Der tote Vogel

Synopse

  • Der tote Vogel

    Notizbuch 1954-55 — Entstanden: 01. Dezember 1954

    Schwarz überwimmelt ist  
    der Leichnam schon,
    schwarz überwimmelt die verblichenen Flügel,
    die, zerstreute verteilte
    05Blütenblätter des nun entblätterten,
    im Herbst ganz abgepflückten
    Frühlings, winterlich liegen
    unterm Schnee des Todes.
    Unterm Sommer dieses Lebens, das,
    10was im Tod geblieben, noch auflöst,
    dieses flache Bild
    auf dem Boden, das der Maler,
    das überschnell fahrende Auto,
    bildete aus
    15Stoff und Farbe des Vorbilds.
    Und jetzt schaukelt es hinaus 
    vom Ausgeworfenen Blicknetz gefangen,
    in den kaum erregten Augenteich
    des Knaben, der am Wegrand blinzelnd // 053
    20steht und die früh abgerissene
    Frucht, eh sie, gerötet, abfiel
    aus innerstem Antrieb, aufisst und laut schmatzt.

  • Der tote Vogel (A)

    Manuskripte 1955 — Entstanden: 02. Dezember 1954

    Die Flügel und die zerstreuten
    Federblätter des im Herbst entblätterten Frühlings, 
    liegen unter dem schwarzen 
    Ameisenschnee ihres Winters, 
    05der auch dies flache Bild auf dem Boden, 
    das der unfreiwillige, schnelle 
    Maler, das Rad des Autos, 
    bildete aus dem Stoff und der Farbe des Vorbilds, 
    noch auflöste, wenn nicht 
    10das ausgeworfene Blicknetz des Knaben, 
    der am Wegrand blinzelnd steht 
    und einen, aus Langeweile, zu früh 
    abgerissenen Apfel mit verzognem Gesicht kaut, 
    zöge das Bild hinein in den Teich seiner Augen, 
    15wo es schaukelt her und hin auf der Fläche, 
    bis es absinkt und auf dem Grund bleibt, bereit 
    für den Traum und die gewittrige Stunde, 
    die es von neuem heraufspült 
    dem Knaben, der noch blinzelt und kaut 
    20schmatzend den frühreifen, 
    gestohlenen Apfel.

  • Der tote Vogel (B)

    Manuskripte 1955 — Entstanden: 03. Dezember 1954

    Die Flügel und die zerstreuten
    Federblätter des im Herbst entblätterten Frühlings
    liegen unter dem schwarzen 
    Ameisenschnee ihres Winters, 
    05der auch dies flache Bild auf dem Boden – 
    gebildet vom schnellen Maler, 
    dem Rad des Autos, aus dem Stoff 
    und der Farbe des Vorbilds – 
    noch auflöste, wenn nicht das 
    10ausgeworfene Blicknetz des Knaben, am Wegrand 
    zöge das Bild hinein in den Teich seiner Augen, 
    wo es auf der Fläche hin und her schaukelt, 
    bis es absinkt und auf dem Grund bleibt, bereit 
    für den Traum und die gewittrige Stunde, 
    15die es von neuem heraufspült 
    dem, der jetzt noch blinzelt und den 
    frühreifen, vom Baum gestohlenen 
    Apfel schmatzend kaut.

  • Der tote Vogel (C)

    Manuskripte 1955 — Entstanden: 03. Dezember 1954

    Die Flügel und die zerstreuten
    Federblätter des Frühlings
    liegen unter dem schwarzen 
    Ameisenschnee ihres Winters, 
    05der auch dies flache Bild auf dem Boden – 
    gebildet vom schnellen Maler, 
    dem Rad des Autos, aus dem Stoff 
    und der Farbe des Vorbilds – 
    noch auflöste, wenn nicht das 
    10ausgeworfene Blicknetz des Knaben am Wegrand 
    das Bild zöge hinein in den Teich der Augen, 
    dessen, der jetzt noch blinzelt und den 
    frühreifen, vom Baum gestohlenen Apfel 
    schmatzend kaut, fern dem 
    15Traum und der gewittrigen Stunde, 
    die vom Grund, wo es bleibt, 
    nachdem es auf der Fläche hin 
    und her schaukelte und endlich hinab 
    gesunken war, von neuem schrecklich, 
    20schwarzüberwimmelt heraufspült.

  • Die Jahreszeiten: Der tote Vogel (D)

    Manuskripte 1955 — Entstanden: 18. Dezember 1954

    Die Flügel und die zerstreuten
    Federblätter des Frühlings 
    liegen unter dem schwarzen 
    Ameisenschnee ihres Winters, 
    05der auch dies flache Bild auf dem Boden 
    – gebildet vom schnellen Herbstrad des Autos 
    aus dem Stoff und der Farbe des Vorbilds – 
    noch auflöste, wenn nicht das 
    ausgeworfene Blicknetz des Knaben am Wegrand 
    10es hineinzöge in den Teich der Augen 
    dessen, der jetzt noch blinzelt und den 
    frühreifen, vom Baum gestohlenen 
    Apfel schmatzend kaut, fern dem 
    Traum und dem gewittrigen Sommer, 
    15der es vom Grund, wo es bleibt, 
    nachdem es auf der Fläche hin 
    und her schaukelte und endlich hinab 
    gesunken war, von neuem schrecklich 
    schwarz überwimmelt heraufspült.

  • Die Jahreszeiten: Der tote Vogel (E)

    Manuskripte 1955 — Entstanden: 22. Dezember 1954

    Der Flügelfrühling und die zerstreuten
    Federblätter liegen unter dem schwarzen 
    Ameisenschnee ihres Winters, 
    der auch dies flache Bild auf dem Boden, 
    05– gebildet vom schnellen Herbstrad des Autos, 
    aus dem Stoff und der Farbe des Vorbilds – 
    noch schmölze, wenn nicht das 
    vom Rand der Strasse ausgeworfene Blicknetz des Knaben 
    es zöge in den Teich der Augen hinein, 
    10die jetzt noch blinzeln über dem 
    Schmatzen, dem Kauen des frühreifen 
    Apfels, fern dem Traum und dem 
    gewittrigen Sommer, der es vom Grund, wo es bleibt, 
    nachdem es auf der Fläche hin 
    15und her schaukelte und endlich hinab 
    gesunken war, von neuem schrecklich 
    schwarz überwimmelt heraufspült.

  • Die Jahreszeiten: Der tote Vogel (F)

    Manuskripte 1955 — Entstanden: 24. Januar 1955

    Der Flügelfrühling und die zerstreuten
    Federblätter liegen unter dem schwarzen 
    Ameisenschnee ihres Winters, 
    der auch dies flache Bild auf dem Boden 
    05– vom schnellen Herbstrad des Autos 
    gebildet aus dem Stoff und der Farbe des Vorbilds – 
    noch schmölze, wenn nicht das vom Rand der Strasse 
    ausgeworfene Blicknetz des Knaben 
    es in den Teich der Augen zöge hinein, 
    10die jetzt noch blinzeln über dem 
    Schmatzen, dem Kauen des frühreifen 
    Apfels, fern dem Traum und dem 
    gewittrigen Sommer, der es vom Grund, wo es bleibt, 
    nachdem es auf der Fläche hin 
    15und her geschaukelt worden und endlich hinab 
    gesunken war, von neuem deutlich und 
    schwarz überwimmelt heraufspült.

  • Die Jahreszeiten: Der tote Vogel (G)

    Manuskripte 1955 — Entstanden: 17. Februar 1955

    Der Flügelfrühling und die zerstreuten 
    Federblätter liegen unter dem schwarzen 
    Ameisenschnee ihres Winters, 
    der auch dies flache Bild auf dem Boden 
    05 – vom schnellen Herbstrad des Autos 
    aus dem Stoff und aus der Farbe des Vorbilds gebildet – 
    noch schmölze. Wenn nicht das vom Rand 
    der Strasse ausgeworfene Blicknetz des Knaben 
    es zöge hinein in den Teich  
    10der Augen, die jetzt noch über dem Schmatzen, 
    dem Apfelkauen des ungeduldigen Munds 
    blinzeln: fern noch vom Traum und vom 
    gewittrigen Sommer, der das Bild vom Grund, wo es lang bleibt, 
    wenn es auf der Fläche hin 
    15und her geschaukelt und endlich hinab 
    gesunken war, von neuem einst deutlich und 
    schwarz überwimmelt herauf spült.

  • Die Jahreszeiten: Der tote Vogel (H)

    Manuskripte 1955 — Entstanden: 19. Februar 1955

    Der Flügelfrühling und die zerstreuten 
    Federblätter liegen unter dem schwarzen 
    Ameisenschnee ihres Winters, 
    der auch dies flache Bild auf dem Boden 
    05 – vom schnellen Herbstrad des Autos 
    aus dem Stoff und aus der Farbe des Vorbilds gebildet – 
    noch schmölze: Wenn nicht das vom Rand 
    der Strasse ausgeworfene Blicknetz des Knaben 
    es zöge hinein in den Teich  
    10der Augen, die jetzt noch über dem Schmatzen, 
    dem Apfelkauen des erst begonnenen Munds 
    blinzeln: fern noch vom Traum und vom gewittrigen
    Sommer, der das Bild vom Grund, wo es lange 
    bleibt, wenn es hin und her auf der Fläche
    15geschaukelt und endlich hinab 
    gesunken, einst von neuem deutlich und schwarz
    überwimmelt herauf spült.

  • Die Jahreszeiten: Der tote Vogel (J)

    Manuskripte 1955 — Entstanden: 08. März 1955

    Der Flügelfrühling und die zerstreuten
    Federblätter liegen unter dem schwarzen 
    Ameisenschnee ihres Winters, 
    der auch dies flache Bild auf dem Boden 
    05– vom Herbstrad des Autos schnell 
    aus dem Stoff und der Farbe des Vorbilds gebildet – 
    noch schmölze: Wenn nicht das vom Rand 
    der Strasse ausgeworfene Blicknetz des Knaben 
    es zöge hinein in den Teich 
    10 der Augen, die jetzt noch blinzeln über 
    dem Schmatzen, dem Apfelkauen des Munds: 
    weit noch vom Traum und vom gewittrigen 
    Sommer, der das Bild vom Grund, wo es lange 
    bleibt, wenn es hin und her auf der Fläche 
    15 geschaukelt und endlich hinab 
    gesunken, künftig einmal  von neuem 
    deutlich und schwarz überwimmelt heraufspült.

  • Die Jahreszeiten (Der tote Vogel)

    Typoskripte 1955 — Entstanden: 1955

    Der Flügelfrühling und die zerstreuten
    Federblätter liegen unter dem schwarzen
    Ameisenschnee ihres Winters,
    der auch dies flache Bild auf dem Boden
    05– vom Herbstrad des Autos schnell
    aus dem Stoff und der Farbe des Vorbilds gebildet –
    noch schmölze: Wenn nicht das vom Rand
    der Strasse ausgeworfene Blicknetz des Knaben
    es zöge hinein in den Teich
    10der Augen, die jetzt noch blinzeln über
    dem Schmatzen, dem Apfelkauen des Munds:
    weit noch vom Traum und vom gewittrigen
    Sommer, der das Bild vom Grund, wo es lange
    bleibt, wenn es hin und her auf der Fläche
    15geschaukelt und endlich hinab
    gesunken, künftig einmal von neuem
    deutlich und schwarz überwimmelt heraufspült.

  • Der tote Vogel

    Verstreutes — Publiziert: August 1956

    Der Flügelfrühling und die zerstreuten
    Federblätter liegen unter dem schwarzen
    Ameisenschnee ihres Winters,
    der auch dies flache Bild auf dem Boden
    05 – vom Herbstrad des Autos schnell
    aus dem Stoff und der Farbe des Vorbilds gebildet –
    noch schmölze: Wenn nicht das vom Rand
    der Straße aufgeworfene Blicknetz des Knaben
    es zöge hinein in den Teich
    10der Augen, die jetzt noch blinzeln über
    dem Schmatzen, dem Apfelkauen des Mundes:
    weit noch vom Traum und vom gewittrigen
    Sommer, der das Bild vom Grund, wo es lange
    bleibt, wenn es hin und her auf der Fläche
    15geschaukelt und endlich hinab
    gesunken, künftig einmal von neuem
    deutlich und schwarz überwimmelt heraufspült.

  • DER TOTE VOGEL

    GEDICHTE 1960 — Publiziert: 1960

    Der Flügelfrühling und die zerstreuten
    Federblätter liegen unter dem schwarzen
    Ameisenschnee ihres Winters,
    der auch dies flache Bild auf dem Boden
    05 – vom Herbstrad des Autos schnell
    aus dem Stoff und der Farbe des Vorbilds gebildet –
    noch schmölze: Wenn nicht das vom Rand
    der Straße aufgeworfene Blicknetz des Knaben
    es zöge hinein in den Teich
    10der Augen, die jetzt noch blinzeln über
    dem Schmatzen, dem Apfelkauen des Mundes:
    weit noch vom Traum und vom gewittrigen
    Sommer, der das Bild vom Grund, wo es lange
    bleibt, wenn es hin und her auf der Fläche
    15geschaukelt und endlich hinab
    gesunken, künftig einmal von neuem
    deutlich und schwarz überwimmelt heraufspült.