. Sie tragen die Steine herbei, die unsichtbaren seit den Stürzen des Anfangs. Sie tragen sie herauf in dieser Nacht auf den Gipfel zum Bau des Tempels der Gottheit mit dem Schild und den weisheitstrahlenden Augen. Dort soll sie wohnen in der heiligen Kammer, die ganz geistige, deren Heimat über dem höchsten, feurigen Himmel. Heilig ist nur das Ganze, aus beiden Sphären geeint:

02 Tempel dieser geistigen Gottheit sind nur auf den Gipfeln. Aus dem Haus der Titanen, dem uralten Gelass, stossen die Mauern als Klippen, als ewige Burg empor durch die Äcker und Triften der Erde empor in den reinen Himmel geistiger Macht.

Donnerstag, 02 Juni 1949       )

Herren der Tiefe …* (B*)

Herren der Tiefe
tragen Steine herauf
unsichtbare seit den Stürzen des Anfangs
in dieser Nacht auf den Gipfel
05 zum Bau des Tempels der Gottheit
der ganz reinen
deren Heimat über dem höchsten feurige Himmel.
Diesem Tempel bestimmt 
ist nur der lautere Gipfel
10 Mauerklippen
aus dem uralten Gelass der Titanen
stossend empor durch fruchtige Äcker
und Triften der Erde
in den reinen Himmel
15 geistiger Macht.

1949 * (nicht datiert)       )

Herren der Tiefe …* (C*)

Herren der Tiefe
tragen Steine
begrabne seit den Stürzen des Anfangs
heute auf den Gipfel
05 der geistigen Gottheit
die wohnt über höchstem feurigen Himmel
den Tempel zu bauen:

weitscheinende Mauern
aus dem alten Gelass der Titanen
10 stossen empor durch fruchtige Äcker
und Triften der Erde
in reinen Himmel
geistiger Macht.

Donnerstag, 09 Juni 1949       )

Dort türmt aus Weltentrümmern sich Gebirge …* (a)

Dort türmt aus Weltentrümmern sich Gebirge
und hält verwahrt den vollen Schein der Sonne:
Die Klare meidet diese feuchte Tiefe
die blassen Blumen, die Vergängnis und 
05 Verwelkung in dem dumpfen Brodem brüten.
O besser ist zu fliehen heute noch
zu steigen über jene dunkle Klippe. 
Noch derer die ihn suchen harrt der Mittag;
die starken Farben wehen und die Düfte 
10 den Kommenden erheiternd ins Gesicht.

Sonntag, 12 Juni 1949       )

Dort hält Gebirge hinter Vorwelttrümmern …* (b)

Dort hält Gebirge hinter Vorwelttrümmern 
die Sonne fern verwahrt den ganzen Sommer:
die Klare meidet diese feuchte Tiefe
die faden Blumen, die Vergängnis und 
05 Verwelkung brüten in dem dumpfen Brodem.
O besser ist zu fliehen heute noch 
zu steigen über jene Scheide Klippe!
Noch derer die ihn suchen harrt dort Mittag;
die starken Farben wehen und die Düfte 
10 den Kommenden erheiternd ins Gesicht.

Noch trägt der heisse Wind auf dumpf beschwerten Wogen
den alten Dämon der Verwirrung in den Mittag.
Der letzte Weg den Weinberg hoch im Schatten der
Oliven, Kühlung gibt er, jenseits klare Sicht
05 in überbunter Gärten Wucherung am Ufer
des Stroms mit unverletzten Tempeln auf den Inseln.

Mittwoch, 15 Juni 1949       )

Noch trägt der heisse Wind auf dumpfen Wogen …* (B*)

Noch trägt der heisse Wind auf dumpfen Wogen
den Dämon der Verwirrung in den Mittag,
Der Weg den Weinberg hoch im Schatten der
Oliven nur gibt klare Sicht hinüber
05 in bunter Büsche Wucherung am Wasser
und auf den Inseln unverletzte Gärten.

Montag, 30 Mai 1949       )

Wer kann denn bauen schon Vollkommenes …* (a)

Wer kann denn bauen schon Vollkommenes
und Tempel richten über dem wirren Forst
der auf den Felsenschroffen nahen Berges 
die volle Höhe unersteigbar hält? 
05 Solang die grosse Tat zu tun unmöglich 
gewähren uns die stillen Lichter Trost
die über den Absturz grüssen Drängern wehrend.
Sie anzuschauen ist den Harrenden gut 
und ist genug, bis jener Steg vertäut 
10 der mit den Äxten für den Baumschlag endlich 
und mit den vorbehaunen Quadern führt 
zum eitel lang geplanten Gipfelbau.

Sonntag, 12 Juni 1949       )

Wer kann denn bauen schon Vollkommenes …* (b)

Wer kann denn bauen schon Vollkommenes
und Tempel richten über dem wirren Forst
der auf den Felsenschroffen nahen Berges 
die volle Höhe unersteigbar hält? 
05 Solang die grosse Tat zu tun unmöglich 
ist’s Trost den Harrenden, zu schaun das Licht
das übern Abgrund grüsst, der wehrt den Drängern,
und ist’s genug, bis jener Steg vertäut,
der mit den Äxten für den Baumschlag endlich 
10 und mit den vorbehaunen Quadern führt 
zum eitel stets geplanten Gipfelbau.

Dienstag, 17 Mai 1949       )

Begegnis des heiligen …* (A*)

Begegnis des heiligen
in der verflammenden Nacht
wenn alle ziehen hinauf
zum verschlossenen Hain
05 Zug der Begeisterten
der vielen die den heiligen See
lange ersehnten.
Wasser klares
da wir uns zu versenken
10 freudig entschliessen.
Dort ist noch Licht
wenn die Sonne versank
und Hügel und Wälder
entfärbt dem Finstern verfallen.
15 Wo noch wo noch die Göttin 
wo die Tänze im neuen
nachtüberglänzenden Licht?

Montag, 13 Juni 1949       )

In der verflammenden Nacht …* (B*)

In der verflammenden Nacht
begegnet das Heilige uns
wenn alle ziehen hinauf
zum verschlossenen Hain
05 begierig zu schauen des Sees
klares Gewässer
darein wir zu tauchen
freudig beschliessen:
dort ist noch Licht
10 wenn die Sonne versank
und Hügel und Wälder
entfärbt dem Finstern verfallen.
Dort noch die Tänze
dort noch die Göttin im neuen
15 nachtüberglänzenden Licht.

Samstag, 18 Juni 1949       )

Der dunkle Herr …* (a)

Der dunkle Herr
bricht herauf:
sein Gesicht ist dunkel
und sehend allein
05 ist das Auge des Lichtes.
Er sieht nicht, 
ihn treibt
wie Lava
dumpfer Wille empor. 
10 Und nicht weiss er 
was er zerschlägt 
was sein eherner 
Schädel durchstösst: 
plötzlich ragt sein Haupt 
15 über die glückliche Insel.
Die Arglosen sehn 
ihn furchtbar stossen
aus dem Abgrund hervor.
Sie schreien und fliehn 
20 vor dem leblos starrenden Auge.
Die Tiere verenden
in verborgenen Höhlen.
Grau fallen die Blüten
und die Blätter der Bäume
25 rollen  sich ein
unter dem tödlichen Schatten. 
Menschen wimmern
hier und dort noch hervor
unter den Leichen der Freunde.

30 Aber drüben erscheint
auf der Kimme der See
die Lanzenspitze der Göttin
und bald ihr blinkender Helm,
purpurn blüht die Flut
35 in neuen Blumen die Insel. ||
Aus dem Schatten treten
die anderen Götter,
die bisher verborgnen
Freunde sind sie der Menschen
40 und nehmen den Tod
leicht ihnen weg von der Stirn
Sie führen die Fischer ans Ufer
und locken ins Netz
ihnen goldene Fische
45 die reichen Früchte der Tiefe.
Licht entzünden sie überall:
die trüben Höhlen des Dunkels
sind nun Quellen des Lichts
das lauter quillt aus den Tiefen:
50 denn auch zu innerst ist Sonne.

Montag, 20 Juni 1949       )

Der dunkle Herr …* (b)

Der dunkle Herr
bricht herauf.
Er sieht nicht
ihn treibt
05 wie Lava
dumpfer Wille empor 
Und nicht weiss er 
was er zerschlägt, 
da er mit ehernem Schädel
10 herauf stösst:
plötzlich ragt
sein Haupt über die glückliche Insel.
Die Arglosen sehn 
ihn furchtbar stossen
15 aus dem Abgrund empor.
Sie schreien und fliehn 
vor dem leblos starrenden Auge.
Und die Tiere verenden
in verborgenen Höhlen.
20 Grau fallen die Blüten
die Blätter der Bäume
rollen  sich ein
unter dem tödlichen Schatten. 
Bald wimmert Menschen
25 hier und dort noch einer hervor
unter den Leichen der Freunde.

Aber drüben erscheint
auf der Kimme der See
die Lanzenspitze der Göttin
30 und bald ihr blinkender Helm,
purpurn erblüht die Flut
in neuen Blumen die Insel. ||
Aus dem Schatten treten
die anderen Götter,
35 die bisher verborgnen.
Freundlich sind sie den Menschen
und nehmen den Tod
leicht ihnen weg von der Stirn.
Sie führen die Fischer ans Ufer
40 und locken ins Netz
ihnen goldene Fische.
die reichen Früchte der Tiefe.
Die trüben Höhlen des Dunkels
sind nun Quellen des Lichts
45 das lauter springt aus den Tiefen:
denn auch zu innerst ist Sonne.

Montag, 20 Juni 1949       )

Der dunkle Herr …* (c)

Der dunkle Herr
treibt wie Lava aus dumpfem Willen empor
und sieht nicht
was er zerschmettert im Durchstoss:
05 Plötzlich ragt
sein Haupt über die glückliche Insel.
Grau fallen die Blüten
die Blätter der Bäume
rollen sich ein
10 unter dem tödlichen Schatten.
Und die Tiere verenden
wehrlos in den Höhlen.
Die Menschen schreien und fliehn
vor dem leblos starrenden Auge.
15 Bald wimmert hier und dort noch einer hervor
unter verwesenden Freunden.

Aber drüben erscheint
auf der Kimme der See
die Lanzenspitze der Göttin
20 und bald ihr blinkender Helm.
Purpurn glänzt die Flut
in neuen Blumen die Insel. ||
Aus dem Schatten treten
die bisher vervorgenen Götter,
25 die menschenfreundlichen 
und nehmen den Tod
leicht weg von der Stirn.
Sie führen die Fischer ans Ufer
und locken ins Netz ihnen goldene Fische.
30 Die trüben Höhlen voll Leichen
sind nun Quellen des Lichts
das lauter springt aus den Tiefen:
denn auch zu innerst ist Sonne.

Montag, 20 Juni 1949       )

Der blinde Herr …* (d)

Der blinde Herr
treibt wie Lava aus dumpfem Willen empor
über die glückliche Insel,
wo grau die Blüten
05 und die gerollten Blätter der Bäume
fallen unter dem tödlichen Schatten,
die Tiere wehrlos
in Höhlen verenden,
die Menschen aber
10 fliehn vor dem leblos starrenden Auge,
bis nur einer noch wimmert
hervor unter verwesenden Freunden.

Drüben jedoch erscheint
auf der Kimme der See
15 die Lanzenspitze der Göttin
bald ihr blinkender Helm
erweckend zu Purpur die Flut
zu neuen Blumen die Insel,
weg von der Stirn
20 nimmt leicht sie den Tod
und lockt den Fischern
ins Netz die lebendigen Fische;
aus den trüben Höhlen voll Leichen
Quellen des Lichts:
25 denn auch zuinnerst ist Sonne.

Tote Najaden, heraufgespült von unterseeischen Riffen
von unterseeischen Höhlen, liegen blau am Strand der Insel.
Mit ihnen die Götter der Tiefe, triefend die grünen Haare
ins verzerrte Gesicht, das Haupt noch von Schlinggewächsen umwunden.
05 Draussen aber treibt auf dem glatten glänzenden Wasser
der riesige Leichnam, der grosse Gott selbst mit dem Dreispitz,
ungeheurer Kadaver schwarz von Vögeln der See.
Und der Geruch der Verwesung weht schon herein in die Stadt
an diesem traurigen Mittag.

Tote Nymphen, gespült von unterseeischen Riffen
unterseeischen Höhlen herauf, liegen blau am Strande,
Götter der Tiefe auch mit grünen triefenden Haaren
im verzerrten Gesicht, den Leib von Algen bedeckt.
05 Draussen aber treibt auf dem Wasser des grossen
Gottes Kadaver selbst mit dem Dreispitz, ungeheurer
Leichnam, schwarz von Vögeln der See, und der Verwesung
Ruch schon weht in die Stadt an diesem traurigen Mittag.

Wogen die Reinen herauf, die sich in der Tiefe gehalten, die klaren Götter des Meeres, von welchem Beben vertrieben, von welcher Empörung? Was denn bleibt noch uns, noch uns in den oberen Ländern, wenn das Tiefste erbebt und die Säulen wanken der Welt. Der Getöteten Söhne sind wir, der Vertriebenen Kinder. Blüte und Frucht unsrer Gaue ist von ihrem Segen genährt, weil sie uns duldeten hier an der oberen Sonne. Was droht denn herauf für neue gefährliche Macht, Macht, die tobend schon brach in die Paläste der Tiefe, in die reichen Felder der Nymphen? Wird sie der unseren schonen, unsrer getrübteren Würde, da sie die reine zerschlug, die gebietende klarerer Götter?

02 Erwartungsinsel, heraufgeschwemmt aus Tiefe des Klanges, Tiefe der tönenden Bänke. O wehendes Dasein, Dasein der Fische, der leuchtenden Schleier, die aus der Nacht, dem Abgrund, wehen und wehen herauf. Ist nicht Gesang von der Insel den Töchtern der Tiefe gebracht? Die Kinder sind einsam, die Wartenden an den Hängen. Noch ist still die See, auf die lang sie schauen: noch kommt nicht das Schiff, das die Verlorenen bringt: Und sie singen stets noch allein: O, wenn sie wüssten, wie schwarz das Segel und dass es nur trägt Tote, vom letzten Fahrer gesteuert, der bleich ist und das Schreckliche ewig zeigt in den wirren Augen.

Wenn sie wüssten, wie schwarz das Segel des Schiffes 
das sie erwarten, die Wartenden an den Hängen der Insel;
noch ist ohne Widerhall ihr Gesang, den Göttern der Tiefe gebracht:
der Getöteten Söhne sind sie. Blüte und Frucht ihrer Gärten
ist von ihrem Segen genährt, weil sie duldeten sie hier an der oberen Sonne.

02 Jetzt droht herauf neue Macht, die tobend schon brach in die Paläste der Tiefe, in die reichen Felder der Nymphen. Wird sie der ihren schonen, ihrer getrübten Würde, da sie die reine zerschlug, die gebietende klarerer Götter?

03 Noch ist still die See, auf die die Wartenden schauen, noch ohne Antwort ihr Lied: o wenn sie wüssten, wie schwarz das Segel des erwarteten Schiffs und dass es nur trägt Tote, vom letzten Fahrer gesteuert, der bleich ist und das Schreckliche zeigt in den Augen.

Wenn sie wüssten wie schwarz das Segel des Schiffes 
die Wartenden an den Hängen der Insel: noch
ist ohne Widerhall ihr Gesang, den Göttern der Tiefe gebracht.
Ihre Söhne sind wir: Blüte und Frucht unsrer Gärten
05 ist von ihrem Segen genährt, weil sie duldeten uns hier an der oberen Sonne.
Jetzt droht herauf neue Macht, die tobend schon brach in die Paläste der Tiefe,
in die reichen Kammern der Nymphen. Wird sie der unseren schonen,
unsrer getrübteren Würde, da sie die reine zerschlug, die gebietende klarerer Götter?
Noch ist still die See, auf die die Wartenden schauen,
10 noch ohne Antwort: o wenn sie wüssten, wie schwarz das Segel
des erwarteten Schiffes und dass es nur trägt Tote, vom letzten
Fahrer gesteuert, der bleich ist und das Schreckliche zeigt in den Augen.

1949 * (nicht datiert)       )

Ohne Widerhall heut ist der Gesang …* (d)

Ohne Widerhall heut ist der Gesang 
den die Wartenden an den Hängen der Insel 
den Herren des Meeres gebracht: neue Macht
droht herauf, die tobend schon brach in die untern Paläste.
05 Wird sie der unseren schonen, unsrer getrübteren Würde,
da sie die reine zerschlug, die gebietende klarerer Götter?
Noch still ist die See, darauf die Wartenden schauen:
wenn sie wüssten, wie schwarz das Segel des erwarteten
Schiffes und dass es nur trägt Tote, vom letzten
10 Fahrer gesteuert, der bleich das Schreckliche zeigt in den Augen.

Vergeblich scheint heut die Erwartung an Uferhängen
der Insel: neue Macht droht herauf, die brach
schon in die untern Paläste. Wird sie der unsren
getrübteren Würde schonen, da sie zerschlug
05 die reine gebietender Götter?
Noch leer ist die See, darauf die Wartenden schauen.
Wenn sie wüssten, wie schwarz das Segel des Schiffes
und dass es nur bringt Tote, vom letzten Matrosen
gelenkt, der bleich das Schreckliche zeigt in den Augen!

Leer ist heute die See, darauf die Wartenden schauen:
wenn sie wüssten, wie dunkel das Segel des Schiffes
dass es nur bringt Tote, vom letzten Matrosen gelenkt,
der auf immer das Schreckliche trägt in den Augen:
05 neue Macht brach in die untern Paläste,
wird sie schonen der unsern getrübten Würde, 
da sie die reine zerschlug ursprünglicher Götter?

Donnerstag, 30 Juni 1949       )

Leer ist heute die See, darauf die Wartenden …* (g)

Leer ist heute die See, darauf die Wartenden
schauen, nicht ahnend die dunkeln Segel des Schiffes;
dass es die Toten bringt, gelenkt vom letzten
Fergen, der auf immer das Schreckliche zeigt in den Augen:
05 In die untern Paläste brach neue Gewalt, 
wird sie schonen unsrer getrübten Würde
da sie die reine zerschlug ursprünglicher Götter?

1949 * (nicht datiert)       )

Die Pilger steigen, jenem Leuchtebild …*.

Die Pilger steigen, jenem Leuchtebild 
des wirren Herzens Wünsche aufzutragen, 
als ob je fremde Macht erretten könnte 
was innerlich verloren: Rettung ist
05 allein in Höhlen nah, die Liebende 
mit ihrer glühsten Glut aufschmelzen mählich: 
da strömt den Seligen die Lebensquelle 
vom wesentlich erhellten ewigen Stein.

Montag, 25 Juli 1949       )

Wenn ich dich, Blume, finde noch im Dickicht …*

Wenn ich dich, Blume, finde noch im Dickicht,
geblendet wende ab das nachtgewohnte Auge,
die Sinne, schwindende vor süssem Duft: 
so weiss ich neu, dass mir im totgeglaubten 
05 erloschnen Innern noch die Blume wohnt, 
die Gegenblume aus Verborgnem heilend, 
die jäh sich öffnet und die Schwester grüsst.

1949 * (nicht datiert)       )

Voller Honig sind die Waben …* (a)

Voller Honig sind die Waben.
Und immer schwerer regen sich
die Flügel, die Labung einzuholen;
Denn jene, die sich regen bleiben.
05 Das Unbewegte nur geht fort
und ist stets näher an der süssen Höhle.

Mittwoch, 19 Oktober 1949       )

Voller Honig sind die Waben …* (b)

Voller Honig sind die Waben.
Und immer schwerer regen sich die Flügel,
die süsse Labung einzuholen.
Denn jene, die sich regen, bleiben.
05 Das Unbewegte nur geht immer fort
und ist stets näher an der süssen Höhle.

Mittwoch, 19 Oktober 1949       )

Der Glanz des Lichts und Süssigkeit der Beeren …*

Der Glanz des Lichts und Süssigkeit der Beeren
gehört dem Wandrer, der durchs Spätjahr geht.
Schon fern ist alles und die Freiheit grösser.
Der Zwang versinkt, Geschenk ist nun Besitz
05 Genuss, Genuss ist: Fülle zu verlieren.
Der Most rinnt von der Trotte hell zur Erde,
da Fülle ist dem Achtlosen gegeben.
Die Wälder färben glühender die Blätter
und schmücken sich dem Eintritt in die wahre,
10 die deutliche Gestalt der reinen Kahlheit,
die in des Winters klarer Leere steht.
Noch schwillt die Flut des Lichtes und der Früchte.
Die Ebbe ist schon in der Flut verborgen;
Auf ihrem Grunde harrt, wird hell im Sinken
15 des trunknen Stroms der nackte reine Gott.

Sonntag, 11 Dezember 1949       )

Sonst dämmert immer augenlos die Stadt …*

Sonst dämmert immer augenlos die Stadt,
bis auf die lichten Züge grosser Vögel,
die schon die Sonne aus den Schwingen träufeln
hernieder auf die Kuppel, wissend hohe
05 über der Stadt im Dämmer ohne Augen.

Sonntag, 11 Dezember 1949       )

Du stehst so hoch, o reine Göttin des Gelingens …*

Du stehst so hoch, o reine Göttin des Gelingens,
ob mich deine Schwinge jemals streift?
Du Vertriebne aus dem angestammten Reich,
dem du die Siegeskränze botest ein Jahrtausend:
05 wirst du den späten Erben dulden, des starke
Ahnen du so ohne Mass geliebt?
Er trägt das ihre, siehe, ohne Waffen, er trägt
das ihre zitternd, die Gestalt.
Die meisten gingen seit an deinem Bild vorbei und suchten
10 in den Höhlen der wilden Väter einen eignen Geist.
Doch fanden sie dort nur verdorbnen Honig
und gaben Saures den schon sauren Brüdern.
Du bliebst allein in leerer Halle. Du bedurftest
ihrer nicht, wie deiner sie bedurften (ob sies auch wussten nicht)
15 Nur wenige fanden den Weg zurück zu dir, die
wachsten, die wahrten deines alten Volkes Art.
So komm auch ich, ich wag es, zager Spätling,
mit kleiner Gabe: dass du mich einmal nur mit
deiner Schwinge streifst, so hoch du stehst, o Göttin des Gelingens.

Montag, 12 Dezember 1949       )

Der Gang in dieser Gruft bringt grössere …*

Der Gang in dieser Gruft bringt grössere
Erhellung den Augen je und je: sie sehen
den reinen Schatz gehäuft den glücklichen
Entrückten aus dem Trug der oberen Länder,
05 weil höchste Gnade findet, der sie will
und jener Sonne sich getrost entwendet:
hier unten leuchtet jede Wand von innen,
es leuchtet Wein aus stets gefülltem Krug.

Freitag, 23 Dezember 1949       )

Des Morgens fällt das Wachstum der Gesichte …* (a1*)

Des Morgens fällt das Wachstum der Gesichte
auf jeder Höhe an, doch merkt ihr nicht, 
wie schon von unten braust der Wiesen Schaum
die saftigen Hügel und der Menschen Lust:
05 ihr Jünglinge, es sind in euch zwei Alter
vereint: die Mönche rufen, aus den Wüsten
locken die Eremiten zur Verzückung,
ins Schweigen, dass das Innerste erblühe.
Und auch die ältern rufen, die Hirten und die
10 Fischer des alten Zwischenmeeres, in
die Wonne des allerersten Lebens, der
Umarmung Glut, der irdischen Zeugung; beiden
neigt euer Herz, ihr Enkel, zu.
Nehmt alles Mass aus euch, sitzt bei den Mönchen
15 des Morgens, und zum Hirten geht am Abend.
Zur äussersten der neuen Sphären dringt, // 01v
darin der Eine alles stets bewegt
Doch euch zu eigen wird er in der Liebe.
Gehört den einen und gehört den andern,
20 den beiden fremd zugleich, die euch misstrauen 
Bewegt in immer neu erkanntem Mass
euch um die eigne schwache Mitte, die ihr
gerade seid noch, nichts und zugleich alles.

Dienstag, 27 Dezember 1949       )

Des Morgens fällt das Wachstum der Gesichte …* (a2*)

Des Morgens fällt das Wachstum der Gesichte
auf jeder Höhe an, und kaum bemerkt
braust unten heiss die ewige Menschenlust:
Ihr Jünglinge, es sind in euch zwei Alter
05 vereint, die Mönche rufen aus den Wüsten
ins Schweigen, dass das Innerste erblühe.
Und auch die Hirten rufen des Zwischenmeeres
in alte Zeugungswonne der Umarmung.
Nehmt alles Mass aus euch, sitzt bei den Mönchen
10 des Morgens, und zu den Hirten geht den Abend.
Gehört den einen und gehört den andern,
den beiden fremd zugleich, die euch misstrauen.
Bewegt in nie gefestigter Bewegung
euch um die eigne schwache Mitte, die ihr
15 gerade seid noch, nichts und zugleich alles.

Samstag, 29 April 1950       )

Des Morgens fällt das Wachstum der Gesichte …* (A)

Des Morgens fällt das Wachstum der Gesichte
auf jeder Höhe an, und kaum bemerkt
braust unten heiss die ewige Menschenlust:
Zwei Alter, Jüngling, sind in dir vereint:
05 ins Schweigen aus der Wüste ruft der Mönch,
der Hirt vom Zwischenmeer in die Umarmung.
Nimm alles Mass aus dir, sitz bei dem Mönch
des Morgens, und zum Hirten geh am Abend,
den beiden fremd zugleich, die dir misstrauen.
10 In nie gefestigter Bewegung du
bewegt um deine schwache Mitte, der
gerade bist noch, nichts und zugleich alles.

1950 * (nicht datiert)       )

Des Morgens fällt das Wachstum der Gesichte …* (B)

Des Morgens fällt das Wachstum der Gesichte
auf jeder Höhe an, und kaum bemerkt
braust unten heiss die ewige Menschenlust.
Zwei Alter, Jüngling, sind in dir vereint:
05 ins Schweigen aus der Wüste ruft der Mönch,
der Hirt vom Zwischenmeer in die Umarmung.
Nimm alles Mass aus dir, sitz bei dem Mönch
des Morgens, und zum Hirten geh am Abend,
den beiden fremd zugleich, die dir misstrauen.
10 Bewegt um deine schwache Mitte, der
in nie gefestigter Bewegung du
gerade bist noch, nichts und zugleich alles.

Donnerstag, 26 Januar 1950       )

Dieses Dürsten nach den ältesten Quellen …*

Dieses Dürsten nach den ältesten Quellen,
Kräuternahrung in des Waldes Mitte:
führt auf Wegen hin von allerwärts.
Wo am offenen Wassern unbekannte Beeren
05 wachsen, spüren einige die fremde Kraft
die den Ursprung Furchtlosen verrät,
dass sie selbst die Fremde überdauern
und am Saum das Nachtgeschrei nicht achten,
nahes Flattern in dem Dörnicht:
10 folgen jenem Bild, das zielwärts immer glüher
in der längst berührten Seele steht.

1950 * (nicht datiert)       )

Vom Westen drängt das Reinere herüber …* (A*)

Vom Westen drängt das Reinere herüber
das Schwindende ist stark im ersten Traum,
zerspellt die Trübnis jenes schwarzen Soges 
der jede Kraft in Mitnachttiefe zieht.
05 Wo ist künftig Geglaubtes stärker als Vergängnis?
die Tiefen sind in Wolkenspalten licht,
dem Zug der Wetter klarheitwärts enthoben,
und Blitze fallen vor den Regenschauern
noch unterhalb der Bergesgipfel die, 
10 so hoch noch, nimmer rühren an den tiefsten Himmel.

Donnerstag, 26 Januar 1950       )

Vom Westen drängt das Reinere herüber …* (B*)

Vom Westen drängt das Reinere herüber,
so stark, ob es auch schwindet, in den Traum,
dass es die Trübnis spellt des schwarzen Soges,
der jede Kraft in Mitnachttiefe zieht.
05 Wo ist das Künftige stärker als Vergängnis?
Da in den Wolkenspalten bleibt das Licht,
dem Zug der Wetter klarheitwärts enthoben
und Donner tönen vor den Regenschauern
noch unterhalb der Bergesgipfel, die, 
10 wie hoch auch, nimmer rühren ans Gewölbe.

Samstag, 28 Januar 1950       )

Und hält der Schiffer …*

Und hält der Schiffer
des Bootes Last
nur über der Tiefe
nur über der Nacht:

05 so kommt zu dem Fange
dem reichlichen, ein
von selbst an die Angel
der heilige Schatz:

die Muschel der Tiefe
10 verhülltes Licht
enthüllt sich dem Schiffer,
der nie es gesucht.

Sonntag, 29 Januar 1950       )

Und wer der Erde Fährlichkeit entrönne …*

Und wer der Erde Fährlichkeit entrönne,
den fasste doch die Flut, der er bestimmt,
der Sog, dem der Verlorne nur entrinnt,
damit er seine Tiefe nicht gewönne:

05 Das Tosen reisst den Unbewahrten nieder 
uns seine letzte Klarheit in die Gischt,
bis aus der Hölle Mitte jäh das Licht,
das ewig vorgeschaute, aufglänzt wieder.

Montag, 30 Januar 1950       )

Flieht der Tag …* (A)

Flieht der Tag,
der das wandelnde Reine
in Wäldern geborgne
an Bächen geduckte
05 bog und zerbrach;
kommt die Nacht zurück 
mit klarer Dämmerung 
und mit den Schatten der Sanftmut, 
zu heilen das Verletzte 
10 und dem Verwundeten ziehn
den Dorn aus dem Fuss,
den es schmerzend nachzieht. 
In der Höhle ist ihm ein Lager bereitet zum Schlummer 
und geheimen Weg 
15 in jenen andern Tag
der nicht auf geht und endet.

Mittwoch, 01 Februar 1950       )

Flieht der Tag …* (B)

Flieht der Tag,
der das wandelnde Reine
in Wäldern geborgne
an Bächen geduckte
05 bog und zerbrach:

kommt die Nacht zurück 
mit klarer Dämmerung 
und mit den Schatten der Sanftmut, 
zu ziehen den Dorn aus dem Fuss,
10 den das Verwundete nachschleppt mit Schmerzen:

In der Höhle ist ihm ein Lager bereitet zum Schlummer, 
und geheimer Weg 
in jenen anderen Tag,
der nicht auf geht und endet.

Mittwoch, 01 Februar 1950       )

Die Glut von jenseits …* (A)

Die Glut von jenseits
und das Getümmel der schreierbrochenen Nacht:
wie zuckt es nicht in die hochgelegene Kammer;
denn die Burg ist nicht fest,
05 und dies allein wäre schrecklich,
wenn sies wäre, wenn sie hielte in undurch-
dringlichen Mauern.
Wenn die Schlacht sich fern zöge hinter die
Wälder
und er, der untauglich zum Krieg, nicht mehr säh
an der Decke
roten Widerschein und das Klirren der Helden.
10 Dies nur lindert den Schwachen,
dass ihm Erkenntnis gewährt ist,
die Mitte, wo die volle Rundung erscheint
und die Bruderschaft unter den Streitern:
das Reine wird im Beschauer.

Donnerstag, 16 März 1950       )

Glut und Getümmel der schreierbrochenen Nacht …* (B)

Glut und Getümmel der schreierbrochenen Nacht
zuckt herein in die hochgelegene Kammer
nicht befestigter Burg; nur dies wäre tödlich:
wenn sies wäre und hielte in undurchdringlichen
05 Mauern dem, der, schlachtenuntauglich, das Ohr 
dass er nicht höre das Toben jenseits des Walds,
hielte das Auge, dass es nicht Widerschein sehe
rot an der Decke; denn dies nur hindert den Schwachen,
dass ihm Erkenntnis gewährt ist der Mitte, der Streiter-
10 Bruderschaft in der nah enthobnen Beschauung.

Dienstag, 07 Februar 1950       )

Ausgegossene Fülle mitten in Marktes Gepränge …* (A)

Ausgegossene Fülle mitten in Marktes Gepränge,
Teppich trug sie her, die seltenen Früchte.
Niemand aber sieht die Schätze, die her der Teppich trug 
oder kaufte sie gar: Der Teppich bleibt ein fernes Land,
05 was auf ihm liegt, ist nie in der Nähe, 
Bis dass der Zauberer kommt und die Käufer lockt mit der Flöte: 
dann hört ein jeder aus der eigenen Brust 
singen den eigenen Osten Antwort dem Zauberjüngling.

Niemand sieht, was seltene Früchte in Marktes Gepräng
trug der Teppich herein: was auf ihm liegt, ist nimmer
Nähe: Bis dass der Zauberer lockt mit der Flöte die Käufer.
Dann aus der eigenen Brust singt einem jeden der Osten
05 (der eigene Osten dem innerlich flötenden Jüngling.)

Niemand sieht, was seltene Früchte in Marktes Gepräng
trug der Teppich herein: was auf ihm liegt, ist nimmer
Nähe: Bis dass der Zauberer lockt mit der Flöte die Käufer.
Dann aus der Brust singt einem jeden der eigene Osten
05 endlich innen erlauschter tönender Lockung die Antwort.

Dienstag, 07 Februar 1950       )

Dem Gänger auf der Hügelstrasse sind …*

Dem Gänger auf der Hügelstrasse sind
vier Götterbilder rein am Saum Geleiter:
der erste, dem die klare Stirne leuchtet; 
die zweite, die Verborgnes unberührbar schützt; 
05 die dritte, die des Lebens Mitte öffnet; 
der vierte, der die Traube dann gewährt. 
So wird Besonnener zum Rausch-Entrückten, 
indes der Weg durch Gärten steigt zu Tale, 
wo von der Kaisersäule hin zur andern 
10 der Tänzer geht auf hoch gespanntem Seil.

Samstag, 11 Februar 1950       )

Die Wanderung nach Wissen durch die Pforten …* (A)

Die Wanderung nach Wissen durch die Pforten
des Tags, der Nacht und ihres Überganges
führt in die lichte Alabasterhalle, 
die steht im Zenith alles Unsichtbaren. 
05 Das    Ei hängt nieder aus der Kuppel, 
bis einst erwachend, der göttliche Vogel stürzt
in Scherben es und tönend Kreisen füllt
des Flugs und heilt verwunschene Mittelräume.

Montag, 13 Februar 1950       )

Die Wanderung nach Wissen durch die Pforten …* (B)

Die Wanderung nach Wissen durch die Pforten
des Tags, der Nacht und ihres Überganges
führt in die lichte Alabasterhalle, 
die steht im Zenith alles Unsichtbaren. 
05 Das Ei hängt nieder mitten aus der Kuppel, 
bis einst, erwachend, göttlicher Flügel Spreiten
es wirft in Scherben und das tönende Kreisen 
des Fluges füllt und heilt verwunschene Räume.

Montag, 13 Februar 1950       )

Die Wanderung nach Wissen durch die Pforten …* (C)

Die Wanderung nach Wissen durch die Pforten
des Tags, der Nacht und ihres Überganges
führt in die lichte Alabasterhalle, 
die steht im Zenith alles Unsichtbaren. 
05 Das Ei hängt nieder mitten aus der Kuppel, 
bis einst es birst im Spreiten göttlicher Flügel
und tönenden Fluges Kreisen heilt die Räume.

Samstag, 11 März 1950       )

Die Wanderung nach Wissen durch die Pforten …* (D)

Die Wanderung nach Wissen durch die Pforten
des Tags, der Nacht und ihres Überganges
führt in die ganz im Licht verborgne Halle, 
die steht im Zenith alles Unsichtbaren. 
05 Das Ei hängt nieder mitten aus der Kuppel, 
bis einst es birst im Spreiten göttlicher Flügel
und tönender Flug heilt die verwunschenen Räume.

Dienstag, 27 Dezember 1949       )

Aber rein und glänzend ist noch trotz allem …* (A)

Aber rein und glänzend ist noch trotz allem
das Dach des heiligen Hauses.
Das der Gott besucht, das der Vollkommene besucht, 
wo sie wartet, die harrende Seele, 
05 die Geliebte, die Frau, die gläubige Seele. 
Jahrhunderte waren es zuvor, so schien ihr,
dass sie wartete, 
bis er da war unter dem reinen und stets noch glänzenden Dach. 
Und zugleich stieg er auf in ihr, und sie wusste,
10 dass immer er da gewesen:
in ihrem Innern, unten, verborgen. 
Nun stieg er auf, hoch schoss er empor: 
die entrollte Schlange, die wittert 
das lang gesuchte Opfer.
15 Sie ist nicht mehr da, die Seele, sie ist in der Schlange, 
in der aufschiessenden Glut. 
Und so fand denn der Gott, wie er kam, nur noch sich selbst,
fand die züngelnde Schlange.
Und er war traurig, wie er sie sah, die seit je er gesehen.

Mittwoch, 28 Dezember 1949       )

Rein und glänzend ist noch trotz allem …* (B)

Rein und glänzend ist noch trotz allem
das Dach des heiligen Hauses,
wo sie wartete, die gläubige Seele, 
die Frau, die Geliebte, 
05 Jahrhunderte wartete, so schien ihr:
bis er da war unter dem reinen
und stets noch glänzenden Dach,
der Gott, der vollkommne.
Zugleich aber stieg auf in ihr,
10 die immer dagewesen, in ihrem Innern,
unten, verborgen,
schoss auf die Schlange,
glühend entrollt und verschlang das belauerte Opfer.
Sie war nicht mehr da, die Geliebte, sie ist in der Schlange, 
15 in der aufschiessenden Glut. 
Und so fand denn der Gott, wie er kam, nur noch sich selbst,
fand die glühende Schlange.
Und er war traurig, wie er sah, dass es sie nicht war,
die er suchte, dass er nur überall fand sich selber,
20 dass es nicht gibt das andre.

Rein und glänzend ist noch trotz allem das Dach des heiligen
Hauses, wo harrte die gläubige Seele, die Frau, die Geliebte 
lange Jahrhunderte, also schien ihr, bis er da war unter
reinem, stets noch glänzendem Dach: der Gott, der vollkommne.
05 Aufstieg aber zugleich, die immer da war im Innern,
unten verborgen, die Schlange, glühend, schoss auf und verschlang das
Opfer: sie ist nicht mehr da, die Geliebte, sie ist in der Schlange.
Und so fand denn der Gott, wie er kam, sich selber allein,
fand nur die glühende Schlange, traurig, dass es die Seele,
10 die er gesucht ausser ihm, dass es das andre nicht gibt

Rein und glänzend ist noch trotz allem das Dach des heiligen
Hauses, wo harrte die gläubige Seele, die Frau, die Geliebte 
lange Jahrhunderte, also schien ihr, bis er da war unter
reinem, stets noch glänzendem Dach: der Gott, der vollkommene Gott.
05 Aufstieg aber zugleich, die da war immer im Innern,
unten verborgen, die Schlange, glühend, schoss auf und verschlang das
Opfer: So fand denn der Gott, wie er kam, sich selber allein,
fand nur die glühende Schlange, traurig, dass es die Seele,
die er gesucht ausser ihm, dass es das andre nicht gibt.

Mittwoch, 22 Februar 1950       )

Willst du ganz enthüllen jener Gottheit …*

Willst du ganz enthüllen jener Gottheit
Bildnis, das der Schatten noch bedeckt:
weichen an den Eingang die Gefangnen,
scheun den Grund noch mehr, den stets sie scheuten,
05 weil, sie alle zu empfangen, aufgeht
des Gefängnisses Gefängnis; taube
Tiefe, wo doch Nacht schon düster drückte,
schaut sie an, das abertote Auge,
das Erinnrung selbst an Leben löscht.

Freitag, 24 Februar 1950       )

Wind trägt herein in der Einsamkeit Wachstum …* (A)

Wind trägt herein in der Einsamkeit Wachstum,
in die Öde herein die Früchte der Inseln, die Blumen.
Auch jene, die lieben sind eins mit jenen andern der reichen Ufer:
all die Erschütterten sehen das kreisende Licht, die Sonne,
05 wo sie auch seien: sie ist ihr gemeinsames Licht,
in ihr grüsst sie der uralten Zeiten Gesicht,
jener Helden Gesichter und der Könige, die einstmals
hier gingen und alle das Eine geschaut.
In ihm sind alle auf einmal da: die Fernsten,
Vergangnen und die von heute,
kreisend in dieser Kuppel vereint, diesem geöffneten Kelch,
10 dessen drei Staubblätter glühn hervor aus dem mittelsten Punkt.
Hierher aber führen die Musen, die singenden Schwestern,
Seelengeleiterinnen im Aufstieg nach der Mitte der Blume,
nach der inneren Mitte im Abstieg;
Aufstieg nämlich und Abstieg gelangen zum selben // 01v
15 einen mittelsten Punkt.

Diese sind eins mit jenen andern am reicheren Ufer,
alle sehen das kreisende Licht, die Sonne
wo sie auch seien; in ihr grüsst die Späten
uralter Zeiten Gesicht, der Helden Gesichter und Könige,
05 die einst hier gingen und alle das Eine geschaut.
In ihm sind alle auf einmal da, die Fernsten, Vergangnen und die von heute,
in dieser Kuppel kreisend vereint, summend in diesem geöffneten Kelch,
dessen Staubblätter glühn hervor aus dem mittelsten Punkt.
Hierher geleiten die Musen, Seelenführerinnen,
10 singende Schwestern: im Aufstieg nach der oberen Mitte 
nach der innern Mitte im Abstieg.
Denn Mitte und Mitte sind eins, woher wir auch kommen.

Dienstag, 28 Februar 1950       )

Diese sind eins mit jenen am reicheren Ufer …* (C)

Diese sind eins mit jenen am reicheren Ufer:
alle sehen das kreisende Licht, in der Sonne
ist den Spätern vereint der uralten Zeit
Helden und Könige Antlitz, die gingen einstmals
05 hier und alle das Eine geschaut, sie kreisen
in dieser Kuppel vereint, und summen im
offenen Kelch, des Staubfäden glühn aus der Mitte.
Hieher geleiten singende Schwestern, der Seelen
Führerinnern: nach der obern im Aufstieg,
10 nach der inneren Mitte im Abstieg; woher
immer sie kommen: Mitte und Mitte sind eins.

Mittwoch, 01 März 1950       )

Diese sind eins mit jenen am reicheren Ufer …* (D)

Diese sind eins mit jenen am reicheren Ufer:
alle sehen das kreisende Licht, in der Sonne
ist den Spätern vereint der Helden und Könige
Antlitz, die gingen einstmals dort und alle
05 suchten das Eine, sie kreisen in dieser Kuppel,
summen im offenen Kelch um Staubblatt und Stempel, 
nach der Mitte von singenden Schwestern geleitet,
Führerinnern der Seelen: nach der oberen
Mitte im Aufstieg, nach der innern im Abstieg.
10 Mitte und Mitte sind eins, woher sie auch kommen.

Bald ist er geschlossen, der schöne, der noch verständliche Himmel,
und jene Schale von neuem darüber gefügt, die ihn
einstmals verdeckte.
Speise wird Erinnerung sein an die gnädige Öffnung,
leuchtenden Blick aus der Bläue herab,
05 Flutung des Hellen herab in die Ödnis.
Jener Augen, die nicht schliefen zumitten der Nacht, 
sinnend ruhten im Staub, wie aufging die Freudenerscheinung: 
immer dringt aus ihnen auf die anderen ein 
Wissen um die Gestirne, die Lenker, herzerschütternde
Freude des Anblicks. 
10 Hinter der Hülle verborgen, dem ehernen Helm,
bleiben sie nun, und jene andern 
wissen nichts von dem Himmel, da sie schliefen, 
Nahrung der Steppe musste ihnen genügen zuvor
und genügt ihnen heute. 
Käme ihnen der Hunger nicht nach reiner Speise, //
15 nach der Labung des Himmels, nach der Schau
des enthüllten höchsten Gewölbes,
käme ihnen nicht dieser unbezwingliche Hunger, 
Kenntnis vergessner Verwandtschaft, 
aus jener Augen, aus jener Seelenworte, die sahen, 
kosteten Glück und des ungeschwächt Wirklichen Dasein.

Bald ist jene Schale von neuem gefügt, die ihn einstmals verdeckte
über den offnen, den noch verständlichen Himmel.
Speise wird Erinnerung sein an die gnädige Öffnung,
Flutung des Hellen herab in die Ödnis.
05 Jener Augen, die sinnend ruhten im Staub,
nimmer schliefen zumitten der Nacht, als aufging
die Freudenerscheinung: 
fürder dringt aus ihnen auf die anderen ein 
Wissen um die Gestirne, die Lenker, herzerschütternde
Freude des Anblicks 
dessen, was h
inter der Hülle verborgen nun bleibt
10 über dem ehernen Helm, der uns einschliesst.
Nahrung der Steppe musste genügen zuvor,
würde noch heute genügen, //
bliebe nicht fürder Hunger nach reinerer Speise,
nach der Labung vollkommenen Klangs und der
Schau des höchsten Sonnengewölbes;
bliebe nicht unbezwinglicher Hunger
15 Kenntnis langvergessner Verwandtschaft
aus jener Augen, jener Seelenworte, die sahen, 
kosteten Glück und des ungeschwächt Wirklichen Nahsein.

Bald ist die Schale von neuem gefügt über offnen,
den noch verständlichen Himmel, welche in barg.
Speise wird Erinnerung sein an die gnädige
Öffnung, Flutung des Hellen herab in die Ödnis.
05 Jener Augen, die sinnend ruhten im Staub,
nimmer schliefen zumitten der Nacht, als aufging
Freudenerscheinung: fürder dringt auf die andern
aus ihnen Wissen um die Gestirne, die Lenker,
herzerschütternde Freude des Anblicks des hinter
10 Hülle Verborgenen, über dem Helm, der uns wiederum
einschliesst ehern. Nahrung der Steppe genügt,
musste genügen zuvor und würd es noch heut //
bliebe nicht fürder Hunger nach reinerem Brot,
nach vollkommenen Klanges Labung und Schau
15 höchsten Sonnengewölbes, bliebe nicht Hunger
unbezwinglich, Kenntnis der Gottesverwandtschaft,
aus jener Augen und Seelenworte, die sahen, 
kosteten Glück und des ungeschwächt Wirklichen Nahsein.

Bald ist die Schale von neuem gefügt vor dem offnen,
dem noch verständlichen Himmel, welche ihn barg
vormals. Speise wird Erinnerung sein an
gnädige Flutung des Hellen herab in die Ödnis.
05 Jener Augen, die zumitten der Nacht
nimmer schliefen, als aufging Freudenerscheinung:
fürder dringt auf die andern aus ihnen Wissen
um die Gestirne, die Lenker, herzerschütternde
Freude des Anblicks des hinter Hülle Verborgenen,
10 über dem Helm, der uns wiederum einschliesst ehern.
Nahrung der Steppe musste genügen zuvor,
müsste genügen auch heute, bliebe nicht hinfort  
Hunger nach reinerem Brot, nach vollkommnen Klanges
Labung und Schau des höchsten Sonnengewölbes,
15 unbezwinglich, Kenntnis der Gottesverwandtschaft,
aus jener Augen und Seelenworte, die sahen, 
kosteten Glück und des ungeschwächt Wirklichen Nahsein.

Bald ist die Schale von neuem gefügt vor dem offnen,
dem noch verständlichen Himmel, welche ihn barg
vormals. Speise wird Erinnerung sein an 
gnädige Flutung des Hellen herab in die Ödnis.
05 Finden uns jener Augen, die nimmer schliefen
mittnachts, dringt auf die andern Wissenschaft
von den Gestirnen, den Lenkern, herzerschütternde
Freude des Anblicks des hinter Hülle Verborgnen,
über dem Helm, der uns wiederum ehern einschliesst.
10 Nahrung der Steppe musste genügen zuvor,
müsste genügen auch heute, bliebe nicht hinfort  
Hunger nach reinerem Brot, nach vollkommenen Klanges
Labung und Schau des höchsten Sonnengewölbes,
unbezwinglich, Kenntnis der Gottesverwandtschaft,
15 aus jener Augen, die sahen, und Seelenworte,
kosteten Glück und des ungeschwächt Wirklichen Nahsein.

Dienstag, 14 März 1950       )

Entlassenes Licht, das in der Hölle schwebt …* (A)

Entlassenes Licht, das in der Hölle schwebt,
Fackel niederflatternd durch die Räume:
die Sonne sandte dies aus ihren Kreisen,
sie besitzt alles und kann nichts verlieren,
05 wieviel sie schenke auch. 
So reist die Flamme über Gängern auch in der dunklen Wölbung,
geheimnisvoll bewegt und von innen nirgends ruhig,
(So begegnen darin) die Göttersöhne, verstreut und doch
verstossen nicht:
sie leben in der Flamme, die unsterblich.
10 Sie haben vom Gestirn geraubt, was es verschenkte.
Den andern bleibt es, auf dem Berg zu warten,
bis eins der Feuer im Vorüberfahren
den Verwandten greift und mit sich trägt
bis einst vielleicht der übergrosse Sturm
15 es wegweht aus den Kerkerräumen
und hinweht in die Sonne und Versammlung
der befreiten Brüder.

Licht, das, entlassen vom Licht, schwebt in der Tiefe,
Fackel reisende über den Gängern in der Schattenwölbung
nirgends ruhig und von innen bewegt:
auf den Bergen warten viele, bis eines der Feuer,
05 Wohnung unsterblicher Helden, verbannter und doch nicht verstossner,
fahrend vorüber den Verwandten ergreift,
weggeweht einstens von ungeheuerem Sturm
trägt aus dem Kerker zurück ins erste Licht,
Helle und befreiter Brüder unerfüllte Versammlung.

Lichter, entlassen vom Licht, in der Schattenwölbung
reisen die Fackeln über den Gängern, ruhig
nirgends: auf den Bergen warten viele,
eines der Feuer, verbannter, doch nicht verstossner
05 Wohnung unsterblicher Helden, möchte, vorüber
fahrend, ergreifen Verwandten und, einstens vom Sturm
weggeweht, tragen aus dem Kerker ins erste
Licht zurück und befreiter Brüder Versammlung.

Donnerstag, 27 April 1950       )

Lichtentlassene Lichter, im Gewölbe …* (D)

Lichtentlassene Lichter, im Gewölbe
reisen die Fackeln über den Gängern, ruhig
nirgends: viele warten auf den Bergen,
eines der Feuer, verbannter, doch nicht verstossner,
05 Wohnung unsterblicher Helden, möchte, vorüber
fahrend, den Verwandten ergreifen und einstens
wegwehn aus dem Kerker im Sturm in befreiter
Brüder Versammlung, zurück ins quellende Licht.

Freitag, 28 April 1950       )

Im Gewölbe lichtentlassene Fackeln …* (E)

Im Gewölbe lichtentlassene Fackeln
nirgends ruhig reisen über den Gängern,
deren auf den Bergen manche warten,
eins der Feuer, verbannter, doch nicht verstossner,
05 Wohnung unsterblicher Helden, möchte, vorüber
fahrend, den Verwandten ergreifen und aus dem
Kerker einstens im Sturm zurück in befreiter
Brüder Versammlung tragen im quellenden Licht.

Samstag, 18 März 1950       )

Spiel ohne Ende, vom Hereinklang genährt …* (A)

Spiel ohne Ende, vom Hereinklang genährt
aus dem Lauf der seienden Dinge,
schön ist es für die Sitzenden in den Wiegenetzen,
in den an Seilen wiegenden Gittern, den
05 Strahlen, die ausgehn von hier und kommen von dort,
getragenen Spieler.
Vorrat an Bällen ist gross, ist unendlich, 
und lange noch nicht sind alle ergriffen.
Noch nicht ist der Spieltanz vollendet
10 von Gitter zu Gitter und der Schritt
über die Kraftnetze alle:
was denn schadet der Fall und ein Versehen des Fusses?: 
Stürzenden fängt ein anderes Netz, ein anderes Gitter,
schwankend an Seilen sicher befestigt, auf,
schaukelnd liegt er unter neuen, bunteren Bällen.

Samstag, 18 März 1950       )

Spiel, vom Hereinklang genährt …* (B)

Spiel, vom Hereinklang genährt ohne Ende der wandelnd
seienden Dinge, schön ists den Wiegenden in den
Netzen, auf den Gittern, an fern befestigten Seilen,
Gängern über die Strahlen, die kommen von hier und von dort,
05 glücklichen Spielern: Vorrat an Bällen ist gross,
lang noch nicht sind alle ergriffen, noch nicht
ist der Spieltanz vollendet von Gitter zu Gitter,
Gang über die Kraftnetze alle: was denn schadet
Fall und ein Versehen des Fusses?: 
10 Stürzenden fängt ein anderes Netz, Gitter,
schwankend an Seilen, sicher befestigt, auf;
schaukelnd liegt er unter neuen, bunteren Bällen.

Mittwoch, 22 März 1950       )

Spiel, vom Hereinklang genährt …* (C)

Spiel, vom Hereinklang genährt ohne Ende der wandelnd
seienden Dinge, schön ists den Wiegenden in den
Netzen, auf Gittern, an Seilen, befestigten fern,
Gängern über die Strahlen, die kommen von hier,
05 kommen von dort den glücklichen Spielern: gross ist
Vorrat an Bällen, ergriffen sind lang noch nicht alle,
noch nicht ist der Spieltanz (von Gitter zu Gitter,
Gang über die Netze) vollendet: was schadet
Fall und ein Versehen des Fusses? Gestürzten
10 fängt ein anderes Netz, Gitter an Seilen
schwankend, sicher befestigt, auf; und schaukelnd
liegt er unter bunterer Bälle Geröll.

Mittwoch, 22 März 1950       )

Spiel vom Hereinklang genährt …* (D)

Spiel vom Hereinklang genährt ohne Ende der wandelnd
seienden Dinge, schön ists den Wiegenden in
Netzen, auf Gittern, an Seilen, befestigten fern,
Gängern über die Strahlen, die kommen von hier,
05 kommen von dort den glücklichen Spielern: gross ist
Vorrat an Bällen, ergriffen sind lang noch nicht alle,
noch nicht vollendet ist der Spieltanz: was schadet
Fall und ein Versehen des Fusses? Gestürzten
fängt ein anderes Netz, Gitter, an Seilen
10 sicher schwankend, auf, und unter anderer 
unter bunterer, liegt er, Bälle Geröll.

Mittwoch, 26 April 1950       )

Vom Hereinklang genährt der wandelnd seienden …* (E)

Vom Hereinklang genährt der wandelnd seienden
Sterne, schön ist den Wiegenden in den Netzen,
auf den hangend fern befestigten Gittern 
immer der Tanz und das Spiel mit den farbigen Bällen:
05 was denn schadet ein Versehen des Fusses? 
Immer ein anderes Netz, ein schwankendes Gitter 
fängt den Gestürzten auf und unter andrer,
unter bunterer, liegt er, Bälle Geröll.

Mittwoch, 26 April 1950       )

Vom Hereinklang genährt der wandelnd seienden …* (F)

Vom Hereinklang genährt der wandelnd seienden
Sterne, schön ist den Wiegenden auf dem Netz,
auf dem hangend fern befestigten Gitter
immer der Tanz und das Spiel mit dem farbigen Ball:
05 was denn schadet ein Versehen des Fusses? 
Immer ein anderes Netz, ein anderes Gitter 
fängt den Stürzenden auf und unter andrer,
unter bunterer, wiegt er, Bälle Geröll.

Im Höhlengrund, wo ich noch eben raffte Schätze,
da kommst Du aus der Tiefe mir entgegen.
Dem Raffer, der errötet, ein ertappter
Dieb, sinken aus der Hand Gesteine, Gold,
05 gewirkte Stoffe, in Deine Arme stürzt er,
an Deinen Mund, des Kuss versengt und der
versengend heilt. Nur Dich seh ich, geheimer Fülle Botin,
was Reichtum schien, ist matt und billig nun.
Du bist der Edelstein und leuchtendes Geweb,
10 Du Lichte, glänzend aus der dunklen Tiefe.

Samstag, 25 März 1950       )

Im Höhlengrund, wo er noch raffte Schätze …* (B)

Im Höhlengrund, wo er noch raffte Schätze,
da kommt sie aus der Tiefe ihm entgegen:
Dem Raffer, der errötet, ertapptem Dieb
entsinken Gesteine, Gold, gewirkte Stoffe;
05 in ihre Arme stürzt er, an ihren Mund,
des Kuss versengt und der versengend heilt.
Nur sie glänzt ihm allein, was Reichtum schien
ist matt und billig nun vor diesem Stein,
vor wahrem Gold und leuchtendem Geweb,
10 vor Lichtesbotin aus dem Höhlengrund.

Freitag, 14 April 1950       )

Die Bezeugung rufst du, Wesensbild …*

Die Bezeugung rufst du, Wesensbild,
aus den hohen Tänzerchören durch die
Wolkenschwaden in den lehmigen Schlaf
nieder, ständig hier und dennoch rufend
05 weither, wie bedroht in deiner Botschaft:
wenn den Blinden auch das Ohr erstarrte?

Freitag, 14 April 1950       )

Wogen Kaskaden nieder, Blüten …* (A)

Wogen Kaskaden nieder, Blüten,
in der Färbung zeigend andre Reiche,
hergewehter Staub des Lenzes von jenem aufgegangnen Fest,
aus der Blütenwohnung hergeweht, Blütenwohnung,
05 die nicht bleibt.
Dennoch einzig Glück für den, der weilte 
einmal dort: ist’s einer von den unsern, der erzählte?
Aber die Kaskaden, wallend wieder, bedecken
leeren Tempels Dach und unsrer Hütten 
10 mit dem farbigen Duft, der letzten
Tage Trost oder der ersten: wer mag es wissen? 
Auf den Kähnen treiben wir mit dem schlechten Hausrat,
schneller treibt der Fluss, und es weht Blütenstaub
wogend uns entgegen, auf das Verdeck die Lust
15 sinkenden Frühlings, Botschaft aus der // 01v
reichen Stadt, dahin wir fahren,
Botschaft aus der reichen Stadt der Toten.

Montag, 17 April 1950       )

Hergewehter Staub des Lenzes, in der …* (B)

Hergewehter Staub des Lenzes, in der
Färbung zeigt er andre Reiche, Blüten-
wohnung, die nicht bleibt und dennoch
einzig Glück für den, der weilte einmal
05 dort. Aber hergewehter Staub bedeckt 
leeren Tempels Dach und das Verdeck
leerer Kähne, darauf wir treiben mit
schlechtem Hausrat: Botschaft weht uns in
schnellern Zug des Flusses von der reichen
10 Stadt der Toten, die wir ergreifen bald

Dienstag, 18 April 1950       )

Hergewehter Staub des Frühlings zeigt …* (C)

Hergewehter Staub des Frühlings zeigt
reinen Duft der Blütenwohnung die,
nimmer bleibend, dennoch, einzig Glück,
dauert dem, der einmal weilte dort.
05 Andern weht er auf des leeren Tempels
Dach und das Verdeck der Kähne, wo sie
treiben mit dem schlechten Hausrat: Botschaft
in den immer schnellern Zug des Flusses
von der reichen Totenstadt, die sie
10 schon empfängt nach jener nächsten Windung.

Mittwoch, 26 April 1950       )

Hergewehter Staub des Frühlings strömt …* (D)

Hergewehter Staub des Frühlings strömt
reinen Duft der Blütenwohnung, die, 
schnell verwelkt und dennoch brennend Glück
dauert dem, der einmal wohnte dort.
05 Allen Andern weht er auf den Kahn,
wo sie treiben mit dem schlechten Hausrat,
Botschaft in den steil und steileren Fluss, 
dass des brachen Reichtums leere Stadt
unterm Katarakt der Schiffer harrt.

Montag, 17 April 1950       )

Bruder, du leitest hinter die Hügel …* (A)

Bruder, du leitest hinter die Hügel
die Gereinigten, nachdem sie
gingen mit Fremden, Gaunern der Strasse
mit den Kupplern der gemeinen
05 Wege: jetzt sind sie dir, gehörig,
Winterboten, der durch die Wälder
führt, übern See, zu der gläsernen
Kugel, wo die ruhende Taube
alle empfängt und diese Städte
10 sind nur noch Bilder aus Büchern. Du aber,
liebender Bruder, du stehst freundlich
bei dem Beglückten unter der Rundung.

Dienstag, 18 April 1950       )

Bruder, du leitest hinter die Hügel …* (B)

Bruder, du leitest hinter die Hügel
die Gereinigten, nachdem sie
gingen mit den Gaunern der Strasse:
jetzt sind sie dir, dem Winterboten
05 Hörige, der durch die Wälder
führst und über den See zur gläsernen
Kuppel, wo die ruhende Taube
alle empfängt und alles Hiesige 
schwand. Aber du bleibst noch freundlich
10 bei den Beglückten unter der Rundung.

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