Synopse

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Donnerstag, 13 Juli 1944    (    )

Denkmal am Rhein. / II. / Für M.

Was für Tage sind dies, so müde und lockend zum Schlafe,
wo das schüchterne Blau, stets von Wolken bedrängt,
nie den Mittag bekrönt und vor dem Abend schon schwindet,
wo die Lüfte quer laufen und wie ohne Ziel?
05 Andere ruf' ich zurück, mein Freund, lebendige Stunden,
da uns vom Strome herauf wogte ein silberner Wind.
Unterm Zeltdach der Fähre sassen und winkten die Mädchen
bunt mit Tüchern uns zu. Aber auf waldigem Berg
liess eine Wolke sich nieder: ein Schwan mit entfalteten Flügeln,
10 ruhig rudernd hinan, sanft überschattend das Land.
Draussen schritt feiernd der Park im grünen Gang der Alleen
bis zu dem schweigenden Haus, wo ihn die Treppe empfing,
freundlich fallend entgegen, doch wehrten sachte Geländer
neckisch Bäumen und Busch, schön zur Bewahrung bestellt.
15 Weiden hingen im Weiher und um die marmorne Herme
lichtete hell sich der Hain, wiegender Tempel im Duft.

Alles glitt in den Abend. In Dämmer zerrann uns die Landschaft.
Schnell war die Wiese verblasst, wo wir uns trafen zur Lust.
Aber weissere Wege gehn durch den Traum der Verlassnen,
20 sichrer schimmernd voran über die Auen am Fluss.
Sinnst du, Liebender, noch, gelehnt an die Pfosten des Herzens?
Folge dem wendenden Pfad, leuchtenden Nebeln vorbei,
die, in Sträuchern verloren, warten künftiger Feste,
wo eine Göttin vielleicht schmückenden Schleiers bedarf.
25 Sieh, auf finsteren Wipfeln rundet sich rötlichen Glanzes
neu des wachsenden Monds glückhaft gebogenes Horn.

In: Typoskripte Thomas Raeber
Donnerstag, 13 Juli 1944    (    )

Denkmal am Rhein. / II. / Für M.

Was für Tage sind dies, so müde und lockend zum Schlafe,
wo das schüchterne Blau, stets von Wolken bedrängt,
nie den Mittag bekrönt und vor dem Abend schon schwindet,
wo die Lüfte quer laufen und wie ohne Ziel?
05 Andere ruf' ich zurück, mein Freund, lebendige Stunden,
da uns vom Strome herauf wogte ein silberner Wind.
Unterm Zeltdach der Fähre sassen und winkten die Mädchen
bunt mit Tüchern uns zu. Aber auf waldigem Berg
liess eine Wolke sich nieder: ein Schwan mit entfalteten Flügeln,
10 ruhig rudernd hinan, sanft überschattend das Land.
Draussen schritt feiernd der Park im grünen Gang der Alleen
bis zu dem schweigenden Haus, wo ihn die Treppe empfing,
freundlich fallend entgegen, doch wehrten sachte Geländer
neckisch Bäumen und Busch, schön zur Bewahrung bestellt.
15 Weiden hingen im Weiher und um die marmorne Herme
lichtete hell sich der Hain, wiegender Tempel im Duft.

Alles glitt in den Abend. In Dämmer zerrann uns die Landschaft.
Schnell war die Wiese verblasst, wo wir uns trafen zur Lust.
Aber weissere Wege gehn durch den Traum der Verlassnen,
20 sichrer schimmernd voran über die Auen am Fluss.
Sinnst du, Liebender noch, gelehnt an die Pfosten des Herzens?
Folge dem wendenden Pfad, leuchtenden Nebeln vorbei,
die, in Sträuchern verloren, warten künftiger Feste,
wo eine Göttin vielleicht schmückenden Schleiers bedarf.
25 Sieh, auf finsteren Wipfeln rundet sich rötlichen Glanzes
neu des wachsenden Monds glückhaft gebogenes Horn.

In: Typoskripte 1943-46
Typoskripte 1943-46 (alph.)
(Total: 22 )
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