DIE MÜNZE

Zweifelst du, Leser von Büchern, nur darum
nicht am Dasein dieses Menschen,
der neben der Frau im Garten sein Bier trinkt
und neben dem sommersprossigen Söhnchen,
05 das, den Mund von Erdbeereis ganz überschmiert,
aus Biertellern ein Haus baut:

nur darum nicht,
weil manchmal eine Bewegung
seiner Schulter ihn als den Sohn der Sonne verrät,
10 der auf Emesas Mauer den Purpur sich umwirft;
nur darum nicht,
weil manchmal ein Glanz im Winkel des Augs
und ein Zucken im Winkel des Munds
ihn als den gleichen Cäsar verrät, der am Fenster
15 des Palasts in Lutetia erstmals den Ruf
hört: Augustus –?

Zweifelst du nur darum nicht, Leser von Büchern,
weil der Jubel des Kindes über das Haus
aus Biertellern sich verrät als der Jubel
20 der Legionen für Spenden,
das Lächeln der Frau als das Lächeln der neu erhöhten Augusta,
die Schaumkrone des Biers als der Lorbeer?
Zweifelst du, Leser von Büchern,
nur darum nicht am Dasein dieses Menschen?

25 »Nein, es ist die uralte Münze,
und diese Lösung hat sie für einmal gereinigt: Kann sein,
daß eine schärfere Lösung ein genaueres Bild gibt.«

  • Besonderes:

    Zum „Sohn der Sonne“ (V. 09) und dem Kult von Emesa (V. 10) vgl. Werke 1, 420, Anm. 91; ebd. zu Ausrufung von Kaiser Julian zum Augustus in Paris (Lutetia).

  • Letzter Druck: GEDICHTE 1960
  • Textart: Verse
  • Datierung: pauschal (Konvolut)
  • Fassung: Letzte Fassung
  • Strophen: ja
  • Seite / Blatt: 10
  • Textnr.: 006
  • Werke / Chronos: Bd.1, 91

Titel: GEDICHTE
Verlag: Claassen Verlag GmbH, Hamburg (1960)
Druck: Poeschel & Schulz-Schomburgk, Eschwege
Inhalt: 46 Gedichte
Textträger: Broschiertes Oktavbändchen, gelber Umschlag, 56 Ss

Vorstufen: Notizbuch 1955-57, 1957-58, 1958-61, Manuskripte 1957, 1958, 1959-60, Typoskripte 1957
Kommentar: Auslieferung: 29.3.1960; Beschreibung

Weitere Fassungen

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